Ukrainische Grenzsoldaten entführt

Am 3. Oktober 2017 sind die beiden ukrainischen Grenzsoldaten Ihor Dschubak und Bohdan Marzonja in der Region Sumy an der Grenze zu Russland verschwunden. Schnell wurde bekannt, dass sie im Moskauer Lefortowo-Gefängnis sitzen. Russland wirft ihnen “illegalen Grenzübertritt” und “böswilligen Ungehorsam gegenüber Vertretern der Strafverfolgungsbehörden” vor. Der Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, Olexandr Turtschynow, spricht hingegen von Entführung und Terror. “Sie wurden in der neutralen Zone gefangen genommen, also auf ukrainischem Territorium. Das ist reiner Terrorismus von Seiten Russlands gegen unser Land”, sagte er. Kiew geht davon aus, dass die beiden Männer auf ukrainischem Territorium entführt wurden, um sie für einen Austausch gegen russische Geheimdienstler auszunutzen.

Die ukrainische Internetzeitung “Ukrajinska Prawda” berichtet Einzelheiten zu dem Fall. Das Ukraine Crisis Media Center hat den Artikel zusammengefasst.

Um wen handelt es sich und was ist passiert?

Ihor Dschubak geboren 1982, und Bohdan Marzonja, geboren 1988, haben die Akademie für Staatsdienst in der Stadt Chmelnyzkyj absolviert. Im April dieses Jahres nahmen beide ihren Dienst beim Grenzschutz in der Region Sumy auf.

Am 3. Oktober fuhren sie zur Staatsgrenze zur Russischen Föderation. Ihr Auto hielt zehn Meter vor der Grenzlinie. Die beiden Grenzschützer stiegen aus dem Auto. Sie hatten nur die Fahrzeugpapiere, ihren Führerschein und Dienstausweise bei sich. Die Verbindung zu ihnen brach gegen 20.00 Uhr ab. Am 9. Oktober wurde bekannt, dass ein russisches Gericht die beiden ukrainischen Grenzsoldaten für zwei Monate verhaftet hat. Die ukrainische Seite setzte ein Treffen mit Vertretern des russischen Grenzschutzes durch, erhielt dabei aber lediglich die Bestätigung, dass die Männer festgenommen wurden.

Beweis für eine Entführung

Wie die “Ukrajinska Prawda” von den ukrainischen Behörden erfuhr, hat die ukrainische Seite zwei Monate vor dem Verschwinden von Ihor Dschubak und Bohdan Marzonja Gespräche von Russen abgefangen, in denen es um einen Auftrag ging, zwei ukrainische Grenzschützer festzunehmen. Daher glauben die ukrainischen Behörden, dass die beiden Grenzschützer gezielt entführt wurden. Der Sprecher des Grenzschutzes der Ukraine, Oleh Slobodjan, sagte: “Unweit des Autos von Bohdan und Ihor war an zwei Stellen das Gras plattgetreten. Das beweist, dass es dort einen Hinterhalt gab.”

Die beiden ukrainischen Grenzbeamten wurden in das Moskauer Lefortowo-Gefängnis gebracht. So erging es vor fünf Jahren auch dem russischen Oppositionellen Leonid Raswosschajew. Er wurde mitten in Kiew vom russischen Geheimdienst entführt und mit einem Sack über dem Kopf bis zur ukrainisch-russischen Grenze gefahren. Schließlich landete er im Moskauer Lefortowo-Gefängnis.

Die Kommunikation mit den beiden ukrainischen Grenzschützern im Lefortowo-Gefängnis läuft ausschließlich über eine Anwältin, die von Bohdans Familie beauftragt wurde. Bohdans Frau Olha erklärte, die Anwältin habe die beiden Gefangenen drei- bis viermal besucht. Die Männer hätten die Anwältin gebeten, dem Grenzdienst der Ukraine auszurichten, dass sie keine Verräter seien. Sie seien nicht nach Russland übergelaufen.

Untersuchungen in der Ukraine

Laut Natalja Naumenko, Sprecherin der Staatsanwaltschaft der Region Sumy, prüfen die ukrainischen Behörden derzeit einerseits, ob es sich um eine Entführung und illegale Freiheitsberaubung handelt, oder ob die beiden Grenzschützer die Orientierung verloren haben und vielleicht doch die Grenze zu Russland überschritten haben.

Die Grenzlinie zwischen der Ukraine und Russland ist praktisch nicht gekennzeichnet. Russland verweigert seit Jahren eine Demarkation der Grenze. Doch seit Beginn der russischen Aggression hat die Ukraine selbst damit begonnen, die Grenze zur Russischen Föderation zu markieren, Schilder aufzustellen und Verkehrswege zu sperren.

Austausch von Gefangenen?

Obwohl bisher noch keine Angebote vorliegen, geht der ukrainische Grenzschutz davon aus, dass Moskau die beiden ukrainischen Grenzschützer für einen Austausch gegen russische Mitarbeiter des Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB) ausnutzen wollen – und zwar gegen den stellvertretenden Leiter der Reserveeinheit des Armeekorps 9930, Askar Kulub, und den Leiter der kynologischen Gruppe des gleichen Korps, Wladimir Kusnezow.

Sie waren in der Nacht zum 30. Juni 2017 von ukrainischen Grenzbeamten und Soldaten der 56. Militär-Brigade in der Region Cherson am Ufer der Perekop-Bucht im Süden der Ukraine festgenommen worden. Die russischen Behörden erklärten daraufhin, ihre Geheimdienstmitarbeiter hätten “sich verirrt”. Der Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) ist jedoch überzeugt, dass Kulub und Kusnezow seit Dezember 2016 beauftragt gewesen seien, die Grenze der Ukraine zugunsten der Russischen Föderation zu verändern.