Politische Gefangene kehren zurück, Probleme der besetzten Gebiete, Marshall-Plan und mehr: Übersicht der ukrainischen Pressenachrichten, 23.-29.10.2017

Die Situation im Kampfgebiet in der Ostukraine

Die Lage spitzt sich zwangsläufig zu. In letzter Zeit hat sich die Situation im Kampfgebiet rapide verschlechtert. Die OSZE geht davon aus, dass sich die Lage im Donbass zwangsläufig zuspitzen wird, da beide Seiten die Mahnung, keine Gewalt anzuwenden, ignorieren. “Die Fakten sind offensichtlich – die Seiten haben ihre Waffen nicht zurückgezogen…  Die Seiten haben keine Minen geräumt. Täglich sehen wir Minen. Die Seiten haben ihre Kräfte und Mittel nicht zurückgezogen. Wir sehen sie in unmittelbarer Nähe entlang der gesamten Kontaktlinie”, erklärte der erste stellvertretender Vorsitzende der OSZE-Sonderbeobachtermission (SMM) in der Ukraine, Alexander Hug. Am 24. Oktober zählte die OSZE innerhalb von 24 Stunden über 300 Explosionen in den Gebieten Donezk und Luhansk.

Die Rebellen behindern weiterhin die Arbeit der OSZE. Die OSZE hat am 25. Oktober erklärt, ihre Drohne sei über der besetzten Stadt Donezk beschossen worden. Das geht aus einem Bericht der Beobachtermission hervor.

Die Ostukraine gehört zu den am stärksten verminten Gebieten der Welt. Die Ostukraine ist auf dem Weg, schon sehr bald zu einem der am stärksten verminten Regionen der Welt zu werden. Das erklärte auf einer Pressekonferenz in New York die Beigeordnete UN-Generalsekretärin für humanitäre Angelegenheiten Ursula Müller. Im Donbass sind immer noch zwei Millionen Hektar Land vermint, die von der ukrainischen Regierung kontrolliert werden. Zuvor hatte die OSZE berichtet, dass im Donbass seit Jahresbeginn durch Explosionen von Minen und Blindgängern 27 Menschen getötet und weitere 62 verletzt wurden.

Zivilbevölkerung in Gefahr. Am 28. Oktober haben die Besatzer die Umgebung der Ortschaften Wodjane und Schyrokyne in der Nähe von Mariupol mit Mörsern beschossen. Dabei wurden Häuser von Zivilisten beschädigt. Am 27. Oktober wurden auch Wohnhäuser in Schyrokyne mit Mörsern mit einem Kaliber von 120-Millimetern beschossen.


Das Leben in den “Volksrepubliken Donezk und Luhansk”

Beschlagnahme von Wohnraum in der “Volksrepublik Donezk”. Die “Volksrepublik Donezk” kann Menschen das Recht auf ihren Wohnraum nehmen, die keine triftigen Gründe für ihre Abwesenheit nachweisen können. Das sagte Lilia Resnikowa, Vertreterin des “Obersten Gerichts der Volksrepublik Donezk”. Resnikowa erläuterte, wenn eine  Person ohne triftigen Grund sechs Monate lang ihren Wohnraum, der sich im Besitz des Staates oder der Kommune befindet, oder ein Jahr lang Wohnraum, der sich in ihrem privaten Besitz befindet, nicht genutzt habe, dann könne dieser Wohnraum beschlagnahmt werden.

Fast 800 Gefangene wollen den von Kiew nicht kontrollierten Teil des Donbass verlassen. Seit 2015 wurden aus dem von der “Volksrepublik Donezk” kontrollierten Gebiet 166 Häftlinge und festgenommene Personen in Gebiete überführt, die von der ukrainischen Regierung kontrolliert werden. Dabei handelt es sich um Personen, die eine Strafe für eine Tat verbüßen, die sie noch vor Ausbruch der Kämpfe im Donbass im Jahr 2014 begangen haben. Weitere 798 Gefangene wollen ebenfalls verlegt werden. Das erklärte Halyna Kylymowa, Expertin des Menschenrechtsbeauftragten des ukrainischen Parlaments. Ihr zufolge befinden sich in den Teilen der Regionen Donezk und Luhansk, die nicht von Kiew kontrolliert werden, insgesamt 27 Strafanstalten, wo etwa 12.700 Menschen einsitzen.


“Marshall-Plan” für die Ukraine findet keine Unterstützung seitens der EU

Letzte Woche hat in der estnischen Hauptstadt Tallinn ein Forum der Länder der Östlichen Partnerschaft stattgefunden. Dort wurde klar: Die Idee eines neuen “Marshall-Plans” für die Ukraine fand keine Unterstützung in Brüssel. Für ihn hatten sich einige Nachbarn der Ukraine, insbesondere Litauen, eingesetzt.

Was wäre ein “Marshall Plan” für die Ukraine? Ein möglicher “Marshall-Plan” für die Ukraine kam erstmals im Frühjahr 2017 ins Gespräch. Vor allem der ehemalige litauische Premierminister Andrius Kubilius setzte sich für diese Idee ein. Anfangs gelang es ihm sogar, dass das Projekt bei einem Gipfel der Europäischen Volkspartei gebilligt wurde. Es ging um jährliche EU-Hilfe für die Ukraine in Höhe von fünf Milliarden Euro. Litauen setzte große Hoffnungen in den Gipfel der Östlichen Partnerschaft, der im November in Brüssel stattfinden wird. Vorgesehen war, allen Staats- und Regierungschefs der EU den Plan offiziell vorzustellen. Ziel sollte sein, dass der Plan in der Abschlusserklärung des Gipfels erwähnt wird. Das hätte dem “Marshall-Plan” für die Ukraine zumindest irgendeinen offiziellen Status verliehen.

Was ist in Tallinn passiert? EU-Kommissar Johannes Hahn, der für die Europäische Nachbarschaftspolitik zuständig ist, bestätigte, dass die Europäische Kommission die litauischen Vorschläge für einen “Marshall-Plan” erhalten hat. Zugleich betonte er jedoch, dass es innerhalb der Europäischen Kommission Zweifel bezüglich dieser Idee gebe. Hahn betonte, Brüssel verfüge bereits über eine Vielzahl von Instrumentarien, um der Ukraine zu helfen. Zuvor hatte der Kommissar deutlich gemacht, dass es schon jetzt viele Hilfsprogramme für die Ukraine gebe und dass ein neues nichts ändern würde. “Wir haben uns verpflichtet, 12,8 Milliarden Euro für Reform bereitzustellen, ganz zu schweigen von der Finanzierung, die der Ukraine von anderen Gebern und internationalen Organisationen angeboten werden. In gewisser Weise gibt es bereits einen ‘Marshall-Plan’ für die Ukraine”, sagte der EU-Kommissar in einem Interview für Eastbook.

Gründe für die Ablehnung des Plans. Es gibt mehrere Gründe für das Scheitern der litauischen Initiative.

–          Erstens ist es selbst für ukrainische Regierungsbeamte kein Geheimnis, dass es in der Ukraine Probleme bei der Anwendung von Finanzmitteln gibt. Es bestehen reale Probleme bei der Verwaltung europäischer Hilfen, was die Effektivität der europäischen Hilfen in Frage stellt.

–          Zweitens wird sich die Ukraine ab 2018 ein Jahr vor Präsidentschafts- und auch Parlamentswahlen befinden. Daher muss mit einer Verlangsamung der Reformen gerechnet werden. Das Parlament, in dem vor Wahlen sowieso Populismus betrieben wird, wird in dieser Zeit keine rigiden und unpopulären Reformen beschließen. Das machte Johannes Hahn in seiner Rede in Tallinn deutlich.

–          Drittens ist es äußerst unwahrscheinlich, dass die EU bereit sein wird, Kiew ernsthafte Hilfen zu gewähren, ohne zu wissen, wer 2019 in der Ukraine an die Macht kommen wird. Erst nach den Wahlen und nach Bildung einer neuen Regierung wird es Sinn machen, über weitere Reformen zu verhandeln.

–          Und letztlich werden im Frühjahr 2019 auch in der EU Wahlen stattfinden. Außerdem wird sich im Herbst die Zusammensetzung der Europäischen Kommission ändern. Bis dahin hätten Gespräche mit der EU über einen “Marshall-Plan” für die Ukraine kaum praktischen Inhalt.


Was ist der Preis für die Freilassung der politischen Gefangenen Umerow und Tschijgos?

Freilassung. Am 25. Oktober sind die von den russischen Besatzern auf der Krim verurteilten Krimtataren Ilmi Umerow und Ahtem Tschijgos an die Türkei übergeben worden. Mit einem Flugzeug flogen sie zunächst von Simferopol auf der Krim nach Anapa in der südrussischen Region Krasnodar und dann weiter nach Ankara. Am 27. Oktober trafen sie schließlich in der ukrainischen Hauptstadt Kiew ein.

Gründe für die Entlassung. Der Preis für die Freilassung der beiden stellvertretenden Vorsitzenden des Medschlis der Krimtataren, Umerow und Tschijgos, ist immer noch unbekannt. Die beiden Männer, die auf der von Russland besetzten Halbinsel Krim politische Gefangene waren, erklärten, sie hätten kein Begnadigungsgesuch geschrieben.

Die Rolle von Erdogan. Es ist offensichtlich, dass die wichtigste Rolle bei der Befreiung von Umerow und Tschijgos der türkische Präsident Recep Erdogan persönlich gespielt hat. Refat Tschubarow, der Vorsitzende des Medschlis der Krimtataren, sagte, etwa acht Prozent der Menschen in der Türkei seien krimtatarischer Herkunft. In der Türkei gebe es starke krimtatarische Organisationen, die Einfluss auf die Politik hätten. Daher könne Erdogan die große krimtatarische Gemeinschaft nicht ignorieren.

Erdogan und Putin. Der führende Vertreter der Krimtataren in der Ukraine, Mustafa Dschemiljew,erläuterte in einem Interview für den ukrainischen TV-Sender “Kanal 5”,  warum Russland die beiden Gefangenen an die Türkei übergeben haben könnte. “Putin ist isoliert. Kaum jemand trifft sich mit ihm”, betonte Dschemiljew. Doch Erdogan treffe sich mit Putin. Der russische Präsident wolle, umso mehr, dass sich die Türkei den Sanktionen gegen Russland nicht angeschlossen habe, die Beziehungen zu Ankara wegen Gefangenen nicht verlieren. “Anscheinend ist man zum Schluss gekommen, dass sich dies nicht lohnt und man ließ sie frei”, sagte Dschemiljew.

Pläne für die Zukunft. Der Vorsitzende des Medschlis der Krimtataren, Refat Tschubarow, sagte, dass Umerow und Tschijgos in Kiew leben und arbeiten werden. Umerows Tochter Ajsche teilte mit, die russische Seite habe ihrem Vater und Ahtem Tschijgos die Einreise nicht verboten, daher würden sie versuchen, auf die Krim zurückzukehren. Die Rückkehr auf die Krim ist für beide ein prinzipielles Ziel. Nach der Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel durch Russland im Jahr 2014 hatten Umerow und Tschijgos beschlossen, die Krim trotz Drohungen und strafrechtlicher Verfolgung nicht zu verlassen.

Reformen: Unterstützung der EU und Ivan Miklos über die Energiereform

Die EU stellt der Ukraine fast 90 Millionen Euro für Reformen zur Verfügung. Die Ukraine und die Europäische Union haben ein Abkommen unterzeichnet, mit dem die Arbeit der ukrainischen Behörden bei der Umsetzung des Assoziierungsabkommens mit der EU verbessert werden soll. Es sieht die Gewährung von 37,063 Millionen Euro sowie die Finanzierung eines Programms zur Förderung des Rechts im Wert von 52,5 Millionen Euro vor.

Ferner wird die EU im Rahmen des Abkommens über die Finanzierung des Programms für technische Zusammenarbeit im Jahr 2017 die ukrainische Regierung bei der Stärkung der Kapazitäten der Behörden zur Umsetzung des Assoziierungsabkommens mit der EU unterstützen, einschließlich der Fähigkeit, die ukrainischen Rechtsvorschriften an EU-Vorschriften anzupassen und Reformen effektiv zu erarbeiten und umzusetzen.

Der slowakische Reformer Ivan Miklos nennt den größten Erfolg bei der Energiereform in der Ukraine. Der größte Erfolg bei der Energiereform ist die Deregulierung der Tarife für Energieressourcen. Eine der Hauptursachen für Korruption und Ineffizienz in der Ukraine ist der Mangel an Reformen bei der Regulierung der Energietarife. Das sagte in einem Interview für das Magazin “Business” der bekannte slowakische Politiker und Wirtschaftswissenschaftler Ivan Miklos. Er ist der wichtigste Wirtschaftsberater des ukrainischen Regierungschefs. Laut Miklos haben die regulierten Tarife für Energieträger über viele Jahre der Korruption im Land den Weg geebnet. Über die Anwerbung von Investitionen in den Energiesektor sagte Miklos, dass die Ukraine ihrem Markt für internationalen Wettbewerb öffnen müsse.


Kultur: Künstler besuchen für UCMC-Projekt Museen in Donezk und Luhansk

Eine Gruppe ukrainischen Kuratoren und Künstler hat eine Forschungsreise durch Museen der Regionen Donezk und Luhansk begonnen. Innerhalb von drei Wochen wird die Gruppe 28 Museen besuchen, von denen die meisten landeskundliche Museen sind. Am Ende der Studie soll ein Reiseführer über die Museen der Region stehen. Das Forschungsteam wird ferner vier Museen aussuchen, mit denen kuratorische Kunstprojekte umgesetzt werden sollen. Die Studie ist Teil eines Projekts des Ukraine Crisis Media Center, das die Renovierung von Museen in den Regionen Donezk und Luhansk sowie Fortbildungen für die Mitarbeiter vorsieht. Der Route des Forschungsteams kann man auf den Facebook-Seiten des Projekts für die Regionen Donezk und Luhansk folgen.


Sport: Elina Switolina beendet Saison auf Platz 6 der Weltrangliste

Die stärkste ukrainische Tennisspielerin Elina Switolina ist nach einem gescheiterten Auftritt bei den WTA-Finals nicht mehr in der Top-5-Wertung der WTA. Sie beendet die Saison auf Platz 6 der Weltrangliste. Im Februar debütierte die Ukrainerin nach dem Gewinn des Turniers in Dubai unter den Top 10. Nach ihrem Triumph beim Turnier in Rom konnte sie sich endgültig unter den zehn besten Tennisspielerinnen der Welt behaupten.