48 Stunden für einen Kindertraum: Wie die Dezentralisierung das Leben in der Ukraine verändert

Die Dezentralisierung in der Ukraine begann im April 2014. Ihr Ziel ist es, Korruption in den zentralen Behörden des Landes zu bekämpfen, indem wesentliche Befugnisse und vor allem finanzielle Ressourcen auf die lokalen Behörden übertragen werden. Seitdem hat sich viel getan. So sind neue vereinigte Gemeinden entstanden, die eine größere finanzielle Unabhängigkeit und Selbstverwaltung genießen. Aber das wichtigste ist, dass sich Millionen von Ukrainern davon überzeugen konnten, dass positive Veränderungen nicht nur von oben, sondern auch von unten beginnen können. Gerade Bürgerinitiativen können das Leben verbessern. Mit dem Informations-Projekt “Gemeinschaft für eine Million” unterstützt das Ukraine Crisis Media Center und der ukrainische TV-Sender 1+1 mit Förderung von USAID die Dezentralisierungs-Reform in der Ukraine.

Wie alles begann: “Gemeinschaft für eine Million”

In der Fernseh-Reality-Show “Gemeinschaft für eine Million” des Senders 1+1, der zu den führenden des Landes gehört, traten fünf neu zusammengelegte Gemeinden um Investitionsgelder an. Dafür schufen sie Projekte, um echte Veränderungen in ihren Städten und Dörfern zu erreichen. Jede Gemeinde sollte beweisen, dass sie das höchste Maß an Selbstorganisation, Einfallsreichtum und sozialer Verantwortung besitzt. Der Hauptpreis der Show betrug eine Million Hrywnja (ca. 31.250 Euro) aus dem Western NIS Enterprise Fund (WNISEF).

An der Show nahmen fünf vereinigte Gemeinden aus dem Westen, Süden und Osten der Ukraine teil. Es waren die Gemeinden Skala-Podilska in der Region Ternopil, Petschenischenska in der Region Iwano-Frankiwsk, Nowopskowska in der Region Luhansk, Buska in der Region Mykolajiw und Knajhynyniwska in der Region Wolhynien. In der Show erhielten die Gemeinden Aufgaben von den Moderatoren gestellt. Für die Umsetzung wurden sie mit Punkten belohnt.

Zahlen und Fakten zur Dezentralisierung

Mit dem Beginn der Dezentralisierungs-Reform war ein ganzes Gesetzespaket in Kraft getreten. Die Gesetze betreffen das Haushalts- und Steuergesetzbuch der Ukraine. Dank dieser Veränderungen sind in den ersten drei Jahren der Reform die lokalen Haushalte um 123,4 Milliarden Hrywnja gewachsen – von 68,6 Milliarden im Jahr 2014 auf 192 Milliarden im Jahr 2017. Der Anteil der lokalen Budgets im Staatshaushalt der Ukraine nimmt ständig zu und erreichte Ende 2017 einen Anteil von 51,2 Prozent. 2015 waren es 45,6 Prozent.

Ein wichtiger Teil der Reform ist das Gesetz “Über die freiwillige Vereinigung von Gebietskörperschaften”. Mit dem Stand von Anfang März 2018 gibt es in der Ukraine schon 725 vereinigte Gemeinden, in denen 6,3 Millionen Menschen leben. Internationale Experten sprechen von einem hohen Tempo der Reform.

Wohltätigkeit innerhalb von 48 Stunden

In einer der Ausgaben der TV-Show erhielten die Gemeinden die Aufgabe, innerhalb von 48 Stunden ein soziales Projekt zu erstellen und umzusetzen, das den Traum einer ukrainischen Familie aus ihrer Gemeinde verwirklichen würde. Wer braucht Hilfe von der Gemeinde? Woher soll Hilfe kommen? Wie organisiert man alles? Mit diesen Problemen sahen sich alle fünf Gemeinden konfrontiert. Sie alle hatten nur zwei Tage Zeit, in denen sie von den TV-Kameras begleitet wurden.

Die Gemeinden setzten sich ganz unterschiedliche Aufgaben. Skala-Podilska nahm sich vor, einkommensschwachen Familien zu helfen und ihnen Brennholz und Kleidung zur Verfügung zu stellen. Die Gemeinde Petschenischenska wollte das Leben von Waisenkindern verbessern, die von ihrem ältesten Bruder versorgt werden. Knajhynyniwska wollte den Lebenstraum einer ortsansässigen Dichterin erfüllen und eine Sammlung ihrer Werke veröffentlichen. Die Gemeinde Nowopskowska eröffnete ein eigenes Informations- und Bildungszentrum. Am Ende des Wettbewerbs erhielten alle Gemeinden von den Moderatoren die gleiche Punktzahl. Doch das Publikum war am stärksten von der Gemeinde Buska in der Region Mykolajiw beeindruckt, die einem alleinerziehenden Vater half. Video der Fernsehsendung

Wie Kinderträume wahr wurden

Anatolij Kajdanewytsch aus der Gemeinde Buska zieht seine Töchter allein groß. Die älteste ist schon erwachsen und lebt in Kiew. Aber Wika (11 Jahre), Mascha (8 Jahre) und Dascha (10 Jahre) leben bei ihm. Vor sieben Jahren starb die Mutter. Seitdem ist Anatolij Witwer. Er ist schon Rentner und lebt mit seinen Töchtern auf dem Land. Die Familie überlebt dank des Anbaus im eigenen Garten.

Statistiken zufolge gab es im Jahr 2016 in der Ukraine mehr als 1400 kinderreiche Familien (3 oder mehr Kinder) mit einem alleinerziehenden Vater. Zum Vergleich: im selben Jahr gab es 33.775 Familien mit alleinerziehenden Müttern.

Als die Gemeindevertreter mit der Idee kamen, Anatolij und seinen Töchtern zu helfen, sahen sie, dass die Mädchen auf alten Sofas und in einem alten Bett schliefen. Daraufhin beschloss die Gemeinde, innerhalb von anderthalb Tagen für die Mädchen vernünftige Betten zu bauen und einen gemütlichen Ort zum Ausruhen in einem kleinen Raum des bescheidenen Hauses einzurichten. Ein ortsansässiger Schreiner arbeitete zusammen mit seinem Sohn rund um die Uhr und stellte die Möbel her. Währenddessen sammelte die Initiativgruppe der Gemeinde Geld für Matratzen, Decken und Bettwäsche.

Als alles fertig war, versammelte sich das halbe Dorf vor dem Haus von Anatolij und seinen Töchtern. Als diese von der Schule nach Hause kamen, konnten sie ihre Zimmer kaum wiedererkennen und freuten sich maßlos. Auch ihr Vater war sehr bewegt. Aber das wichtigste war, dass 48 Stunden gemeinsamer Arbeit die ganze Gemeinde vereint haben. Ihr war es gelungen, eine schwierige und wichtige Aufgabe zu lösen. Die wahren Gefühle der Teilnehmer der Show bewegten auch die Herzen von Millionen Fernsehzuschauern in der Ukraine.