Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat in den vergangenen Jahren inzwischen drei Resolutionen mit dem Titel “Die Lage der Menschenrechte in der Autonomen Republik Krim und in der Stadt Sewastopol, Ukraine” verabschiedet. Auch in diesem Jahr hat Kiew zusammen mit mehreren Dutzend Ländern eine Resolution entworfen und die Krim-Frage wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Der Titel der Resolution ist derselbe, aber ihr Inhalt ist diesmal etwas anders. Denn im zurückliegenden Jahr gab es auf der besetzten Krim Veränderung, denen die UNO Beachtung schenken muss. Russland strebt nämlich eine “indirekte Anerkennung” der Annexion an und Kiew erwartet, dass die UNO solche Versuche stoppt. Zudem spitzte sich im letzten Jahr das Problem der ukrainischen politischen Gefangenen in Russland deutlich zu. Die Ukraine und viele andere Länder der Welt wollen die Geiseln des Kremls befreien. Daher geht es in dem Dokument auch um konkrete Personen.
Am 15. November wurde der Resolutionsentwurf vom Ausschuss für soziale, humanitäre und kulturelle Fragen (Dritter Ausschuss) geprüft. Im Dezember soll über ihn die Generalversammlung beschließen. Doch die Abstimmung im Ausschuss gilt schon jetzt als entscheidend. Für den diesjährigen Resolutionsentwurf stimmten 67 Staaten, 26 enthielten sich. Russland stimmte dagegen. Serhij Kyslyzja, stellvertretender Außenminister der Ukraine, erläutert in einem Artikel für die ukrainische Internetzeitung “Jewropejska Prawda” (Europäische Wahrheit), was an dem Dokument neu ist. Das Ukraine Crisis Media Center (UCMC) bringt eine leicht gekürzte deutsche Fassung des Artikels:
Warum ist eine Resolution wichtig?
Die Ukraine hat sich für einen politisch-diplomatischen und nicht für einen militärischen Weg entschieden, um den Konflikt mit Russland um die Krim zu lösen. Auch die diesjährige Resolution ist eines der Instrumente, die Kiew dabei einsetzt. Sie soll der Überwachungsmission der Vereinten Nationen für Menschenrechte in der Ukraine mehr Möglichkeiten bieten. Sie soll auch bei der Forcierung ukrainischer Klagen gegen Russland vor internationalen Gerichten berücksichtigt werden können.
Natürlich wird es kein Wunder geben. Eine Resolution wird nicht sofort zur Befreiung der Krim führen. Die Generalversammlung und die UNO sind kein Feld, auf dem es schnelle Triumphe gibt. Hier dauert das Spiel lange und ein Dokument bereitet den Boden für das nächste. Wenn es im Jahr 2014 keine Resolution zur territorialen Integrität der Ukraine gegeben hätte, hätte es in den Jahren 2016 bis 2017 keine Resolution zur Lage der Menschenrechte auf der besetzten Krim gegeben.
Krim “vorübergehend besetzt”
Die Annexion der Krim ist illegal und es gab keine Veränderung, was den Status der Halbinsel angeht. Das ist für die UNO nichts Neues. Dennoch geht der diesjährige Resolutionsentwurf weiter. Er verlangt von internationalen Organisationen und Einrichtungen der Vereinten Nationen, die ukrainische Halbinsel in offiziellen Dokumenten ausschließlich wie folgt zu bezeichnen: “Autonome Republik Krim und Stadt Sewastopol (Ukraine), die von der Russischen Föderation vorübergehend besetzt sind”.
Dieses neue Element soll die internationalen Instrumente mit den ukrainischen Rechtsvorschriften bezüglich des Status der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol in Einklang bringen. Russland soll weniger Möglichkeiten haben, mit Statistiken zu manipulieren, in die Daten von der Krim einfließen, mit dem Ziel die illegale Annexion zu legitimieren.
Aus dem Dokument geht klar hervor, welches Gebiet blau-gelb und welches dreifarbig ist, und was die Krim angeht gibt es darin keine unterschiedlichen Lesarten. Wenn das nächste Mal in ausländischen Schulbüchern oder Atlanten die Krim als “nicht ukrainisch” markiert wird, dann wird man sich zu recht auf das Dokument berufen können.
Geiseln des Kremls
Ein Schwerpunkt des diesjährigen Resolutionsentwurfs ist eine Frage, in der die Ukraine in den Verhandlungen mit Russland leider kaum Fortschritte erzielen konnte. Es geht um die Freilassung ukrainischer politischer Gefangener. Im Entwurf wird betont, dass die russischen Behörden seit 2014 Folter anwenden, in politisch motivierten Fällen falsche Zeugenaussagen erpressen und ukrainische Staatsbürger auch illegal inhaftieren.
In dem Dokument werden konkrete Namen genannt. Erwähnt werden Oleh Senzow, Wolodymyr Baluch und Emir-Hussein Kuk, die aus Protest gegen die russische Willkür sich gezwungen sahen, in einen Hungerstreik zu treten. Natürlich werden in dem Dokument nicht alle ukrainischen Geiseln in den russischen Gefängnissen aufgeführt. Doch die namentliche Nennung wenigstens einiger politischer Gefangener des Kremls ist ein äußerst wichtiges Element im Kampf für die Befreiung aller illegal in Russland inhaftierten Ukrainer.
Kontakt zu Gefangenen
Eine weitere Besonderheit des Resolutionsentwurfs betrifft alle Ukrainer, die in den Gebieten gefangen gehalten werden, die von den Russen kontrolliert werden. Das Dokument fordert die Russische Föderation auf, Experten des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter, des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz sowie ukrainischen Konsularbeamten Informationen über den Gesundheitszustand und die Haftbedingungen zu geben und ihnen Zugang zu den Gefangenen zu gewähren. Verlangt wird auch, dass der Menschenrechtsbeauftragten des ukrainischen Parlaments erlaubt wird, die politischen Geiseln auf der Krim und auf russischem Territorium zu besuchen.
Ein ebenso wichtiges Element ist die Aufforderung an Russland, dafür zu sorgen, dass die Rechte der ukrainischen Gefangenen gemäß dem internationalen Recht eingehalten werden (einschließlich derer, die in einen Hungerstreik getreten sind). Russland wird zudem aufgefordert, die Mindestgrundsätze der Vereinten Nationen für die Behandlung von Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln) zu achten.
Grundrechte auf der Krim
Der Resolutionsentwurf ruft die Russische Föderation auf, Einwohner der Krim nicht mehr in militärische Operationen einzubeziehen und die Abschiebung ukrainischer Staatsbürger von der Halbinsel zu stoppen, nur weil sie keine russische Staatsbürgerschaft angenommen haben.
Besonders unterstrichen wird, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung in den von den Russen kontrollierten Gebieten garantiert werden muss, auch bei Mahnwachen einzelner Bürger. Es wird zudem darauf hingewiesen, dass die russische Seite diejenigen, die sich gegen die russische Besatzung stellen, weder diskriminieren noch bestrafen sollte.