Abschuss der ukrainischen Boeing im Iran, Prognosen für 2020 und weitere Themen

Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine

Bewaffnete Verbände der Russischen Föderation verletzen weiterhin den Waffenstillstand. Der Feind beschoss Stellungen der ukrainischen Einheiten mit Waffen, die gemäß den Minsker Vereinbarungen verboten sind, und zwar mit 122-mm-Artilleriesystemen, 120-mm-Mörsern sowie mit Granatwerfern verschiedener Systeme, großen Maschinengewehren und anderen Kleinwaffen. Der Feind eröffnete das Feuer auf ukrainische Stellungen in der Nähe der Ortschaft Chutir Wilnyj, die im Verantwortungsbereich der taktischen Einsatzgruppe “Nord” liegt.

Am 11. Januar schossen die Verbände der Russischen Föderation aus einem 120-mm-Mörser drei Minen auf ukrainische Stellungen in der Nähe von Krasnohoriwka und feuerten dreimal mit automatischen Granatwerfern, Maschinengewehren und Kleinwaffen auf die Stellungen der ukrainischen Verteidiger in der Nähe von Pisky, das im Verantwortungsbereich der taktischen Einsatzgruppe “Osten” liegt.


PS752-Katastrophe: Was passiert an der Absturzstelle?

An der Absturzstelle der ukrainischen Passagiermaschine bei Teheran haben ukrainische Einsatzkräfte Trümmer der Boeing untersucht. Das erklärte Oleksij Danylow, Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, gegenüber “Radio Liberty”: “Das Suchteam hat Arbeiten durchgeführt, um die Trümmer des Flugzeugs auf freiem Boden zu untersuchen. Die Trümmer wurden von Schmutz gereinigt und aufgereiht. Gepäck und persönliche Gegenstände wurden separat sortiert und gelagert. Es wurde für die Beleuchtung der Stelle gesorgt. Zusätzlich setzte eine Expertengruppe unter Beteiligung von Rettungskräften auf dem freien Gelände die Maschine aus Fragmenten zusammen.”

Danylow sagte ferner, dass ein Teil der ukrainischen Spezialisten, die an der Absturzstelle der Boeing 737-800NG der Ukraine International Airlines mit der Flugnummer PS752 im Einsatz gewesen seien, wieder auf dem Weg aus dem Iran zurück in die Ukraine seien. “Einige der Fachkräfte, die dort nicht mehr gebraucht werden, etwa unsere Rettungskräfte, die alle notwendigen Arbeiten erledigt haben, kehren in die Ukraine zurück. Sie haben die Grenze überschritten, wir haben alles für eine sichere Rückkehr getan. Die Ermittler, die sich mit DNA-Untersuchungen befassen, und diejenigen, die mit speziellen Diensten befasst sind, bleiben noch dort”, so Danylow.

Todesopfer aus sieben Staaten. Das Flugzeug der Ukraine International Airlines war am Morgen des 8. Januar im Iran abgestürzt. An Bord waren 167 Passagiere und neun Besatzungsmitglieder. Alle kamen ums Leben. Unter den Toten sind Bürger aus sieben Ländern: 82 aus dem Iran, 57 aus Kanada, zehn aus Schweden, vier aus Afghanistan, drei aus Deutschland, drei aus Großbritannien und elf aus der Ukraine (zwei Passagiere und neun Besatzungsmitglieder).

Iran gibt Abschuss zu. Am Morgen des 11. Januar teilte der Iran offiziell mit, die ukrainische Passagiermaschine versehentlich mit einer Rakete abgeschossen zu haben. Der iranische Präsident Hassan Rohani erklärte, dass sein Land “diesen tragischen Fehler zutiefst bedauert”. Er sagte auch, die Handlungen des Militärs, die zum Abschuss des ukrainischen Flugzeugs geführt hätten, würden untersucht. Die Verantwortung für den Abschuss des Flugzeugs übernahm die Iranische Revolutionsgarde. Amir Ali Hajizadeh, Kommandeur der Luft- und Raumfahrt-Truppen, sagte, das iranische Abwehrsystem habe das Flugzeug fälschlicherweise als Marschflugkörper identifiziert.

Hintergründe der Katastrophe. Die Ursache für den Absturz der ukrainischen Boeing sei menschliches Versagen, berichtete der iranische Sender “Press TV”. In einem Bericht der iranischen Streitkräfte, der von iranischen Medien veröffentlicht wurde, heißt es, dass eine Gruppe von Militärexperten, die unabhängig von Kollegen aus der zivilen Luftfahrt eingesetzt gewesen seien, festgestellt hätten, dass das ukrainische Flugzeug in einer Situation abgeschossen worden sei, in der die iranische Luftabwehr in höchster Alarmbereitschaft gewesen sein, aufgrund der Gefahr von Angriffen seitens der USA. Kurz vor der Katastrophe hatte das iranische Militär verstärkte Aktivitäten der US-Luftwaffe in der Nähe des Iran festgestellt. Sie wurden hervorgerufen durch den Beschuss mit iranischen Raketen von Militärstützpunkten im Irak, in denen sich US-Truppen befanden.

Erklärung von Ukraine International Airlines.Die Gesellschaft teilte mit, ihr Flug von Teheran nach Kiew sei gemäß geltenden Regelungen durchgeführt worden und es habe keine Abweichungen von der Flugroute gegeben. Ihor Sosnowskyj, Vizepräsident der Gesellschaft, sagte am 11. Januar auf einer Pressekonferenz, die Mannschaft des Flugzeugs habe keine Fehler gemacht. Der Präsident von Ukraine International Airlines, Jewhen Dychne, betonte, das Unternehmen werde gemäß den internationalen Vorschriften dennoch alle Versicherungsleistungen und Entschädigungen an die Familien der Opfer zahlen.

Erklärung des ukrainischen Präsidenten.Wolodymyr Selenskyj führte auf Initiative der iranischen Seite ein Telefongespräch mit Präsident Hassan Rohani durch. Darin sicherte Teheran zu, alle am Absturz beteiligten Personen zur Rechenschaft zu ziehen und das ukrainische Expertenteam bei der weiteren technischen und juristischen Zusammenarbeit umfassend zu unterstützen.

“Rohani drückt dem ukrainischen Volk und den Familienangehörigen der Opfer des Abschusses des Flugzeugs der Ukraine International Airlines PS752 sein Beileid aus. Er entschuldigte sich im Namen der iranischen Seite für die Tragödie, bei der 176 Menschen ums Leben kamen. Das Oberhaupt der Islamischen Republik Iran räumt uneingeschränkt ein, dass diese Tragödie auf Fehler von Militärs dieses Landes zurückzuführen ist”, schrieb der Pressedienst des ukrainischen Präsidenten am 11. Januar. In dem Telefongespräch mit dem iranischen Präsidenten bestand Selenskyj zudem darauf, die Identifizierung der Leichen und deren Überführung in die Ukraine unverzüglich vorzunehmen. “In diesen schweren Tagen möchte ich Folgendes sagen. Ich werde alle Opfer an deren Verwandte und Angehörige überführen. Sie werden von ihnen Abschied nehmen können. Wir werden sie ehren. Alle Schuldigen müssen bestraft werden”, teilte das Präsidialamt mit.

US-Sanktionen gegen den Iran.Die USA haben die Sanktionen gegen den Iran verlängert, indem sie eine Reihe von Beschränkungen gegen die iranische Wirtschaft, darunter Eisen- und Stahl-Erzeuger, erlassen haben. Das erklärte US-Finanzminister Steven Mnuchin am 10. Januar. Zudem wurden der iranische Generalsekretär des Sicherheitsrates, Ali Schamchani, Basij-Kommandeur Gholamreza Soleimani und sechs weitere hochrangige iranische Vertreter von Washington wegen des Abschusses von Raketen auf Stützpunkte im Irak mit Sanktionen belegt. US-Präsident Donald Trump erklärte ferner, neue Sanktionen gegen den Iran würden schwere negative Folgen für die iranische Wirtschaft haben, darunter im Bau-, Fertigungs-, Textil- oder Bergbausektor. Außerdem seien sekundäre Sanktionen gegen ausländische Finanzinstitute möglich.

Unterdessen hat das US-Repräsentantenhaus eine Resolution verabschiedet, die die militärischen Befugnisse von US-Präsident Donald Trump gegenüber dem Iran einschränkt. Während der Abstimmung unterstützten die meisten Abgeordneten eine Resolution, in der der Präsident aufgefordert wird, die Feindseligkeiten mit dem Iran einzustellen, es sei denn, der Kongress erteilt eine Sondergenehmigung oder die USA werden mit einem bewaffneten Angriff konfrontiert. Das verabschiedete Dokument hat keine Gesetzeskraft und wird dem Präsidenten nicht zur Unterzeichnung weitergeleitet, wenn es vom Senat angenommen wird.


Umfrage: Prognosen für das Jahr 2020

Der wissenschaftliche Direktor der Stiftung “Demokratische Initiativen”, Oleksij Haran, hat gegenüber “Radio Liberty” seine Prognosen für das Jahr 2020 abgegeben:

Was kommt auf Selenskyj, die Regierung und das Parlament zu?“Laut neuem Gesetz müssen Wahlen nach dem Verhältniswahlrecht abgehalten werden, und selbst bei den vorangegangenen Wahlen hat die Partei ‘Diener des Volkes’ 43% erreicht, das heißt, unter den gegenwärtigen Bedingungen, denke ich, würden es weniger werden. Wahlen sind immer unvorhersehbar. Denn die Beliebtheitswerte der Regierung sinken objektiv in jedem Falle. Ich glaube nicht, dass Selenskyj ein Risiko eingehen wird. Er schafft es aber, seine Umfragewerte zu halten, auch mittels populistischer Lösungen, die wir in letzter Zeit sehen. Doch es wird schwierig werden, diese Werte weiter aufrechtzuerhalten, da Entscheidungen getroffen werden müssen, die auch unpopulär sind, beispielsweise was den Kauf und Verkauf von Grund und Boden angeht.”

Sind echte Reformen zu erwarten?“Die Staatsmacht tut ja einige Dinge. Die Frage ist, ob sie auf die Forderungen von Experten und der Zivilgesellschaft eingehen wird. Was die Frage von Grund und Boden angeht, sehen wir, dass die Staatsmacht jetzt etwas bremst, weil sie berechtigte Proteste sieht und dieses Gesetz wurde nicht im Turbo-Modus verabschiedet. Wenn es solche Rücksichtnahmen geben wird, dann wird es einen Dialog geben, das wird dann richtig sein. Gleichzeitig erwarte ich für die Zukunft aber keine solche Offenheit der Führung, weil wir sehen, wie einige Beschlüsse und Personalentscheidungen getroffen werden. Es gibt politische Verfolgung, und ich denke, der Fall Scheremet ist auch sehr aufschlussreich. Die Frage ist daher, ob die Staatsmacht den gesetzlichen Rahmen einhalten wird oder nicht.”

Sind große Straßenproteste zu erwarten?“16% der Bürger rechnen mit Massenprotesten in ihren Städten. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der Ilko-Kutscheriw-Stiftung “Demokratische Initiativen”. Genau so viele, also 16%, sind bereit, an Kundgebungen und Demonstrationen teilzunehmen. Wie man sieht, ist das eine Minderheit, aber auch eine aktive Minderheit kann für ernsthafte Proteste sorgen. Rechtswidrige Handlungen der Staatsmacht können zu Massenprotesten führen – wenn zum Beispiel die Aufklärung des Falls Scheremet scheitert oder Veteranen- und Militärs diskreditiert werden oder die Argumente der Staatsmacht sich als haltlos erweisen und vor Gericht nicht halten. Dann ist das möglich. Ich verbinde Massenproteste aber auch mit wirtschaftlichen Misserfolgen: Die Reform von Grund und Boden, Unternehmer-Fragen und natürlich mögliche Zugeständnisse an Russland.”