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Eskalation im Donbass, Drohungen gegen den Westen und ein neues Bündnis der Ukraine

Eskalation im Donbass, Drohungen gegen den Westen und ein neues Bündnis der Ukraine

Laut ausländischen Geheimdiensten musste für den 16. Februar mit einer russischen Invasion in der Ukraine gerechnet werden. Aber Moskau schwächte seine Rhetorik ab. Bei demonstrativen Treffen mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Außenminister Sergej Lawrow erklärte Russlands Präsident Wladimir Putin, er sei zu Gesprächen bereit. Doch schon am nächsten Tag richtete die russische Staatsduma an Putin einen Appell, die selbsternannten “Volksrepubliken Donezk und Luhansk” als unabhängig anzuerkennen. Am 17. Februar eskalierte dann die Lage im Donbass und die russischen Besatzungstruppen beschossen ukrainisches Territorium entlang der gesamten Demarkationslinie. Was sind die Pläne des Kremls? Wie reagieren die Ukraine und ihre Partner?

Heftiger Beschuss im Donbass. Am 17. Februar haben die von Russland unterstützten Rebellen im Donbass Dutzende von Ortschaften mit Mörsern und anderen Waffen beschossen, die durch die Minsker Vereinbarungen verboten sind. Dadurch wurden mehrere Soldaten und zwei Zivilisten verletzt. Eines der Geschosse traf einen Kindergarten in Stanyzja Luhanska, in dem sich Kinder befanden, die glücklicherweise nicht verletzt wurden, weil sie in einem anderen Raum waren. Verletzt wurden aber drei Mitarbeiter der Einrichtung.

Später wurde bei einem Beschuss ein Schulgebäude in einem anderen Ort beschädigt, in dem sich 30 Schüler und 14 Lehrer aufhielten. Die Kinder und Erwachsenen konnten sich in den Keller retten.

Insgesamt gab es im Donbass seitens der Rebellen allein am 17. Februar 60 Angriffe, davon 43 mit Waffen, die durch die Minsker Vereinbarungen verboten sind.

Russische Propaganda widerspricht sich selbst. Den ganzen Tag über versuchte die russische Propaganda zu beweisen, dass der Kindergarten im Gebiet der sogenannten “Volksrepubliken Donezk und Luhansk” angeblich von der ukrainischen Armee beschossen wurde. Die Kreml-Propagandisten veröffentlichten zwei widersprüchliche Berichte über den Beschuss in Stanyzja Luhanska. Erst schrieben sie, dass er inszeniert gewesen sei, und später, dass er von der ukrainischen Armee durchgeführt worden sei. Falschmeldungen unter Berufung auf die Terroristen wurden von allen russischen regierungsnahen Medien verbreitet, so von der “Komsomolskaja Prawda” und von “RIA Novosti”.

Moskau droht den Vereinigten Staaten. Am selben Tag richteten die Russen einen Brief an die Vereinigten Staaten, in dem sie mit “militärisch-technischen Maßnahmen” drohen. “Wir stellen fest, dass die amerikanische Seite keine konstruktive Antwort auf die Grundelemente des von der russischen Seite vorbereiteten Entwurfs eines Abkommens mit den Vereinigten Staaten über Sicherheitsgarantien gegeben hat”, heißt darin.

Betont wird auch: “In Ermangelung der Bereitschaft der amerikanischen Seite, sich auf feste, rechtsverbindliche Garantien für unsere Sicherheit durch die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten zu einigen, wird Russland gezwungen sein, zu reagieren, darunter auch mittels Umsetzung militärisch-technischer Maßnahmen.”

Dem Schreiben zufolge geht es um die Zusage, dass die NATO nicht weiter erweitert und die “Bukarest-Formel” aufgehoben wird, wonach “die Ukraine und Georgien NATO-Mitglieder werden sollen”. Zudem will Moskau die Zusage, dass keine Militärbasen auf dem Territorium ehemaliger Sowjetrepubliken, die nicht der NATO angehören, errichtet werden, aber auch keine Infrastruktur dieser Ländern für militärische Aktivitäten genutzt wird. Schließlich soll versichert werden, dass sich die NATO in ihre Grenzen von 1997 zurückzieht. “Diese Bestimmungen sind für die Russische Föderation von grundlegender Bedeutung”, so das Dokument.

Gleichzeitig heißt es darin, dass eine russische Invasion in der Ukraine nicht geplant sei.

Wolodymyr Selenskyj über eine NATO-Mitgliedschaft. Der ukrainische Präsident erklärte, eine NATO-Mitgliedschaft wäre eine Garantie für die Sicherheit und Unabhängigkeit der Ukraine. Es gebe keinen anderen Weg. Auf die Frage der BBC, ob Kyjiw bereit sei, seine NATO-Ambitionen aufzugeben, sagte Selenskyj, die Ukraine habe seit Beginn des Krieges im Donbass 15.000 Menschenleben verloren. “Daher ist das keine Ambition der Ukraine, sondern das ist unser Leben”, so der Präsident. Er gab jedoch zu, dass der Weg zu einer NATO- und EU-Mitgliedschaft lang sein könnte. Das Wichtigste für ihn auf diesem Weg sei, dass das Land nicht verloren gehe. Selenskyj beschuldigte Russland, die Krise um eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine anzuheizen, nur um die Präsenz russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine zu rechtfertigen. 

Auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bekräftigte auf einer Pressekonferenz erneut das Recht der Ukraine, der Allianz beizutreten. Es dürfe keine Rückkehr in eine Ära der Einflusssphären geben, wo größere Länder andere einschüchtern oder ihnen diktieren würden. 

Erklärung des State Department und des Pentagons. Außenminister Antony Blinken zählte vor dem UN-Sicherheitsrat mögliche Provokationen Russlands auf, die als Vorwand für einen Militärschlag gegen die Ukraine dienen könnten, darunter auch organisierte Terroranschläge in Russland. Laut Blinken plant Russland, künstlich einen Vorwand für eine Invasion zu schaffen: einen organisierten Sprengstoffanschlag irgendwo in Russland, angebliche Massengräber, einen inszenierten Drohnenangriff auf Zivilisten oder sogar einen echten Angriff mit Chemiewaffen.

Russland würde entsprechende Provokationen wahrscheinlich als “ethnische Säuberung” oder “Völkermord” seitens der Ukraine bezeichnen. Gleichzeitig stellte Blinken klar, dass weder der US-Geheimdienst noch Dienste von NATO-Verbündeten Beweise dafür hätten, dass Russland tatsächlich Truppen von den Grenzen der Ukraine abzieht. Ganz im Gegenteil, das militärische Kontingent werde sogar noch verstärkt. Blinken zufolge hat Russland mit dem Stand vom 17. Februar mehr als 150.000 Soldaten entlang der Grenze zur Ukraine an verschiedenen Orten zusammengezogen.

Der US-Außenminister sagte ferner, Russland könnte in den nächsten Tagen eine Großoffensive starten. Die Hauptstadt Kyjiw mit fast drei Millionen Einwohnern wäre demnach eines der Hauptziele der russischen Militärführung. Laut Blinken würde Russland eine Offensive mit massiven Raketenangriffen und Cyberangriffen beginnen, um die Kommunikation zwischen der ukrainischen Regierung und dem Militär zu stören. Danach würden die russischen Truppen eine schnelle Offensive an Land starten.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin erklärte: “Wir sehen sogar, dass sie ihre Vorräte an Blutkonserven aufstocken.” Ihm zufolge “tut man solche Dinge nicht ohne Grund, schon gar nicht, wenn man dabei ist, seine Sachen zu packen und nach Hause zu gehen”.

Außenministerium der Ukraine über Bündnis Kyjiw-London-Warschau. Am 17. Februar wurde in Kyjiw auch offiziell das Bündnis zwischen der Ukraine, dem Vereinigten Königreich und Polen ins Leben gerufen. “Ich glaube, dass die neue Achse London-Warschau-Kyjiw in historischer Perspektive einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des Raumes zwischen Ostsee und Schwarzem Meer leisten und eine neue geopolitische Realität in unserem Teil Europas schaffen wird”, schreibt der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba auf Facebook.

“Im Leben geht es nicht nur darum, die Probleme von heute zu lösen. Wir denken auch an die langfristigen strategischen Ziele der Ukraine und setzen weiterhin eine proaktive außenpolitische Strategie um. Wenn wir wegen Russlands Drohungen unseren langfristigen Kurs aufgeben und Russland erlauben, uns in ständige Reaktionen auf seine Forderungen und Drohungen hineinzuziehen, werden wir niemals siegen können. Nur proaktives Handeln auf lange Sicht kann den Verlauf dieses hybriden Krieges radikal verändern. Die Schaffung dieses neuen Dreierbündnisses ist genau so ein Schritt”, so Kuleba.

Der ukrainische Außenminister schreibt weiter: “Auf der Karte kann man sehen, wie das neue Format in unsere breitere Strategie der kleinen Allianzen der Ukraine eingebettet ist – das Lublin-Dreieck, das Assoziierte Trio und die Quadriga mit der Türkei. Das System der kleinen Allianzen ist schon heute in der Lage, konkrete drängende Probleme schnell zu lösen, die Verteidigungsfähigkeit zu stärken, vorteilhafte Wirtschaftsprojekte zu realisieren und Verkehrsinfrastruktur auszubauen, aber auch die Energiesicherheit zu stärken und gemeinsam gegen hybride Bedrohungen vorzugehen. Wir haben eine Strategie und gehen voran. Wir sind im Zentrum, nicht an der Peripherie. Die Krise wird vorübergehen und die Ukraine wird bleiben – stark und mit starken Bündnissen.”