Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine
Die Lage im Kampfgebiet ist nach wie vor unruhig. Die Lage im Einsatzbereich der ukrainischen Vereinten Kräfte war am Abend des 10. Oktober unter der Kontrolle des ukrainischen Militärs.
Die Intensität der Kampfhandlungen an der Kontaktlinie hat im Vergleich zum Vortag zugenommen. Die russischen Besatzungstruppen haben den Waffenstillstand zehn Mal verletzt, darunter zwei Mal mit dem Einsatz von Waffen, die durch die Minsker Vereinbarungen verboten sind. Sie feuerten zwei Mal mit großkalibrigen Maschinengewehren und Handfeuerwaffen.
Darüber hinaus wurde in der Region Luhansk eine feindliche Drohne registriert, wahrscheinlich eine Orlan-10, und zwar beim Überqueren der Demarkationslinie. Es gab keine Verluste bei der ukrainischen Armee.
Neuer Verdacht gegen Viktor Medwedtschuk
Am 8. Oktober hat die Generalstaatsanwältin der Ukraine, Iryna Wenediktowa, bekanntgegeben, dass gegen den Parlamentsabgeordneten Viktor Medwedtschuk neuer Verdacht vorliegt. Dabei handelt es sich um den Schmuggel von Kohle aus den vorübergehend besetzten Gebieten des Donbass.
“Ermittler des Staatlichen Ermittlungsbüros haben zusammen mit Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes der Ukraine unter der Verfahrensführung der Generalstaatsanwaltschaft die Beteiligung des Abgeordneten an einem kriminellen Plan zur Lieferung von Kohle-Produkten aus den vorübergehend besetzten Gebieten der Ukraine festgestellt. Es handelt sich dabei um den Zeitraum zwischen Ende 2014 und Anfang 2015. Die von staatlichen ukrainischen Unternehmen ausgegebenen Summen belaufen sich auf mehr als 200 Millionen Hrywnja”, schrieb Wenediktowa auf Facebook.
Ihr zufolge werden Medwedtschuks Handlungen von den Staatsanwälten als Hochverrat und Förderung terroristischer Organisationen eingestuft (Artikel 28 Teil 2, Artikel 111 Teil 1 und Artikel 28 Teil 2, Artikel 258-3 Teil 1 des Strafgesetzbuches der Ukraine).
Viktor Medwedtschuk wird bereits des Hochverrats, des Verstoßes gegen Gesetze und Gepflogenheiten des Krieges verdächtigt. Ihm drohen 12 Jahre Gefängnis bis hin zu lebenslanger Haft. Ihm werden der Diebstahl natürlicher Ressourcen, die Weitergabe von Staatsgeheimnissen an russische Geheimdienste sowie anti-ukrainische Aktivitäten vorgeworfen.
Absetzung des Parlamentspräsidenten: Wie ist das zu verstehen?
Am 7. Oktober hat das ukrainische Parlament Dmytro Rasumkow vom Posten des Parlamentspräsidenten abgesetzt. 284 Abgeordnete stimmten dafür, die meisten davon sind aus der Fraktion der regierenden Partei “Diener des Volkes” (215 Ja-Stimmen). Die Absetzung Rasumkows wurde auch von der Fraktion der Partei “Vaterland” (20 Stimmen), der Gruppe “Für die Zukunft” (19), der Gruppe “Vertrauen” (18), einem Teil der Fraktion “Stimme” (6) und von sechs fraktionslosen Abgeordneten unterstützt.
Am nächsten Tag wählten die Abgeordneten Ruslan Stefantschuk zum neuen Vorsitzenden des Parlaments.
Wer ist Rasumkow? Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen 2019 war Dmytro Rasumkow einer der engsten Verbündeten von Präsident Wolodymyr Selenskyj. Er führte auch die Liste der Partei “Diener des Volkes” an. Doch seitdem haben sich die Beziehungen zwischen ihnen verschlechtert. So hat Rasumkow alle Kandidaten für den Posten des Chefs des Apparats des Parlaments abgelehnt, die von den “Dienern des Volkes” vorgeschlagen wurden. Doch der aufsehenerregendste Konflikt zwischen der Fraktionsführung und dem Parlamentspräsidenten entbrannte über das Gesetz zur De-Oligarchisierung vom 23. September, in dem der Begriff “Oligarch” festgeschrieben und definiert wird, aber auch, welche Sanktionen ihnen drohen können.
Was sagen ukrainische Experten? Den Grund für die Absetzung sehen Beobachter darin, dass Rasumkow eine unabhängige Politik verfolgte. “Natürlich demonstriert Rasumkow, dass er ein Subjekt in der Politik ist und vor dem Hintergrund nur eines einzigen Hauptdarstellers keine Nebenrolle spielen will”, erklärte der ukrainische Politikexperte Viktor Bobyrenko. Ihm zufolge hatte Rasumkow in zwei Jahren im Amt gleichberechtigte Beziehungen zu allen Fraktionen aufgebaut. Er werde zunehmend als politische Kompromiss-Figur betrachtet.
Darüber hinaus erklärt die Partei “Diener des Volkes”, Rasumkow stehe im Verdacht, eine unabhängige politische Kraft schaffen zu wollen.
Wie reagieren internationale Experten? Die Absetzung von Dmytro Rasumkow sei ein Zeichen dafür, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Macht festigen und mögliche Rivalen loswerden wolle. Das erklärte Melinda Haring, Expertin des Think Tanks Atlantic Council, auf Twitter. Ihr zufolge hat Rasumkow versucht, die Verfahrensregeln im Parlament zu befolgen, daher schade seine Absetzung dem Ansehen der Ukraine.
“Die Absetzung von Rasumkow bedeutet den Abgang der letzten einflussreichen Person, die nicht nachgegeben und den Kurs des Präsidenten manchmal in Frage gestellt hat – zum Beispiel das Gesetz zur De-Oligarchisierung oder zur Rolle des Nationalen Sicherheitsrats und die von ihm beschlossenen übermäßigen Sanktionen”, schrieb der Politexperte Mattia Nelles.
Anders Oslund, ein bekannter Ukraine-Experte und ehemaliges Mitglied des Aufsichtsrats der Ukrainischen Eisenbahn, hatte sich noch Anfang des Monats negativ über die Absetzung Rasumkows geäußert. “Der Parlamentspräsident Dmytro Rasumkow bestand darauf, dass Selenskyjs Gesetzentwurf zur De-Oligarchisierung von der Venedig-Kommission geprüft wird. Selenskyj war dagegen und billigte das Gesetz ohne Überprüfung. Und nun setzt die gehorsame Mehrheit von Selenskyj die Absetzung Rasumkow durch. Das ist schlecht”, twitterte Oslund.
Nord Stream 2 als “Gas-Schlachtfeld” in Europa
Am 6. Oktober hat im Ukraine Crisis Media Center ein Expertengespräch zum Thema “Hände des Marktes oder Krallen Moskaus. Wie bereitet sich die Ukraine angesichts der Aufregung an den europäischen Gas-Hubs auf den Winter vor? Anlass der Diskussion waren die explosionsartige Zunahme der Notierungen an den EU-Gasbörsen und die Warnungen von Kommunen vor möglichen Problemen bei der Wärmeversorgung in diesem Winter. Dazu ein Artikel des Ukraine Crisis Media Center: Warum der russische Gaspreis steigt und was das mit der Ukraine zu tun hat
Europa riskiert Abhängigkeit von Russland. Wie der Energiemarkt-Experte Hennadij Rjabzew erklärte, hat die derzeitige Aufregung auf dem Markt mehrere Gründe. Gas-Händler würden spekulativ mit einer Preiserhöhung spielen, aber später auch mit einer Preissenkung. Ferner gebe es einen Engpass auf dem europäischen Gasmarkt. Die Niederlande hätten angekündigt, im Frühjahr 2022 die Produktion deutlich zu reduzieren. Und die USA wollten ihre Flüssiggas-Lieferungen um das Siebenfache reduzieren. Die Lieferungen aus Norwegen und Algerien seien eher bescheidenen, und Katar habe sich schnell auf asiatische Märkte umorientiert. Unter solchen Bedingungen halte der russische Energie-Monopolist Gazprom eine “goldene Aktie”. Er habe aber seine Lieferungen trotz kühner Plänen, die Versorgung des europäischen Marktes mit Erdgas zu erhöhen, derzeit begrenzt, auch wenn die Lieferungen im vereinbarten Rahmen bereits seit drei Quartalen dieses Jahres um 15 % gestiegen seien. Rjabzew geht davon aus, dass Moskau die Lieferungen bis zum technischen Start von Nord Stream 2 nicht erhöhen wird. Bis zum offiziellen Start der Pipeline, der für April 2022 erwartet wird, kann Gazprom die Auslastung von Nord Stream 2 manuell ändern, sodass Europa in diesem Winter in einer eindeutig abhängigen Position sein wird.
Nord Stream 2 als Schlachtfeld. Die stellvertretende Premierministerin für europäische und euroatlantische Integration der Ukraine, Olha Stefanischyna, warnt davor, dass der Start der russischen Gaspipeline Nord Stream 2 eine “Gas-Schlacht” in ganz Kontinentaleuropa öffnen werde. “Das bedeutet, dass die Gaspreise, der Druck auf eine Inbetriebnahme von Nord Stream 2 und die individuelle Erpressung jedes Landes alles Bestandteile eines hybriden Krieges sind”, so die Ministerin.
Stefanischyna wies darauf hin, dass sowohl die Ukraine als auch die EU eine starke Verhandlungsposition in den Gas-Gesprächen mit Russland einnehmen sollten. “Russland hat Angst vor Stärke und einer Reaktion auf sein aggressives Vorgehen … Wenn die EU bereit ist, eine konsolidierte Position einzunehmen, wird dies ein Element sein, das Russland dazu zwingen wird, seinen Appetit zu reduzieren, genauso wie Russland sich einst von der Trennlinie im Donbass zurückgezogen hat”, erklärte die stellvertretende Premierministerin.
Sie fügte hinzu, dass sie eine entsprechende Bereitschaft der Europäischen Union sehe und diese beim Gipfeltreffen zwischen der Ukraine und der EU am 12. Oktober festgeschrieben werden solle. “Meine einzige Sorge ist, dass Russlands hybride Methoden viel schneller sind als die Methoden, die europäische Länder anwenden können. Es geht also darum, Zeit zu gewinnen. Wir sind schnell von der Initiierung zu einer Einigung gekommen, die auf dem Gipfel festgeschrieben wird. Ich hoffe, dass diese Dynamik weiter aufrechterhalten wird”, fügte Stefanischyna hinzu.
Es sei daran erinnert, dass der Betreiber der Pipeline Nord Stream 2, über die Gas von Russland nach Deutschland gepumpt werden soll, bereits angekündigt hat, eine seiner beiden Pipelines zu Testzwecken mit Erdgas zu befüllen. Um jedoch mit Gaslieferungen aus der Russischen Föderation beginnen zu können, bedarf das Projekt einer Zertifizierung als unabhängiger Transportnetzbetreiber.
Am 13. September hat die Bundesnetzagentur einen Antrag auf diese Zertifizierung von Nord Stream 2 erhalten. Es wird erwartet, dass er innerhalb von vier Monaten geprüft wird. Der Entscheidungsentwurf wird dann der Europäischen Kommission zur Prüfung vorgelegt. Ihre Entscheidung wird nach weiteren zwei oder vier Monaten erwartet.
Todesstrafe in Belarus
Anlässlich des Welttags gegen die Todesstrafe am 10. Oktober 2021 hat die Hybrid Warfare Analytical Group (HWAG) des Ukraine Crisis Media Center (UCMC) einen Beitrag in englischer Sprache vorgelegt: Death Penalty in Belarus
Wie die Ukraine gegen COVID-19 kämpft
Die Situation mit der Ausbreitung des Coronavirus in der Ukraine ist äußerst negativ. Am 10. Oktober wurden in der Ukraine 8832 Fälle von COVID-19 und 207 Todesfälle registriert, 2672 Menschen wurden mit dem Verdacht beziehungsweise mit einer Coronavirus-Erkrankung ins Krankenhaus eingeliefert und 2053 Menschen sind genesen.
An Wochenenden fallen die Zahlen meist niedriger aus. In der vergangenen Woche erreichte die Zahl der Neuinfektionen 16.000 pro Tag und es wurden über 300 Todesfälle pro Tag gemeldet.
Bei der Zahl der Neuinfektionen liegt die Ukraine weltweit auf Platz 7 und in Europa auf Platz 3. Die meisten Corona-Toten sind weltweit in Russland und den USA zu beklagen. Weltweit ist die Ukraine auf dem 9. Platz.