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Selenskyjs Rede in München, Evakuierung aus den “Volksrepubliken”, “Wagner-Gruppe” in Donezk und weitere Themen

Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine

Die Situation im Kampfgebiet spitzt sich dramatisch zu. Seit dem 17. Februar gibt es entlang der gesamten Demarkationslinie Beschuss. So eröffneten am 20. Februar russische hybride Truppen 80 Mal das Feuer, 72 Mal davon mit Waffen, die durch die Minsker Vereinbarungen verboten sind. Infolge des Beschusses erlitt ein Soldat mittelschwere Wunden durch Splitter und befindet sich nun in einer medizinischen Einrichtung. Sein Gesundheitszustand ist zufriedenstellend.

Beschuss Richtung Luhansk. Am 20. Februar gegen 21 Uhr führten die russischen Besatzungstruppen eine weitere Provokation durch, um das ukrainische Militär zu beschuldigen. Der Aggressor eröffnete das Feuer mit schweren Waffen aus der Umgebung des von den Besatzungstruppen kontrollierten Ortes Lobatschewe in Richtung Luhansk. Damit demonstrierten die Besatzer einmal mehr ihre zynische und gleichgültige Haltung gegenüber dem Leben und der Gesundheit von Zivilisten.

Das Kommando der Operation der ukrainischen Vereinten Kräfte teilte mit, dass die ukrainischen Kräfte die Minsker Vereinbarungen und das humanitäre Völkerrecht einhalten würden. “Daher sind die Behauptungen über den angeblichen Beschuss von Siedlungen durch die Streitkräfte der Ukraine glatte Lügen und Provokationen, für die das Land der Besatzer verantwortlich ist”, heißt es in der Erklärung.

“Evakuierung” aus den “Volksrepubliken”: Was passiert vor Ort?

Wie hat alles angefangen? Die “Evakuierung” von Menschen aus den besetzten Gebieten der Regionen Donezk und Luhansk begann plötzlich und vor dem Hintergrund zunehmender Angriffe seitens der von Russland unterstützten Rebellen. Die Anführer der selbsternannten “Volksrepubliken”, die nur Marionetten des Kremls sind, kündigten am 18. Februar an, Frauen, Kinder und ältere Menschen zu “evakuieren”. Die Videobotschaft wurde, sie sich herausstellte, bereits am 16. Februar aufgezeichnet. Gleichzeitig kündigten Denis Puschilin (Donezk) und Leonid Pasitschnik (Luhansk) die “Mobilisierung von Männern” an.

All dies wird begleitet von Falschmeldungen über Pläne für eine “Offensive der Ukraine nach Osten”, von Berichten über Explosionen in Donezk und die Zerstörung ziviler Infrastruktur sowie Geschossen in der russischen Region Rostow. Die Ukraine bestreitet Pläne für eine Offensive und warnt, wie westliche Geheimdienste auch, vor den Plänen Russlands, Fakes und Provokationen nur als Vorwand für eine umfassende Invasion der Ukraine ausnutzen zu wollen.

Was berichten die russischen Medien? Ihnen zufolge haben über 61.000 Einwohner der besetzten Gebiete der Ostukraine die Grenze nach Russland überquert. Laut den russischen Behörden sollen allein am einem Tag neun Eisenbahnzüge in Russland eingetroffen sein. Die Menschen seien tief ins russische Hinterland gebracht worden. Die sechs russischen Regionen Rostow, Woronesch, Kursk, Pensa, Saratow und Wolgograd haben aufgrund von “Flüchtlingen aus dem Donbass” bereits den Notstand verhängt. Nach Angaben der russischen Zeitung RBK gibt es in Taganrog und Umgebung keine Plätze mehr in Sanatorien und Hotels für Menschen aus dem Donbass.

Was sagt der ukrainische Verteidigungsminister? Die Berichte der Besatzer über eine angebliche Massenevakuierung aus den sogenannten “Volksrepubliken” seien unwahr. Die Menschen, die demonstrativ nach Russland gebracht worden seien, würden nun aus eigener Kraft nach Hause zurückkehren. Das erklärte Verteidigungsminister Oleksij Resnikow im ukrainischen Fernsehen. “Niemand verpflegt sie dort und sie werden auch nirgends untergebracht. Das war eine reine Inszenierung für Mosfilm”, so Resnikow.

Ukrainischer Geheimdienst: “Wagner-Gruppe” in Donezk eingetroffen

Nach Angaben des ukrainischen Geheimdienstes sind in Donezk Angehörige des privaten russischen Sicherheits- und Militärunternehmens “Wagner-Gruppe” eingetroffen. Geplant sei, dass sie dort gemeinsam mit dem russischen Geheimdienst Wohnhäuser in die Luft sprengen, um dies dann der Ukraine vorzuwerfen. Ziel der Provokationen solle eine weitere Eskalation der Lage sein.

Das ukrainische Militär betonte, dass keine Offensive oder andere Aktionen in dem vorübergehend besetzten Gebiet geplant seien. “Die Aktivitäten der Soldaten ist rein defensiv, und der Einsatz von Waffen erfolgt nur im Falle einer Bedrohung für das Leben und die Gesundheit unserer Soldaten und Zivilisten”, heißt es in einer Erklärung vom 18. Februar.

Selenskyj in München: Die wichtigsten Thesen und Zitate aus seiner Rede

Am 19. Februar hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf der 58. Sicherheitskonferenz in München eine Rede gehalten. Selenskyj ist trotz Sicherheitswarnungen von US-Präsident Joe Biden dorthin gereist, der zuvor erklärt hatte, Russlands Präsident Wladimir Putin habe bereits beschlossen, die Ukraine anzugreifen. Selenskyjs Rede wurde in der Ukraine allgemein sehr positiv aufgenommen. Hier die wichtigsten Thesen aus seiner Rede:

Wie die Frage “Sterben für Danzig?” zur Notwendigkeit wurde, für Dünkirchen zu sterben. Selenskyj betonte, der Aggressor müsse gestoppt werden, denn Beschwichtigen würden auf ihn nicht wirken. zudem würden dies Lehren aus der Geschichte bestätigen:

“Die Ukraine will Frieden. Europa will Frieden. Die Welt sagt, sie will nicht kämpfen. Und Russland sagt, es will nicht angreifen. Jemand von uns lügt. Dies ist kein Axiom, aber auch keine Hypothese mehr.

Vor zwei Tagen war ich im Donbass, an der Trennlinie. Rechtlich gesehen zwischen der Ukraine und den vorübergehend besetzten Gebieten, faktisch zwischen Frieden und Krieg. Dort ist auf der einen Seite ein Kindergarten und auf der anderen ein Geschoss, das ihn getroffen hat. Auf der einen Seite ist eine Schule und auf der anderen ein Geschoss, das auf dem Schulhof landet. Und daneben sind 30 Kinder. Nein, sie gehen nicht in die NATO, sondern zum Schulunterricht. 

Manch einer hat Physik und man kennt ihre elementaren Gesetze. Sogar Kindern ist klar, wie absurd die Behauptungen sind, dass seitens der Ukraine geschossen wird. Manch einer hat Mathematik. Kinder können ohne Taschenrechner die Differenz zwischen der Anzahl der Angriffe in diesen drei Tagen und den Erwähnungen der Ukraine im diesjährigen Munich Security Report ausrechnen. Und manch einer hat Geschichte. Wenn auf dem Schulhof plötzlich ein Einschlagkrater ist, fragen sich die Kinder: Hat etwa die Welt ihre Fehler im 20. Jahrhundert vergessen?

Wohin führen Beschwichtigungsversuche? Wie die Frage “Sterben für Danzig?” zur Notwendigkeit wurde, für Dünkirchen und Dutzende anderer Städte in Europa und der Welt zu sterben. Das kostete Dutzende Millionen Menschenleben.”

“Die Sicherheitsarchitektur der Welt ist fragil und muss erneuert werden.” “Die Regeln, auf die sich die Welt vor Jahrzehnten geeinigt hat, funktionieren nicht mehr. Sie halten mit den neuen Bedrohungen nicht Schritt und wirken nicht, um sie zu überwinden. Dies ist wie Hustensaft, während ein Vakzin gegen das Coronavirus benötigt wird. Das Sicherheitssystem ist lahm und es stürzt erneut ab. Aus verschiedenen Gründen: Egoismus, Selbstbewusstsein und Verantwortungslosigkeit von Staaten auf globaler Ebene. Das Ergebnis: Verbrechen auf der einen Seite und Gleichgültigkeit auf der anderen. Gleichgültigkeit, die zum Komplizen macht. Es ist symbolisch, dass ich gerade hier darüber spreche. Hier kündigte Russland vor 15 Jahren an, die globale Sicherheit herausfordern zu wollen. Was war die Antwort der Welt? Beschwichtigung. Das Ergebnis? Mindestens die Annexion der Krim und die Aggression gegen mein Land.

Die UNO, die den Frieden und die Sicherheit der Welt verteidigen soll, kann sich selbst nicht verteidigen, während ihre Charta verletzt wird und während eines der Mitglieder des UN-Sicherheitsrates Territorium eines der Gründungsmitglieder der UNO annektiert. Und die Krim-Plattform, ein Format, das sich die friedliche De-Okkupation der Krim und den Schutz der Rechte der Menschen auf der Krim zum Ziel gesetzt hat, wird von der UNO selbst ignoriert.

Vor drei Jahren sagte hier Angela Merkel: ‘Wer sammelt die Scherben der zerbrochenen Weltordnung auf? Nur wir alle zusammen.’ Das Publikum applaudierte im Stehen. Aber leider ist aus dem kollektiven Applaus keine kollektive Aktion geworden. Und jetzt, wo die Welt von der Gefahr eines großen Krieges spricht, stellt sich die Frage: Gibt es noch etwas aufzusammeln? Die Sicherheitsarchitektur in Europa und der Welt ist nahezu zerstört. Es ist zu spät, an Reparaturen zu denken, es ist Zeit, ein neues System zu bauen. Die Menschheit hat dies zweimal getan und einen zu hohen Preis dafür bezahlt: Zwei Weltkriege. Wir haben die Chance, diese Entwicklung zu durchbrechen.”

“Wir werden unser Land mit oder ohne die Unterstützung von Partnern verteidigen.” “Hunderte moderner Waffen oder 5000 Helme. Wir schätzen jede Hilfe, aber jedem muss klar sein, dass dies keine wohltätigen Spenden sind, um die die Ukraine bitten oder an die sie erinnern muss. Dies sind keine edlen Gesten, vor denen sich die Ukraine verneigen muss. Dies ist Ihr Beitrag zur Sicherheit Europas und der Welt, in der die Ukraine seit acht Jahren ein zuverlässiger Schutzschild ist. Seit acht Jahren hält die Ukraine eine der größten Armeen der Welt auf, die an unseren Grenzen und nicht an den Grenzen der EU-Länder steht.

Um der Ukraine wirklich zu helfen, sollte man nicht ständig über ein Datun für eine wahrscheinliche Invasion sprechen. Wir werden unser Land am 16. Februar, 1. März und auch am 31. Dezember verteidigen.”

Ukraine verdient ehrliche Antworten zur EU- und NATO-Mitgliedschaft. “Morgen ist in der Ukraine der Tag der Helden der Himmlischen Hundertschaft. Vor acht Jahren haben die Ukrainer ihre Wahl getroffen, und viele haben ihr Leben dafür gegeben. Muss die Ukraine auch acht Jahre später noch immer ständig dazu aufrufen, dass ihre europäische Perspektive anerkannt wird? Russland redet uns seit 2014 ein, dass wir den falschen Weg gewählt haben, dass uns in Europa niemand erwartet. Sollte Europa nicht ständig sagen und durch Taten beweisen, dass dies nicht stimmt? Sollte die EU heute nicht sagen: Unsere Bürger stehen einem Beitritt der Ukraine zur Union positiv gegenüber? Warum vermeiden wir diese Frage? Verdient die Ukraine nicht direkte und ehrliche Antworten?

Dies gilt auch für die NATO. Uns wird gesagt: Die Tür ist offen. Aber bisher sind Außenstehende nicht zugelassen. Wenn uns nicht alle Mitglieder in der Allianz sehen wollen oder alle Mitglieder uns in der Allianz nicht sehen wollen, dann seid ehrlich. Offene Türen sind gut, aber wir brauchen offene Antworten, keine jahrelangen offenen Fragen. Gehört das Recht auf Wahrheit etwa nicht zu unseren erweiterten Möglichkeiten? Der beste Zeitpunkt für sie ist der nächste Gipfel in Madrid.

Russland sagt, die Ukraine strebe an, der Allianz beizutreten, um die Krim gewaltsam zurückzuholen. Es ist erfreulich, dass Worte über eine ‘Rückkehr der Krim’ in deren Rhetorik auftauchen. Aber sie haben den Artikel 5 der NATO-Charta unaufmerksam gelesen: Kollektives Handeln dient der Verteidigung, nicht einem Angriff. Die Krim und die besetzten Gebiete des Donbass werden definitiv zur Ukraine zurückkehren, aber nur auf friedlichem Wege.”

Budapester Memorandum und Sicherheitsgarantien. “Die Ukraine hat Sicherheitsgarantien für den Verzicht auf das weltweit drittgrößte nukleare Potential erhalten. Diese Waffen haben wir nicht mehr, aber wir haben auch keine Sicherheit. Uns fehlt auch ein Teil des Territoriums unseres Staates, der flächenmäßig größer als die Schweiz, die Niederlande oder Belgien ist. Und am wichtigsten: Es fehlen uns Millionen unserer Bürger der Ukraine. All dies ist weg. Aber es gibt auch noch etwas, und zwar das Recht verlangen zu dürfen, von der Politik der Beschwichtigung zur Gewährleistung von Garantien für Sicherheit und Frieden überzugehen.

Seit 2014 hat die Ukraine dreimal versucht, Konsultationen mit den Staaten, den Garanten des Budapester Memorandums einzuberufen. Dreimal ohne Erfolg. Heute wird die Ukraine dies zum vierten Mal tun. Und ich als Präsident zum ersten Mal. Aber sowohl die Ukraine als auch ich werden dies zum letzten Mal tun. Ich initiiere Konsultationen im Rahmen des Budapester Memorandums. Der Außenminister wurde beauftragt, sie einzuberufen. Wenn sie wieder nicht stattfinden oder es in ihrem Ergebnis keine Sicherheitsgarantien für unser Land geben wird, dann wird die Ukraine das volle Recht haben, der Ansicht zu sein, dass das Budapester Memorandum nicht funktioniert und alle Beschlüsse des Pakets von 1994 in Zweifel stehen.

Ich schlage auch vor, in den kommenden Wochen ein Gipfeltreffen der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates unter Beteiligung der Ukraine, Deutschlands und der Türkei einzuberufen, um die Sicherheitsherausforderungen in Europa anzugehen und neue wirksame Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu erarbeiten. Garantien für heute, solange wir nicht Mitglied eines Verteidigungsbündnisses sind und uns faktisch in einer Grauzone, in einem Sicherheitsvakuum befinden.”

Was können wir jetzt noch tun? “Die Ukraine und ihre Verteidigungsfähigkeiten weiterhin wirksam unterstützen. Der Ukraine eine klare europäische Perspektive mit den für Beitrittskandidaten zur Verfügung stehenden Unterstützungs-Instrumenten sowie einen klaren und erreichbaren Zeitrahmen für den Beitritt zur Allianz bieten. 

Die Transformation in unserem Land unterstützen. Einen Stabilitäts- und Wiederaufbaufonds für die Ukraine sowie ein Lend-Lease-Programm einrichten und modernste Waffen, Gerät und Ausrüstung für unsere Armee liefern, die ganz Europa schützt. 

Ein wirksames Paket präventiver Sanktionen zur Abschreckung von Aggressionen entwickeln. Die Energiesicherheit der Ukraine gewährleisten und ihre Integration in den EU-Energiemarkt sicherstellen, wenn Nord Stream 2 als Waffe eingesetzt wird.”

Was Russland mit der Bevölkerung in den besetzten Gebieten macht

Die zunehmenden Spannungen wegen der Konzentration russischer Truppen an den Grenzen zur Ukraine haben einen neuen Höhepunkt erreicht. Die selbsternannten “Volksrepubliken”, Marionetten des Kremls, kündigten eine Evakuierung der Bevölkerung an. Ein Beitrag dazu von der Hybrid Warfare Analytical Group des Ukraine Crisis Media Center in englischer Sprache: Escalation Not Evacuation: Recent Developments of the Russian Military Threat Against Ukraine

Wie die Ukraine gegen COVID-19 kämpft

Die Coronavirus-Welle in der Ukraine flacht ab. Am 20. Februar wurden in der Ukraine 13.562 Neuinfektionen und 127 Todesfälle durch COVID-19 registriert, was weniger als vor einer Woche ist.

Während der gesamten Pandemie in der Ukraine wurde das Coronavirus 4.734.333 Mal im Labor bestätigt, es gibt 3.952.363 Genesungen und 104.645 Todesfälle. 677.325 Ukrainer sind derzeit an COVID erkrankt.

15.680.361 Personen wurden bisher mit einer ersten Impfdosis, 15.121.999 Personen mit zwei Dosen und 668.508 Personen mit drei Dosen gegen das Coronavirus geimpft.