Ein Team der Schule für politische Analyse der Nationalen Universität Kiew-Mohyla-Akademie hat beim Ukraine Crisis Media Center (UCMC) die Ergebnisse einer ukrainischen repräsentativen Umfrage zum Entwurf eines Gesetzes “Über die staatliche Politik für eine Übergangszeit” vorgestellt. Die Fragen beziehen sich auf die Zukunft der vorübergehend besetzten Gebiete im Donbass und der Krim, aber auch auf das Verhältnis zu Russland.
Die Befragung wurde im Rahmen der monatlichen Umfrage “Omnibus Info Sapiens” durchgeführt, die von der Schule für politische Analyse im Rahmen der Initiative zur Entwicklung von Analyse-Zentren in der Ukraine in Auftrag gegeben wurde. Die Initiative wird von der International Renaissance Foundation in Zusammenarbeit mit der Open Society Initiative for Europe (OSIFE) mit finanzieller Unterstützung der schwedischen Botschaft in der Ukraine durchgeführt. Die Feldphase dauerte vom 13. bis 31. Januar 2021. Die Stichprobe bestand aus 2000 Befragten. Von der Umfrage war die Autonome Republik Krim ausgenommen, und in den Regionen Donezk und Luhansk wurde die Umfrage nur in den von der Ukraine kontrollierten Gebieten durchgeführt. Die Fehlerquote liegt unter 2,2%.
Anton Suslow, Experte der Schule für politische Analyse der Nationalen Universität Kiew-Mohyla-Akademie, sagte während der Präsentation im UCMC, die Befragung sei in mehrere Blöcke unterteilt gewesen:
1. Zum Gesetzesentwurf “Über die staatliche Politik für eine Übergangszeit”
2. Einstellung der Ukrainer zum Waffenstillstand und zu einer Militäroperation
3. Geopolitik und das Verhältnis zu Russland
Was ist über den Gesetzentwurf “Über die staatliche Politik für eine Übergangszeit” bekannt? Der Entwurf wurde am 11. Januar 2021 auf der Website des Ministeriums für Wiedereingliederung der vorübergehend besetzten Gebiete veröffentlicht. Er ist das erste umfassende öffentlich vorgelegte Dokument über die Gestaltung und Umsetzung der staatlichen Politik im Kontext des bewaffneten Konflikts und der künftigen De-Okkupation der heute besetzen Gebiete der Ukraine. Das Gesetz ist in Arbeit, es wurde noch nicht darüber abgestimmt.
Während der Präsentation bestätigte Ihor Jaremenko, stellvertretender Minister für die Wiedereingliederung der vorübergehend besetzten Gebiete der Ukraine, dass die Öffentlichkeit zur Arbeit an dem Gesetzentwurf maximal mit einbezogen werde.
Die wichtigsten Ergebnisse der Umfrage
Die Antworten der Ukrainer lauten wie folgt:
Zur Frage einer “internationalen” Verwaltung in den vorübergehend besetzten Gebieten. 49,8% halten die Einführung einer vorübergehenden internationalen Verwaltung in den vorübergehend besetzten Gebieten des Donbass für zweckmäßig und nur 9% sind anderer Meinung. Gleichzeitig sind 52,9% der Ansicht, dass Bürger und Vertreter Russlands und seine Sicherheitspartner NICHT Teil einer solchen internationalen Verwaltung sein sollten. 11,6% würden ihrer Beteiligung zustimmen.
Zur Frage der Amnestie und Lustration von Personen, die an der Besatzung beteiligt sind. 44,4% sind der Ansicht, dass Personen, die als Teil der Besatzungsverwaltungen der Russischen Föderation das alltägliche Leben in den vorübergehend besetzten Gebiete aufrechterhalten und dem Leben und der Gesundheit der Menschen nicht geschadet haben, keiner Lustration unterliegen sollten. 17,9% sind gegenteiliger Meinung.
Gleichzeitig stimmen 35,9% ganz oder teilweise dem zu, dass die Amnestie auf diejenigen angewendet werden sollte, die keine schwerwiegenden Straftaten begangen haben. 24,1% sind anderer Meinung und 20,8% konnten diese Frage nicht beantworten.
49,9% sind davon überzeugt, dass Ausländer von der Liste der potenziell amnestierten Personen ausgeschlossen werden sollten, und 17,2% sind anderer Meinung.
Zur Frage, wann Wahlen in den besetzten Gebieten stattfinden sollen. 46,6% stimmen dem zu, dass Wahlen zu den Kommunalverwaltungen in den vorübergehend besetzten Gebieten im Donbass und auf der Krim mindestens zwei Jahre nach Ende der Besatzung stattfinden sollten. 11,6% sind gegenteiliger Ansicht.
51,2% der Befragten sind der Ansicht, dass die Einwohner der vorübergehend besetzten Gebiete nach Ende der Besatzung in ihrem Recht, bei alle Wahlen abstimmen zu können, NICHT eingeschränkt werden sollten. Nur 13% stimmen dem nicht zu.
36,4% glauben, dass diejenigen, die amnestiert werden, die Möglichkeit bekommen sollten, an Kommunalwahlen teilzunehmen. 21,4% vertreten eine gegenteilige Position. Weitere 23,8% konnten diese Frage nicht beantworten.
Zur Frage, wie die Ukrainer den Waffenstillstand beurteilen. 48,4% halten die im Juli 2020 beschlossene Waffenruhe (Waffenstillstand) für eine wichtige Errungenschaft der Regierung. 26,8% stimmen dem nicht zu.
Zur Frage einer möglichen militärischen De-Okkupation. 42% halten eine Militäroperation zur Wiederherstellung der territorialen Integrität im Donbass für notwendig. Anderer Meinung sind 25,3% und 19,4% konnten diese Frage nicht beantworten. Was die Krim angeht, halten 37,4% eine Militäroperation zur Wiederherstellung der territorialen Integrität für notwendig. 27,5% sind gegenteiliger Meinung und ein Fünftel konnte diese Frage nicht beantworten.
Ihor Jaremenko, stellvertretender Minister für die Wiedereingliederung der vorübergehend besetzten Gebiete der Ukraine, sagte, er sei über dieses Ergebnis überrascht gewesen:
“Ich persönlich hätte nie gedacht, dass so viele Menschen die Möglichkeit einer solchen Militäroperation in Betracht ziehen. Dies ist ein gewisses Signal seitens der Gesellschaft. Obwohl ich persönlich kein Anhänger einer Militäroperation bin. Ehrlich gesagt sehe ich heute keine militärischen Fähigkeiten hinsichtlich einer De-Okkupation unserer besetzten Gebiete. Wir müssen klar verstehen, dass wir mit der Russischen Föderation konfrontiert sind, einem Land, das über das zweitgrößte nukleare Potential der Welt und die wahrscheinlich die größte Armee in Europa verfügt. Ich habe großen Respekt vor unserem Militär, möchte aber auch das Leben unserer Bürger bewahren.”
Zur Frage über die Unterstützung durch die internationalen Partner und die Bewertung Russlands. 75,5% sind überzeugt, dass die Zusammenarbeit mit den westlichen Ländern im Interesse der Ukraine liegt, und nur 7,4% stimmen dem nicht zu.
Die Zahl der Befürworter und Gegner der Einführung einer Visumspflicht für russische Staatsbürger ist gleich und beträgt jeweils 39%.
44,9% glauben, dass Russland daran interessiert ist, den Krieg im Donbass fortzusetzen, und 23,9% sind gegenteiliger Meinung. 31,2% konnten diese Frage nicht klar beantworten oder lehnten eine Antwort ab.
58,4% sind überzeugt, dass Russland KEINE Rückkehr der Gebiete der sogenannten “Volksrepubliken Donezk und Luhansk” zur Ukraine will. 9,8% sind gegenteiliger Meinung und 31,9% gaben keine klare Antwort oder lehnten eine Antwort ab.