Anwälte in Russland inhaftierter Ukrainer hoffen auf den den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

WATCH IN ENGLISH

In Russland dauert die Gerichts-Farce gegen zwei ukrainische Gefangene an. In erfundenen Fällen wird ihren eine angeblichen Beteiligung am Krieg in Tschetschenien in den 1990er Jahren vorgeworfen. Die Anwälte berichten über den Stand der Prozesse.

Kiew, den 23. Juni 2016 – Gegen den ukrainischen Staatsbürger Stanislaw Klych haben die russischen Behörden ein weiteres Strafverfahren eingeleitet. Diesmal wegen Beleidigung der Ermittler. Das teilte während einer Pressekonferenz im Ukraine Crisis Media Center Klychs Anwältin Maryna Dubrowina mit. “Er hätte niemals die Ermittler beleidigt, wenn sein Geisteszustand nicht in einem so kritischen Zustand wäre. Er wird immer bedrückender. Man weiß nie, in welchem Zustand er sich befindet und wie die nächste Gerichtsverhandlung verlaufen wird”, sagte die Anwältin.

Während den Gerichtsverhandlungen hatte Klych schon mehrmals Anfälle bekommen. Er schreit unzusammenhängende Dinge, singt manchmal und reagiert nicht auf Ermahnungen. Menschenrechtler haben mehrfach darauf hingewiesen, dass ein solch verändertes Verhalten auf brutale Folter zurückzuführen ist.

Unabhängiges psychologisches Gutachten gefordert

Klychs Mutter, Tamara Klych, betonte während der Pressekonferenz: “Es ist traurig, ihn heute in einem solchen Zustand zu sehen, wenn man ihn anders kannte. Man muss ihn unbedingt nach Hause zurückbringen.”

Um dies zu erreichen, wird Nadija Wolkowa, Juristin der Ukrainischen Helsinki-Gruppe für Menschenrechte, zufolge, derzeit eine Anfrage an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorbereitet. Mit ihr wolle man ein unverzügliches unabhängiges psychologisches Gutachten erreichen. Hinzugezogen habe man auch internationale Experten des britischen Royal College of Psychiatrists. Sie hätten Klychs Auftritte vor Gericht analysiert und bestätigt, dass ein Gutachten notwendig sei. “Wir hoffen, dass der Europäische Gerichtshof angemessen reagieren wird, weil sehr viele Beweise vorliegen. Wir haben schon eine Antwort auf unsere erste Anfrage vom 21. April bekommen: Man hat in Russland Klychs Krankenakte angefordert und darin gibt es keinen Hinweise auf eine Behandlung”, so die Juristin.

Druck auf bestimmte Teile der Gesellschaft in der Ukraine

Auch der Prozess gegen den ukrainischen Staatsbürger Mykola Karpjuk dauert an. Sein Anwalt Dokka Izlajew glaubt, dass Karpjuks Inhaftierung in Russland bestimmte Teile der Gesellschaft in der Ukraine unter Druck setzen solle, da Karpjuk in der Ukraine gesellschaftlich sehr aktiv gewesen sei.

Izlajew sieht drei Möglichkeiten für Karpjuks Entlassung: Politische Verhandlungen, eine Auslieferung oder eine Haftentlassung mit Hilfe des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Vorwürfe der russischen Behörden

Mykola Karpjuk und Stanislaw Klych wurden im Frühjahr 2014 verhaftet. Karpjuk, damals Stellvertreter von Dmytro Jarosch, des Chefs des “Rechten Sektors”, fuhr im März 2014 angeblich zu Gesprächen nach Russland. Gleich nachdem er die Staatsgrenze passiert hatte, wurde er festgenommen. Stanislaw Klych wurde im August desselben Jahres in der russischen Stadt Orjol verhaftet. Er war dorthin gefahren, um sich mit einer Frau zu treffen, die er auf der Krim kennengelernt hatte.

Die russischen Behörden beschuldigen beide Ukrainer, als Mitglieder der in Russland als extremistisch eingestuften Organisation “Ukrainische Nationalversammlung – Ukrainische Volks-Selbstverteidigung” (UNA-UNSO) Ende 1994 und Anfang 1995 an Kampfhandlungen der Streitkräfte der selbsternannten Tschetschenischen Republik Itschkeria gegen die russischen Föderalen Streitkräfte teilgenommen zu haben.