Die Kämpfe bei Awdijiwka sind am 29. Januar wieder aufgeflammt. Awdijiwka ist eine Stadt in der Ostukraine, die von den ukrainischen Regierungstruppen kontrolliert wird und sechs Kilometer östlich von Donezk entfernt liegt. Laut offiziellen Berichten wurden sieben ukrainische Soldaten getötet und Dutzende verletzt, nachdem die Kämpfe verstärkt worden waren. Medien berichten auch, dass zwei Zivilisten getötet wurden. Auch Wohnbezirke von Awdijiwka wurden von Separatisten aus den vorübergehend besetzten Gebieten beschossen. Die Stadt ist ohne Wasser-, Strom und Wärmeversorgung. Hier Fakten zu den Kämpfen:
- Awdijiwka ist für beide Konfliktparteien strategisch wichtig. Anastasia Magazowa, Korrespondentin der Deutschen Welle in der Ukraine, die derzeit aus der Stadt berichtet, betonte, dass sich in Awdijiwka eine Kokerei befinde, die zu den größten Produzenten von Koks in Europa zähle. Die Stadt Awdijiwka ist auch ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt in der Region Donezk. Laut den Minsker Vereinbarungen gehört Awdijiwka zu den von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebieten. Doch die Stadt wurde schon mehrfach unter Beschuss genommen. Wo genau diese Stadt an der Frontlinie liegt, ist auf dieser Karte zu sehen.
- Die illegalen Militärverbände, die von Russland unterstützt werden, haben mit ihren Angriffen auf die Gegend von Awdijiwka am 29. Januar begonnen. Seit dem 31. Januar wird die Stadt mit Raketensystemen vom Typ BM-21 “GRAD” beschossen. Auch Wohnbezirke sind betroffen. Eine Eskalation wird auch in der Nähe von Mariupol und im Gebiet Luhansk gemeldet. Nutzer sozialer Netzwerke aus Donezk haben zahlreiche Videos vom Beschuss mit den Raketensystemen “GRAD” in Richtung Awdijiwka veröffentlicht, die vermutlich in Donezk und Umgebung aufgenommen wurden (Video). Aber es gibt auch Hinweise darauf, dass Wohngebiete in Donezk selbst von Gegenfeuer betroffen sind.
- Die humanitäre Lage in Awdijiwka ist schwierig. Durch den Beschuss wurde die Infrastruktur der Stadt zerstört. Dies hat zu einer humanitären Krise geführt: Die Zivilbevölkerung ist ohne Wasser-, Strom- und Wärmeversorgung, während die Außentemperaturen bei minus 18 Grad liegen und weiter sinken. In der Stadt wurden mobile Heizstationen und eine mobile Lebensmittelversorgung aufgebaut. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in der Ukraine hat seine Besorgnis zum Ausdruck gebracht und schickt humanitäre Hilfe. Unterdessen bereitet die Ukraine die Evakuierung von bis zu 12.000 Einwohnern vor, teilten die ukrainischen Behörden mit. Journalisten vor Ort berichten, dass einige Bewohner die Stadt bereits verlassen.
- Die Offensive der Separatisten könnte eine Antwort auf ukrainische Manöver sein, sagen Beobachter. Christopher Miller, Journalist bei RFE/RL, berichtet, die ukrainischen Streitkräfte seien seit Mitte Dezember in Teile der Grauzone unweit von Awdijiwka, Debalzewe, Dokutschaewsk, Horliwka und Mariupol vorgerückt. Dabei habe sich die Entfernung zwischen den Konfliktparteien verringert. Der erste Stellvertretende Leiter der Sonderbeobachermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Alexander Hug, sagte gegenüber RFE/RL, direkte Folge des Vorrückens seien Eskalation und Spannung. Die ukrainische Seite betont hingegen, die ukrainischen Streitkräfte hätten nicht gegen die Minsker Vereinbarungen verstoßen. Sie hätten die Kontaktlinie nicht überquert und hätten sich nur innerhalb des von der ukrainischen Regierung laut Minsker Vereinbarungen kontrollierten Gebiets bewegt. Die lokalen ukrainischen Behörden erklärten zudem, die Kontrolle über die Städte in der Grauzone sei notwendig, um Schmuggel zu unterbinden.
- Die von der “Donezker Volksrepublik” und Russland garantierte Waffenruhe hat nicht gehalten. Es gab mehrere Versuche, eine Waffenruhe einzurichten, aber sie scheiterten nach nur 15 Minuten oder weniger. Das berichten Journalisten von Hromadske aus Awdijiwka. Das bestätigt auch Pawlo Schebriwskyj, Chef der Militär- und Zivilverwaltung in dem von der ukrainischen Regierung kontrollierten Teil der Region Donezk.
- Die beiden Konfliktparteien machen sich gegenseitig für die Eskalation verantwortlich. Zur Eskalation kam es während des Besuches des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko in Deutschland, eines der wichtigsten Länder im Normandie-Format. Petro Poroschenko brach seinen Besuch in Deutschland ab und führte daraufhin eine Beratung mit Militärs durch, um die weiteren Schritte der Regierung zu koordinieren. Das ukrainische Außenministerium betonte in einer Erklärung, “die Eskalation im Donbass beweist, dass Russland seine Verpflichtungen im Rahmen der Minsker Vereinbarungen missachtet“. Dmitrij Peskow, Pressesprecher des Kremls, warf im Gegenzug den ukrainischen Soldaten vor, die Separatisten in Awdijiwka anzugreifen – also hinter der Kontaktlinie in den von Kiew kontrollierten Gebieten. Paradoxerweise machen russische Medien (darunter der TV-Kanal Zvezda) auch die Ukraine für den Beschuss von Awdijiwka verantwortlich, als würde die Ukraine eigene Gebiete angreifen. Sie bringen auch weiterhin Fake-News. Der Sender Zwezda veröffentlichte zum Beispiel Fotos von Awdijiwka, die der ukrainische Freiwillige Kostyantyn Reutskyj aufgenommen hat. Der Sender behauptet aber, es seien Bilder von Zerstörungen in einer von der “Donezker Volksrepublik” kontrollierten Stadt.
- Mehrere Medien berichten weiterhin direkt über die Lage in Awdijiwka, darunter RFE/RL und Hromadske. Auch Anastasia Magazowa (Twitter, Facebook) von der Deutschen Welle berichtet in regelmäßigen Abständen.
Autoren: Vitalij Rybak, Volodymyr Yermolenko von Internews Ukraine, Alya Schandra von EuromaidanPress