Festnahme von Nadija Sawtschenko, Streit um die Justizreform sowie weitere Themen: Übersicht der ukrainischen Pressenachrichten #52, 20. – 26. März 2018

Die Situation im Kampfgebiet in der Ostukraine

Letzte Woche hat sich die Lage im Donbass als sehr unberechenbar herausgestellt. Die Rebellen führten am Montag einen und am Dienstag fünf Angriffe durch. Am Mittwoch und Donnerstag gab es gar keinen Beschuss. Dafür kam es aber am Samstag mit 13 und am Sonntag mit 44 Angriffen zu einer deutlichen Eskalation. Am Sonntag setzten die Rebellen einen Panzer ein und sie feuerten mit Mörsern mit einem Kaliber von 82 und 120 Millimeter, was durch die Minsker Vereinbarungen verboten ist.


Die wichtigsten Fakten im Fall Sawtschenko

Das Hauptereignis der letzten Woche war in der Ukraine die Festnahme von Nadija Sawtschenko, einer ehemaligen ukrainischen Militärangehörigen, die zwischen Juli 2014 und Mai 2016 in Russland gefangen gehalten worden war. Ihre Freilassung vor zwei Jahren hatte das ganze Land und viele ausländische Partner und Freunde der Ukraine mobilisiert. Doch nun sitzt Sawtschenko in einem ukrainischen Gefängnis. Ihr wird vorgeworfen, Terror geplant zu haben.

Sawtschenkos Festnahme. Am 22. März wurde die Abgeordnete Sawtschenko von Ermittlern des Sicherheitsdienstes der Ukraine (SBU) im Parlamentsgebäude festgenommen. Zuvor hatte die Mehrheit der Abgeordneten Sawtschenkos Immunität aufgehoben.

Die Vorwürfe. Sawtschenko soll nach Angaben des Generalstaatsanwalts Jurij Luzenko geplant haben, die verfassungsmäßige Ordnung im Lande gewaltsam zu stürzen und die Staatsgewalt zu ergreifen. Dabei soll sie geplant haben, Vertreter des Staates und der Gesellschaft zu töten und einen Terroranschlag zu verüben. Sie soll eine terroristische Organisation unterstützt und illegal mit Waffen, Munition und Sprengstoff hantiert haben.

Verbindung zum Fall Ruban. Am 8. März wurde vom SBU Wolodymyr Ruban festgenommen, als er die Trennlinie passierte – von der sogenannten “Volksrepublik Donezk” aus in den von Kiew kontrollierten Teil des Donbass. Ruban ist ein bekannter Vertreter der ukrainischen Freiwilligen-Bewegung. Er hatte sich mit der Freilassung von Gefangenen befasst. Beim Übertritt der Trennlinie hatte er eine große Menge Waffen dabei. Ersten Meldungen zufolge soll Ruban allein einen Anschlag im Regierungsviertel in Kiew geplant haben. Doch schnell hieß es seitens der ukrainischen Behörden, dass Ruban nicht allein am Werk gewesen sei. Schon am 13. März wurde in diesem Fall Nadija Sawtschenko vom SBU verhört.

Beweise für Sawtschenkos Beteiligung. Die Generalstaatsanwaltschaft veröffentlichte im Parlament und auch im Internet ein Video, in dem die Abgeordnete Sawtschenko und der Unterhändler Wolodymyr Ruban einen Plan zur Machtergreifung erörtern. Im dem Video wird über die Zerstörung des Parlaments und über Anschläge auf wichtige Staatsvertreter gesprochen, darunter auf den Präsidenten Petro Poroschenko, den Sicherheitschef Oleksandr Turtschynow und Innenminister Arsen Awakow. Umgesetzt werden sollten die Pläne mit Waffen, die aus der sogenannten “Volksrepublik Donezk” stammen.

Sawtschenkos Verteidigung. Sawtschenko hat zugegeben, dass sie etwas mit den Waffen zu tun hatte, die aus den besetzten Gebieten im Osten der Ukraine stammen. Ihr zufolge handelt es sich lediglich um eine politische Provokation. Sie sagte, sie habe zusammen mit Ruban die Waffen aus der “Volksrepublik Donezk” herausgebracht, allein mit der guten Absicht, damit es in den besetzten Gebieten weniger Waffen gibt. Das ganze Gerede über die Planung von Anschlägen im Regierungsviertel sei nichts weiter als ein Spiel. “Das ist in Wirklichkeit Surrealismus”, betonte Sawtschenko.

Haft bis zum 20. Mai. Am 23. März verhängte ein Kiewer Bezirksgericht als Sicherheitsmaßnahme gegen Sawtschenko eine Haft von 59 Tagen, also bis zum 20. Mai. Eine Kaution ist nicht möglich.

Hungerstreik im Gefängnis. Am Samstag hatten sich Vertreter des Menschenrechtsbeauftragten des Parlaments mit Sawtschenko getroffen. Der Pressedienst des Menschenrechtsbeauftragten teilte danach mit: “Nadija Sawtschenko hat erklärt, dass sie in den Hungerstreik getreten ist. Zuletzt hat sie am Abend des 23. März Nahrung zu sich genommen.”

 


Justizreform: Öffentlichkeit nimmt nicht an Beurteilung von Richtern teil

Der “Öffentliche Rat für Integrität” hat erklärt, nicht mehr an der Beurteilung von Richtern teilzunehmen. “Wie am Fließband veranstaltet die ‘Hohe Qualifikationskommission der Richter der Ukraine’ Pseudo-Beurteilungen der beruflichen Tätigkeit und Integrität von Richtern. Damit die Öffentlichkeit dies nicht behindert, hat die Kommission mit Änderungen an der Verordnung zur Beurteilung von Richtern den ‘Öffentlichen Rat für Integrität’ aus einer der wichtigsten Phasen der Justizreform – der Neuzulassung von Richtern – verdrängt”, erklärt der “Öffentliche Rat für Integrität”. Daher habe der Rat beschlossen, “seine Beteiligung an dem Quasi-Erneuerungsprozess der Richter zu beenden”.

Der “Öffentliche Rat für Integrität” stellt fest, dass die “Hohe Qualifikationskommission der Richter der Ukraine” alle 6000 ukrainischen Richter in weniger als einem Jahr neu beurteilen und zulassen wolle. Nach Ansicht des Rates bestätigt dies nur, dass die von der “Hohen Qualifikationskommission der Richter der Ukraine” durchgeführte Beurteilung ein Fließband sei, dessen einziger Zweck darin bestehe, bisherigen Richtern Posten zu erhalten und deren Gehälter zu erhöhen. Letztlich gehe es nur darum, einen “erfolgreichen Abschluss” der Reform zu melden.

Die Mitglieder des “Öffentlichen Rates für Integrität” sind überzeugt, dass auf diese Weise in den erneuerten Gerichten zwar Richter sitzen werden, die der Maidan-Bewegung angehörten, aber auch solche, die oft in die besetzten Gebiete im Osten der Ukraine fahren und die nationale Sicherheit des Landes bedrohen. In den Gerichten würden auch solche Richter bleiben, deren Vermögen nicht mit ihrem erklärten Einkommen in Einklang zu bringen sind, und auch solche Richter, die in willkürliche Urteile verwickelt sind, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geprüft werden.

Der “Öffentlichen Rates für Integrität” ist ein unabhängiges Organ innerhalb des ukrainischen Justizsystems. Er besteht aus 20 ehrenamtlichen Mitgliedern, die von Vertretern gesellschaftlicher Organisationen für zwei Jahre gewählt werden. Mitglieder des Rates können zum Beispiel Vertreter von Menschenrechtsorganisationen, Juristen und Journalisten sein, die anerkannte Fachleute sind.


Die ukrainische Wirtschaft wächst langsam wieder

BIP-Wachstum. Das Statistikamt der Ukraine meldet einen Anstieg des realen Bruttoinlandsproduktes des Landes im Jahr 2017 um 2,5 Prozent, was 0,3 Prozent über den Erwartungen liegt. Die Behörde berichtet auf ihrer Webseite, dass auch das BIP-Wachstum 2016 von 2,3 auf 2,4 Prozent nach oben korrigiert wurde.

Haushaltsdefizit. Das Defizit im ukrainischen Staatshaushalt belief sich im Jahr 2017 auf 47,9 Milliarden Hrywnja, oder auf 1,6 Prozent des BIP. Dies geht aus einem Bericht des Finanzministeriums über die Umsetzung des Staatshaushalts für das Jahr 2017 hervor. Im Jahr 2016 betrug das Defizit 70,3 Milliarden Hrywnja, oder 2,9 Prozent des BIP. Im Jahr 2015 waren es 45,2 Milliarden Hrywnja, oder 2,3 Prozent des BIP und 2014 78,1 Milliarden Hrywnja, oder 4,9 Prozent des BIP.

Bewertung durch den IWF. Der Internationale Währungsfonds betrachtet die Ukraine nicht als ein Land mit niedrigen Einkommen und führt den Rückgang bei den Einnahmen des Staates auf den militärischen Konflikt im Osten des Landes zurück. Dies geht aus einer Studie des IWF zur makroökonomischen Situation in Entwicklungsländern mit niedrigen Einkommen hervor. Der IWF stellt fest, dass das Pro-Kopf-Einkommen in der Ukraine im Jahr 2014 14 Prozent unter dem Niveau der Länder lag, die zu der Gruppe der Länder mit niedrigen Einkommen (2330 Dollar pro Jahr) gehören. Die Ukraine wurde jedoch nicht in die Gruppe der einkommensschwachen Länder aufgenommen, da der Hauptgrund für den Rückgang der Einnahmen der militärische Konflikt ist. Die Ukraine wurde auch 2018 nicht in die Gruppe der Länder mit niedrigem Einkommen aufgenommen, da die Struktur ihrer Wirtschaft typisch für Länder mit Marktwirtschaft ist.