Die Lage an der Front, Unterstützung für Senzow, Neues im Fall Babtschenko sowie weitere Themen: Übersicht der ukrainischen Pressenachrichten #59, 28. Mai – 3. Juni 2018

Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine

Die prorussischen Rebellen setzen weiterhin Waffen ein, die gemäß den Minsker Vereinbarungen verboten sind (82-mm- und 120-mm-Mörser, 122-mm- und 152-mm-Artillerie und Panzerabwehrlenkwaffen). Außerdem lässt der Feind mit regelmäßigem Beschuss mit großkalibrigen Maschinengewehren die Entflechtung der Kräfte im Bezirk Stanyzja Luhanska immer wieder scheitern.

Am 28. Mai wurde ein Wohnhaus eines Zivilisten in dem Ort Tschermalik durch feindlichen Beschuss mit Geschützen vom Typ SPG-9 (Granatwerfer zur Panzerabwehr auf Lafette) beschädigt.

Am 31. Mai haben die Rebellen den Ort Tschermalik mit 122-mm-Artilleriegranaten sowie mit 120-mm- und 82-mm-Mörsergranaten beschossen. Insgesamt gab es 30 Angriffe. Der Beschuss wurde vom besetzten Dorf Tawrytschyske aus durchgeführt. Durch die Explosion einer 82-mm-Mine wurde die Fassade eines Wohnhauses und ein privates Grundstück beschädigt. Glücklicherweise gab es dort nach vorliegenden Informationen keine Opfer unter der Zivilbevölkerung.

Am 3. Juni haben die prorussischen Besatzer die zivile Infrastruktur der Siedlung Talakiwka mit Geschützen (152 mm) beschossen. Auch hier gab es glücklicherweise hier keine Opfer. Meldungen über Schäden werden noch geprüft.

Opfer unter Zivilisten. In Torezk, Region Donezk, ist am 30. Mai die 15-jährige Daria Kasemirowa beigesetzt worden. Sie wurde bei einem von den Rebellen der sogenannten “Donezker Volksrepublik” durchgeführten Beschuss des Dorfes Salisne nahe Torezk getötet. Drei Tage vor ihrem Tod hatte das Mädchen noch ihren Geburtstag gefeiert. Die ukrainische militärische Aufklärung hat Gespräche der Rebellen abgefangen, in denen sie über jenen Beschuss sprechen.

Diplomatische Front: Besuch des deutschen Außenministers. Vom 31. Mai bis 1. Juni weilte der deutsche Außenminister Heiko Maas zu einem Arbeitsbesuch in der Ukraine. Zusammen mit seinem ukrainischen Amtskollegen Pawlo Klimkin fuhr er am 1. Juni zur Trennlinie in das Einsatzgebiet der ukrainischen Vereinten Kräfte im Osten des Landes. Dort informierte er sich über die derzeitige Lage im Kampfgebiet. Beide Außenminister sprachen über einen möglichen Einsatz einer UN-Friedensmission im gesamten besetzten Teil des Donbass. Heiko Maas teilte auf einer Pressekonferenz in Mariupol mit, es sei vereinbart worden, am 11. Juni in Berlin ein Treffen der Außenminister im Normandie-Format (Ukraine, Deutschland, Frankreich und Russland) durchzuführen.


Unterstützung für Senzow – Koltschenko auch im Hungerstreik

Mit dem Stand vom 4. Juni ist Oleh Senzow seit 22 Tagen im Hungerstreik. Er fordert, dass alle 64 in Russland inhaftierten ukrainischen politischen Gefangenen freigelassen werden. Seit dem 31. Mai ist der in Russland gefangengehaltene Oleksandr Koltschenko ebenfalls in einem Hungerstreik. Er fordert die Freilassung Senzows.

Der ukrainische Filmregisseur Oleh Senzow und der ukrainische Aktivist Oleksandr Koltschenko wurden am 10. Mai 2014 auf der Krim von den russischen Besatzungsbehörden festgenommen. Sie wurden beschuldigt, Terroranschläge geplant zu haben. Senzow hatte zuvor öffentlich die Revolution der Würde in der Ukraine unterstützt und die Annexion der Krim durch Russland verurteilt. Trotz des eindeutig politischen Charakters des Falles, trotz fehlender Beweise und internationaler Proteste, verurteilte ein russisches Gericht Senzow und Koltschenko im August 2015 zu jeweils 20 und 10 Jahren Strafkolonie.

Weltweit Aktionen für Senzow. Am Wochenende gab es in Kiew auf dem Unabhängigkeitsplatz eine Unterstützungsaktion für Senzow, der am 14. Mai in einen unbefristeten Hungerstreik getreten war. Die rund 500 Teilnehmer der Aktion forderten lebenserhaltende Maßnahmen für Senzow, der von Amnesty International als politischer Häftling anerkannt ist. Sie verlangten zudem die Freilassung aller Ukrainer, die aus politischen Gründen in Russland und auf der von Russland besetzten ukrainischen Halbinsel Krim illegal festgehalten werden. In insgesamt 29 ukrainischen Städten gab es Aktionen für Senzow.

Am 1. und 2. Juni gab es auch im Ausland, in insgesamt 42 Städten, darunter in 21 Hauptstädten, Aktionen zur Unterstützung von Oleh Senzow: in Australien, in den USA, in Deutschland, Georgien, Israel, Frankreich, in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Kuwait, Kanada, Portugal, Großbritannien, Griechenland, Österreich, in der Tschechischen Republik, in Schweden, in der Schweiz, in Estland, Lettland, Italien und Belgien. In Russland gab es Aktionen von Einzelpersonen in Sankt Petersburg, Moskau und Kasan.

Treffen der Mütter. Erstmals seit der Inhaftierung ihrer Söhne vor vier Jahren haben sich die Mütter von Oleh Senzow und Oleksandr Koltschenko getroffen. Sie wandten sich an den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko mit der Bitte, alles für eine schnellstmögliche Freilassung der politischen Gefangenen zu unternehmen. Koltschenkos Mutter sagte, sie habe aus Russland einen Drohanruf erhalten, und zwar von Wasilij Katane, einem Vertreter des “Gesellschaftlichen Aufsichtsrates im Gebiet Tscheljabinsk”. Am 1. Juni habe ein Mann angerufen, der sich als Mitglied des Rates ausgegeben habe. “Er verlangte von mir, Oleksandr zu überzeugen, den Hungerstreik zu beenden, und mich nicht mehr mit meinem Anwalt zu treffen”, sagte sie im ukrainischen Radiosender “Hromadske”.


Der Fall Babtschenko: Gibt es eine Liste mit 47 Namen?

Der Fall Babtschenko war in der vergangenen Woche die Hauptnachricht in der Ukraine. Das Ukraine Crisis Media Center hatte darüber in einem Artikel ausführlich berichtet. Inzwischen gibt es neue Einzelheiten. Sie beziehen sich insbesondere auf eine Liste mit Personen, die laut den Ermittlern die nächsten Opfer hätten sein sollen.

Erklärung des Generalstaatsanwalts. Jurij Luzenko sagte, dass im Rahmen der Ermittlungen wegen des geplanten Attentats auf den in Kiew lebenden russischen Journalisten Arkadij Babtschenko wichtige Beweise gesammelt werden konnten. Sie würden Erkenntnisse über die Verbindungen von Boris Herman zu russischen Geheimdiensten liefern. Herman wurde von den ukrainischen Behörden festgenommen. Er wird verdächtigt, eine Ermordung Batschenkos organisiert zu haben. Ferner sagte Luzenko: “Im Ergebnis kombinierter Untersuchungen haben die Ermittler eine Liste mit 47 Personen erhalten, die die nächsten Opfer der Terroristen hätten sein können. Das sind meist bekannte ukrainische und ehemals russische Journalisten. Sie sind über die Gefahr informiert worden und es wird für sie Schutz organisiert.”

Was sagt der “Organisator”? Boris Herman nennt keine konkreten Namen von Personen in der Ukraine, die Attentate auf Journalisten in Auftrag gegeben haben könnten. Doch er nennt einen Namen: Wjatscheslaw Piwowarnyk aus Russland, der angeblich in einer “privaten Stiftung” des russischen Präsidenten Wladimir Putin für die Ukraine zuständig ist. Piwowarnyk und Herman sind Mitinhaber der “Kiew Consulting Group”. Ihnen gehören laut staatlichem Register jeweils elf Prozent. Herman zufolge lebt Piwowarnyk derzeit in Moskau. Laut dem Register ist er Besitzer einer Reihe anderer ukrainischer Unternehmen und in einigen Fällen ist er auch deren Leiter.

Die “Liste 47”. Ukrainische Journalisten berichten, dass der Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) sie zu einem Treffen eingeladen hatte. Dabei seien angeblich die Namen bekannt geworden, die auf der “Liste 47” stehen sollen. Der SBU hat auch mit einigen Personen von der Liste einzeln gesprochen. Zu dem Treffen waren unter anderem eingeladen: die Fernsehmoderatoren Matwej Ganapolskij und Jewgenij Kiseljow, der Produzent des TV-Kanals “UA:Krim”, Osman Paschajew, die Chefredakteurin der Wochenzeitung “Serkalo Nedeli”, Julia Mostowa, der stellvertretende Direktor des krimtatarischen Fernsehsenders “ATR”, Ajder Muschdabajew, der politische Beobachter Witalij Portnikow, der TV-Moderator des Kanals “UA:Perschyj”, Jurij Makarow, der Mitarbeiter der Sendung “Krym.Realii”, Pawlo Kasarin, sowie die Moderatorin des TV-Senders “ZIK”, Tatjana Danylenko.


Umfrage: Was meinen die Ukrainer zur Korruption?

Eine von der ukrainischen Stiftung “Demokratische Initiativen” durchgeführte Umfrage zeigt, dass nur 5 Prozent der befragten Ukrainer bereit sind, Vertretern des Präsidenten Petro Poroschenko die Einrichtung eines Anti-Korruptions-Gerichts zu übertragen. Gleichzeitig bringen die Befragten das größte Vertrauen Vertretern von Anti-Korruptions-NGOs (47 Prozent) und Experten aus westlichen Ländern (38 Prozent) entgegen. Die Umfrage hat auch gezeigt, dass nur wenige Bürger bereit sind, die Einrichtung eines Anti-Korruptions-Gerichts den Abgeordneten des ukrainischen Parlaments (13 Prozent) und Richtern von Organen der gerichtlichen Selbstverwaltung (9 Prozent) zu überlassen. Ferner findet eine absolute Mehrheit der Bevölkerung (83 Prozent), dass der Kampf gegen die Korruption in der Ukraine keinen Erfolg hat. 50 Prozent meinen, die Korruptionsbekämpfung sei völlig gescheitert.


Kultur: Ukrainische Kurzfilme beim Kiewer Molodist-Festival

Die Sieger. In Kiew ist eines der größten Filmfestivals Osteuropas – das 47. Kyiv International Film Festival Molodist – zu Ende gegangen. Im Rahmen des Festivals fand ein nationaler Wettbewerb statt, bei dem 22 ukrainische Kurzfilme angetreten waren.

Sieger des Wettbewerbs ist der Film “Weightlifter” von Dmytro Sukholytkyy-Sobchuk. Der Film ist eine ukrainisch-polnische Koproduktion und schildert die Geschichte eines jungen Athleten, der um jeden Preis bei Wettkämpfen gewinnen möchte. Ausgezeichnet wurden auch die Filme “Unavailable” von Nikon Romanchenko sowie “The Wonderful Years” von Svitlana Shymko und Halyna Jarmanowa.

In dem Film “Unavailable” macht sich die Angestellte einer Süßwarenfabrik in Ternopil Sorgen um ihren Sohn, der sich im Kriegsgebiet befindet. Da sie schon lange nichts mehr von ihm gehört hat, macht sie sich auf die Suche nach ihm.

Die Regisseurinnen des Films “The Wonderful Years” schildern anhand von Archivmaterial des Zentrums für Stadtgeschichte Ostmitteleuropas in Lwiw das Leben von Frauen, die in der Sowjetzeit zur LGBKQ-Community (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und queere Bevölkerungsgruppen) gehörten.

Eine vollständige Liste der Filme des nationalen Wettbewerbs mit einer kurzen Beschreibung in englischer Sprache bietet die Webseite des Festivals.