Ivan Šimonović: Die Menschen in den besetzten Gebieten haben keine Grundfreiheiten

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Kiew, 3. Juni 2016 – Die Grundrechte und Freiheiten der 2,7 Millionen Menschen, die in den von bewaffneten Gruppierungen kontrollierten Gebieten im Osten der Ukraine leben, sind stark eingeschränkt. Das hat Ivan Šimonović, Assistent des UN-Generalsekretärs für Menschenrechte, deutlich gemacht. Im Ukraine Crisis Media Center stellte er den 14. Bericht des Büros des Hochkommissariats für Menschenrechte (OHCHR) zur Menschenrechtslage in der Ukraine vor.

“Die freie Meinungsäußerung sowie die friedliche Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit werden eingeschränkt. Es fehlt jeglicher Raum für abweichende Meinungen. Das lässt an den Aussichten für freie und faire Wahlen in diesen Gebieten zweifeln, bis sich die Situation bessert”, sagte er und fügte hinzu, nur die Achtung bürgerlicher und politischer Rechte könne diese Gebiete anerkannten Wahlen näherbringen. Zugleich wies Šimonović darauf hin, dass es auch in den von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebieten im Donbass, vor allem in der Konfliktzone, Beschwerden bezüglich der Einhaltung bürgerlicher und politischer Rechte gebe.

Lage auf der Krim verschlechtert sich

Dem Assistenten des UN-Generalsekretärs für Menschenrechte zufolge hat sich auf der Krim die Menschenrechtslage seit der Annexion der ukrainischen Halbinsel durch Russland deutlich verschlechtert.

“Anti-Extremismus- und Anti-Terror-Gesetze wurden ausgenutzt, um nicht kriminelles Verhalten zu kriminalisieren und abweichende Meinungen zu ersticken. Die Justiz- und Strafverfolgungsbehörden wurden instrumentalisiert, um oppositionellen Stimmen einen Riegel vorzuschieben. Am schwersten betroffen sind die Krimtataren”, betonte Šimonović. Er forderte das Oberste Gericht der Russischen Föderation auf, das Verbot des Medschlis der Krimtataren wieder aufzuheben.

Justiz muss unabhängig werden

Der Assistent des UN-Generalsekretärs für Menschenrechte ist überzeugt, dass die Ukraine eine Justizreform braucht. “Dieser Bericht markiert den Zeitpunkt von zwei Jahren seit der Gewalt auf dem Maidan in Kiew und der Gewalt vom 2. Mai 2014 in Odessa. Man ist nicht dabei weitergekommenen, die Verantwortlichen, vor allem in den Behörden, vor Gericht zu stellen”, sagte Šimonović.

Er unterstrich, die jüngst vom ukrainischen Parlament verabschiedeten Verfassungsänderungen im Bereich der Justiz seien “eine seltene Gelegenheit, mit der Vergangenheit zu brechen”. “Jetzt ist es wichtig, dass die ukrainische Regierung das Versprechen einer unabhängigen Justiz erfüllt”, fügte er hinzu.

Zivilisten sind weiter gefährdet

Šimonović berichtete auf der Pressekonferenz ferner, explosive Überbleibsel des Krieges und selbstgebaute Sprengkörper seien weiterhin für etwa die Hälfte der zivilen Opfer in den letzten Monaten verantwortlich. So würden Minen, Sprengfallen und nicht explodierte Überbleibsel des Krieges eine große Gefahr für Zivilisten darstellen.

Ferner seien nach wie vor viele Menschen infolge der Kriegsereignisse verschwunden. So seien bis April 2016 insgesamt 3687 Verfahren eingeleitet worden, zu Fällen von Personen, die in den Gebieten Donezk und Luhansk seit Beginn des Konflikts vermisst werden. “Die Regierung ist dabei, ein Gesetz über vermisste Personen zu erarbeiten, was wir begrüßen”, sagte Šimonović.

Kein Zugang zu Gefängnissen

Der Assistent des UN-Generalsekretärs für Menschenrechte berichtete ferner, dass die bewaffneten Gruppierungen im Donbass weiterhin allen internationalen Organisationen den Zugang zu Orten des Freiheitsentzugs verweigern würden. Er sagte auch, dass der Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) ebenfalls nicht immer Zugang zu allen Orten gewähre, wo sich Gefangene befinden könnten.

“Wir haben verlässliche Informationen über illegalen Freiheitsentzug und Isolationshaft durch bewaffnete Gruppierungen, sowie über Folter und Misshandlungen. Aber wir erhalten auch umfangreiche Berichte über Folter und Misshandlungen, Willkür und Isolationshaft seitens des SBU, vor allem in der Konfliktzone”, stellte Šimonović fest.

Humanitäre Lage ist schwierig

Der Assistent des UN-Generalsekretärs für Menschenrechte äußerte sich außerdem besorgt über den allgemeinen Rückgang des Lebensstandards und der Qualität der sozialen Dienste in den von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebieten.

“Ferner habe ich die Machthaber in Donezk dringend dazu aufgefordert, humanitäre Organisationen zu registrieren und die Bevölkerung nicht mehr der humanitären Hilfe zu berauben, die manchmal verfügbar ist und sofort verteilt werden kann. Ich wollte das gleiche in Luhansk tun, aber ich wurde nicht dorthin gelassen”, berichtete Šimonović.

Bereits über 31.000 Opfer

Nach Angaben des Büros des Hochkommissariats für Menschenrechte hat der Konflikt im Donbass bisher mit dem Stand vom 31. Mai 2016 zu insgesamt rund 31.000 Opfern geführt. Davon wurden 9404 Menschen getötet und 21.671 verletzt.

Bis zu 2000 Zivilisten seien, so Šimonović, in erster Linie infolge willkürlichen beziehungsweise unangemessenen Beschusses von Wohngebieten gestorben. “Dies ist eine vorsichtige Schätzung. Wir gehen davon aus, dass die tatsächlichen Opferzahlen höher sind”, sagte der Assistent des UN-Generalsekretärs für Menschenrechte abschließend.