Ermittlungen im Mordfall Scheremet faktisch eingefroren

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Die Ermittlungen im Mordfall des ukrainischen Journalisten Pawlo Scheremet, der am 20. Juli 2016 in Kiew durch eine Autoexplosion ums Leben kam, seien faktisch eingefroren worden – so fassten die Sprecher des CPJ (The Committee to Protect Journalists) auf einer Pressekonferenz im Ukraine Crisis Media Center die Ergebnisse der Untersuchungen zusammen.

Kritik an den Ermittlungen

„Das Verfahren ist faktisch eingefroren. Es wurde kein Motiv verfolgt. Viel Kraft und Energie wurde in die Spurensuche gesteckt, für die es keine oder so gut wie keine Beweise gab, während andere Spuren wiederum keine Beachtung fanden. Mutmaßliche Täter, die während der Bombenlegung von einer Videokamera gefilmt wurden, sind nicht identifiziert, geschweige denn verhaftet. Die wesentlichen Videobeweise sind ausschließlich durch Journalisten ans Licht gekommen, die sie im Film „Der Mord an Pawlo“ zeigten. […] Dutzende von Menschen, mit denen ich im Rahmen der Ermittlungen gesprochen habe, mitunter Familienmitglieder, Kollegen und Freunde von Pawlo, beschuldigen die Ordnungskräfte der Inkompetenz oder Sabotage“, stellte Christopher Miller, Mitglied des CPJ und Journalist bei „Radio Swoboda“ in seiner Präsentation der Ermittlungsergebnisse fest.

„Ermittlungsbeamte erklären, dass der Fall unzählige Akten mit hunderten Seiten umfasst. Sie sehen ihn als erste Priorität an und arbeiten aktiv daran. Heute jedoch, ein Jahr nach dem Mord, gibt es weder Verdächtige, noch wurde jemand verhaftet oder ein Strafverfahren angeregt. Ganz zu schweigen davon, ob es Gerechtigkeit gab“, betonte Nina Ognyanova, Koordinatorin des Programms von CPJ in Europa und Asien.

Drei Kernfragen des CPJ an das Ermittlungsverfahren sind: Welche offizielle Person aus welcher Behörde ist zuständig für die Ermittlungen; wer verfolgte die Journalisten von „Ukrainska Prawda“ kurz vor dem Mord an Pawlo; warum haben die Ordnungshüter das Foto der Frau, die mutmaßlich den Sprengstoff ins Auto gelegt hatte, nicht veröffentlicht, denn das hätte bei der Fahndung der Person helfen können.

Sind positive Änderungen zu erwarten?

Joel Simon, CEO des CPJ sagte, dass es gestern während eines Gesprächs zwischen CPJ-Vertretern und Präsident Poroschenko neue Hoffnung auf Fortschritte gab. „Präsident Poroschenko schlug vor, ausländische Experten zur ukrainischen Ermittlergruppe hinzuzuziehen. Dies benötigt zwar die Zustimmung und die Unterstützung der ukrainischen Gesellschaft, doch es würde die Ermittlungen vertrauenswürdiger und unabhängiger machen“, meinte er.

Das CPJ rät den Ermittlern, die Untersuchungen zu beschleunigen und auf der Suche nach dem mutmaßlichen Tatmotiv ihre Aufmerksamkeit auf Scheremets Arbeit in der Ukraine zu richten. Außerdem sollen sie die von unabhängigen Ermittlern gefundenen Fakten miteinbeziehen und regelmäßige Berichte über den Stand der Ermittlungen abgeben, sowie schnell auf Medienanfragen reagieren.

„Eine gescheiterte Ermittlung schafft das Gefühl der Straflosigkeit, und dass man Journalisten töten und bedrohen darf… Wir müssen wissen, wer Pawlo Scheremet ermordet hat. Und wenn die Ukraine wirklich zu dem Land werden will, zu dem sie vorgibt werden zu wollen, will sie es auch wissen. Die ganze Welt will es wissen!“, betonte Alan Rasbridger, CEO-Ratsmitglied von CPJ und ehemaliger Chefredakteur von „The Guardian“ in London.