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1182. Kriegstag: Studie zu ukrainisch-russischen Gesprächen, Russland-Sanktionen, Verstärkte Drohnen

ISW: Kreml macht sinnvolle Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland unmöglich

Sinnvolle bilaterale Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland, die Donald Trump “unmittelbar” nach seinem Gespräch mit Wladimir Putin beginnen will, sind unmöglich, solange Moskau den Verhandlungsprozess hinauszögert, sich weigert, das Feuer einzustellen, bis Friedensgespräche beginnen, Zugeständnisse an die Ukraine verweigert, die Legitimität der ukrainischen Regierung nicht anerkennt und seine Gebietsansprüche ausweitet. Zu solchen Schlussfolgerungen kommen Experten des Institute for the Study of War (ISW) in ihrem neuen Bericht.  Die Analysten haben die Ergebnisse des Telefongesprächs zwischen Donald Trump und Wladimir Putin am 19. Mai sowie die diesbezüglichen Aussagen von Trump, Putin und Wolodymyr Selenskyj zusammengefasst.

Trumps Hauptthesen: Er und Putin hätten angeblich vereinbart, dass Russland und die Ukraine unverzüglich bilaterale Verhandlungen sowohl über einen Waffenstillstand als auch über ein Friedensabkommen aufnehmen würden. Der Vatikan sei “sehr an Verhandlungen interessiert”. Die USA sind daran interessiert, den Handel mit Russland wieder aufzunehmen, nachdem sich die Ukraine und Russland auf ein Friedensabkommen geeinigt haben. Auch während des Wiederaufbaus könne die Ukraine vom Handel profitieren, glaubt Trump. Nach seinem Gespräch mit Putin rief er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, die italienische Premierministerin Giorgia Meloni, den deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz, den finnischen Präsidenten Alexander Stubb und die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen an und teilte ihnen mit, dass bilaterale Gespräche zwischen der Ukraine und der Russischen Föderation sofort beginnen würden.

Wichtige Aussagen Putins und seines Beraters Jurij Uschakow: Russland werde der Ukraine ein “Memorandum” vorlegen, in dem angeblich die Bedingungen eines künftigen Friedensvertrags aufgeführt würden, während beide Länder angeblich auf die Aufnahme bilateraler Verhandlungen hinarbeiten würden. Putin erklärte, für Russland bestehe die “Hauptsache” darin, die “Ursachen des Krieges” zu beseitigen. Das ISW weist darauf hin, dass er damit die seit langem bestehende Darstellung des Kremls wiederholte, die die Ersetzung der gegenwärtigen ukrainischen Regierung durch eine russische Marionettenregierung und die Neutralität der Ukraine fordert. Uschakow fügte hinzu, dass Trump und Putin auch einen möglichen Gefangenenaustausch zwischen den USA und Russland im Verhältnis “9:9” besprochen hätten.

Die wichtigsten Aussagen Selenskyjs: Er habe vor dem Telefonat des US-Präsidenten mit Putin mit Trump gesprochen und danach auch mit Trump, Macron, Meloni, Merz, Stubb und von der Leyen gesprochen. Er bestätigte die Bereitschaft der Ukraine zu einem vollständigen bedingungslosen Waffenstillstand, wie Trump ihn zuvor vorgeschlagen hatte und erklärte, dass die Ukraine zu direkten Verhandlungen mit Russland “in jedem Format” bereit sei. Er schlug die Türkei, den Vatikan oder die Schweiz als mögliche Verhandlungsorte vor und forderte sowohl amerikanische als auch europäische Vertreter auf, sich “auf angemessener Ebene” am Verhandlungsprozess zu beteiligen.

Die ISW-Analysten ihrerseits betonen, dass diese Forderungen folgendes bekräftigen: Damit die Verhandlungen zu einem dauerhaften und nachhaltigen Ende des russischen Krieges gegen die Ukraine führen, muss Russland aufhören, solche Verhandlungen in die Länge zu ziehen. “Russland muss die Legitimität des ukrainischen Präsidenten, der Regierung und der Verfassung sowie die Souveränität der Ukraine klar anerkennen, um sinnvolle und auf gutem Glauben beruhende Verhandlungen führen zu können”, fassen die ISW-Experten zusammen.

Sie erinnern daran, dass Putin und andere Kreml-Funktionäre wiederholt fälschlicherweise behauptet hätten, Selenskyj sei der illegitime Führer der Ukraine und alle ukrainischen Regierungen seit 2014 seien ebenfalls illegitim. Gleichzeitig sei, wie das ISW betont, in der Verfassung und den Gesetzen der Ukraine klar festgelegt, dass während des Kriegsrechts keine Wahlen abgehalten werden dürfen und dass die ukrainischen Behörden das Kriegsrecht nicht aufheben dürfen, solange eine “Angriffsdrohung oder Gefahr für die staatliche Unabhängigkeit der Ukraine und ihre territoriale Integrität” bestehe.

Daher können Russland und die Ukraine keine sinnvollen Verhandlungen führen, solange Russland sich weigert, das Verhandlungsmandat der Ukraine anzuerkennen, betont das ISW. Russische Regierungsvertreter verbreiten ständig die Geschichte einer angeblichen Illegitimität der ukrainischen Regierung und wiederholten diese Aussage am 17. Mai. Das ISW geht weiterhin davon aus, dass diese russischen Bemühungen eine Vorbereitung auf die weitere Ablehnung jeglicher zukünftiger ukrainisch-russischer Abkommen oder Vereinbarungen zu einem für die Russische Föderation günstigen Zeitpunkt darstellen. Daher muss jedes künftige Friedensabkommen zwischen Russland und der Ukraine eine klare Anerkennung der Legitimität des ukrainischen Präsidenten, der ukrainischen Regierung und der ukrainischen Verfassung durch Russland beinhalten.

Das ISW betont, dass Russland auch zustimmen müsse, dass Waffenstillstandsverhandlungen den Verhandlungen über eine Friedensregelung vorausgehen müssten. Die Vereinigten Staaten, die Ukraine und Europa haben wiederholt zu einem solchen Waffenstillstand aufgerufen, um die Fortsetzung diplomatischer Bemühungen zur Beendigung des russischen Krieges in der Ukraine zu ermöglichen. Russland hat diese Abfolge von Ereignissen jedoch stets zurückgewiesen – ein Teil der Bemühungen Moskaus, die Waffenstillstandsgespräche zu nutzen, um der Ukraine und dem Westen weitere Zugeständnisse abzuringen. Derzeit geht das ISW weiterhin davon aus, dass Russland versucht, die Friedensgespräche hinauszuzögern, um seinen Vormarsch auf dem Schlachtfeld fortzusetzen. Ein künftiger Waffenstillstand würde allerdings erfordern, dass Russland und die Ukraine in getrennten Verhandlungen die notwendigen, verlässlichen Mechanismen zur Überwachung dieses Waffenstillstands vereinbaren. Die Analysten gehen davon aus, dass die Kombination von Waffenstillstandsgesprächen mit Friedensgesprächen die Umsetzung des Waffenstillstands nur verzögern wird.

EU und Großbritannien beschließen neue Russland-Sanktionen

Am 20. Mai hat die Europäische Union ein neues, 17. Sanktionspaket gegen Russland verabschiedet. Das berichtet die Zeitung “European Truth” unter Berufung auf einen Beitrag auf die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas im Netzwerk X: “Die EU hat ihr 17. Sanktionspaket gegen Russland verabschiedet, das sich gegen knapp 200 Schiffe der Schattenflotte richtet. Die neuen Maßnahmen betreffen auch hybride Bedrohungen und Menschenrechte.” Kallas fügte hinzu, die EU bereite “noch weitere Sanktionen gegen Russland” vor. “Je länger Russland Krieg führt, desto härter wird unsere Reaktion sein”, so Kallas. Das 18. Sanktionspaket gegen Russland, an dem in der EU bereits gearbeitet wird, könnte neben russischen Banken auch Beschränkungen für Banken aus Ländern außerhalb der Europäischen Union umfassen, die die russische Rüstungsindustrie und Armee unterstützen. Am 16. Mai erklärte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, dass das neue Sanktionspaket der EU gegen Russland, das vorbereitet wird, auch Sanktionen gegen russische Finanzinstitute beinhalten könnte, um den Druck auf Kremlchef Wladimir Putin zu erhöhen. 

Die britische Regierung hat als Reaktion auf einen massiven Angriff auf die Ukraine in der Nacht des 18. Mai, bei dem die russische Armee eine Rekordzahl an Angriffsdrohnen einsetzte, erweiterte Sanktionen gegen Russland angekündigt. Dies geht aus einer Erklärung der britischen Regierung hervor, berichtet die “European Truth” am 20. Mai. Die Sanktionen würden 100 Einrichtungen des russischen Militär-, Energie- und Finanzsektors sowie jene betreffen, die einen Informationskrieg gegen die Ukraine führen. Die Maßnahmen zielen auf die Lieferketten für russische Waffensysteme, darunter auch Iskander-Raketen. Die Sanktionen richten sich zudem gegen 14 weitere Mitglieder der Social Design Agency (SDA), die vom Kreml finanzierte Informationsoperationen durchführt, die darauf abzielen, die Souveränität, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine und auf der ganzen Welt zu untergraben. Darüber hinaus werden diese Maßnahmen Putins Bemühungen, die Sanktionen zu umgehen, behindern und dazu beitragen, seine gescheiterten Versuche zu blockieren, sich wieder an die internationale Wirtschaft anzubinden. Von den Beschränkungen sind 46 Finanzinstitute betroffen, die Russland bei der Umgehung der Sanktionen unterstützen, sowie die St. Petersburger Währungsbörse und die russische Einlagensicherungsagentur, die russische Banken versichert. Die Sanktionen gelten auch für 18 Schiffe der “Schattenflotte”, die russisches Öl transportieren, sowie für diejenigen, die die Aktivitäten dieser Flotte unterstützen. Darüber hinaus wurden Sanktionen gegen den britischen Staatsbürger John Michael Ormerod verhängt, der Schiffe für die russische Schattenflotte beschaffte, sowie gegen zwei russische Kapitäne von Tankern der “Schattenflotte”. “Putins jüngste Angriffe enthüllen einmal mehr sein wahres Wesen als Kriegstreiber. Wir fordern ihn auf, unverzüglich einem vollständigen und bedingungslosen Waffenstillstand zuzustimmen, damit Verhandlungen für einen gerechten und dauerhaften Frieden beginnen können”, sagte der britische Außenminister David Lammy. Großbritannien arbeitet außerdem mit Partnern an einem Vorschlag zur Senkung der Preisobergrenze für russisches Öl.

Russen verstärken Drohnen mit schweren Sprengköpfen

Russland hat mit der Installation von zwei neuen Typen kombinierter Sprengköpfe in russischen Langstreckendrohnen des Typs Shahed-136 begonnen. Einer davon wird in Russland hergestellt, der andere im Iran. Bei beiden wurde das Gewicht von den standardmäßigen 50 auf 90 Kilogramm erhöht. Das berichtet Defense Express am 20. Mai und beruft sich dabei auf eigene Quellen. Die Brandwirkung wird durch eine Pulvermischung aus Metallhydriden erreicht, die eine hohe Verbrennungstemperatur von bis zu 3500 Grad Celsius erzeugt, heißt es in dem Medienbericht. Die Journalisten erinnern daran, dass die Russen seit dem Winter des vergangenen Jahres einen ähnlichen kombinierten Sprengkopf mit kumulativer Splitter-, Spreng- und Brandwirkung einsetzt haben. Sein Gewicht beträgt jedoch etwa 50 Kilogramm.

Der neue Sprengkopf iranischer Produktion wiegt ebenfalls 90 Kilogramm und verfügt über kumulative, fragmentarische und hochexplosive Wirkung. Die Analysten von Defense Express betonen, dass der Einsatz iranischer Sprengköpfe erneut auf eine sehr aktive Zusammenarbeit zwischen Moskau und Teheran bei der Produktion der Shahed-136 hinweist, die trotz der Tatsache fortgesetzt wird, dass die lokale Produktion dieser Drohnen in der Russischen Föderation in zwei Unternehmen erfolgt – bei Alabuz in Tatarstan und Kupol in Ischewsk.