1204. Kriegstag: Angriff auf Charkiw, ISW über Putins Russland-Rhetorik, Russlands Kriegsverluste

Russischer Angriff auf Charkiw: 3 Tote, 60 Verletzte, darunter Kinder

In der Nacht des 11. Juni haben russische Truppen Charkiw mit 17 Shahed-Kampfdrohnen angegriffen. Bei dem massiven Angriff kamen drei Menschen ums Leben. Nach Angaben des Bürgermeisters steuerten die Russen 17 Shahed-Drohnen auf Wohngebiete von Charkiw. Ihor Terechow berichtete von Einschlägen auf mehrstöckige Wohngebäude, Privathäuser, Spielplätze, öffentliche Verkehrsmittel und Industrieanlagen. Infolge des Beschusses brachen in Wohnhäusern Brände aus, Dächer von Gebäuden wurden zerstört, Autos brannten aus und Fenster gingen durch die Druckwelle zu Bruch. Durch den Aufprall wurden Oberleitungsbusse, das Oberleitungsnetz sowie Versorgungs- und Industrieanlagen beschädigt.

Insgesamt griffen die russischen Streitkräfte in der Nacht des 11. Juni die Ukraine mit 85 Shahed-Drohnen und Simulatordrohnen verschiedener Typen sowie einer ballistischen Rakete vom Typ Iskander-M an. Dies wurde von den Streitkräfte der Ukraine gemeldet. Die Besatzer starteten die Drohnen aus den Richtungen Kursk, Orel, Millerowo, Primorsko-Achtarsk sowie vom Kap Chauda und Hrwadijsk, die auf der vorübergehend besetzten Krim liegen. Die ballistische Rakete kam aus Richtung Kursk. Die Hauptgebiete des Luftangriffs waren diesmal die Regionen Charkiw, Donezk und Odessa. Die ukrainische Luftabwehr neutralisierte 49 Drohnen.

ISW: Was lässt sich aus Putins Äußerungen bei der Sitzung des russischen Sicherheitsrats schließen?

Am 10. Juni hielt der russische Diktator Wladimir Putin eine Sitzung des russischen Sicherheitsrates ab, bei der es vor allem um den Einsatz sogenannter “militärisch-patriotischer” Programme für Jugendliche und staatliche Initiativen zur Förderung des russischen Nationalismus ging. Das Institute for the Study of War analysierte Putins Aussagen bei diesem Treffen. Die ISW-Analysten gehen davon aus, dass Putin weiterhin darauf bedacht ist, antiwestliche Stimmungen zu schüren und die russische Jugend zu militarisieren, während er gleichzeitig versucht, Russlands Multinationalität durch eine Rhetorik auszugleichen, die sich auf den russischen ethnischen Nationalismus konzentriert.

Die Experten des Instituts betonen, dass Putin auf die Aktivitäten der sogenannten “Bewegung der Ersten” aufmerksam gemacht habe, einer Jugendbewegung, deren Ziel die Förderung einer “militärisch-patriotischen” Erziehung in Russland und den besetzten Gebieten der Ukraine sei. Und die Jugendarmee (Junarmija) – eine Bewegung, die dafür verantwortlich ist, russischen Kindern und Jugendlichen (sowie ukrainischen Kindern in den besetzten Gebieten) Kriegsgelüste einzuflößen. Darüber hinaus äußerte sich der Diktator positiv über die sogenannten “Gespräche über wichtige Dinge”. Dabei handelt es sich um ein wöchentliches Unterrichtsformat, das auf staatliche Anordnung abgehalten wird und häufig Vorträge von russischem Militärpersonal beinhaltet, das am Krieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine beteiligt war.

In diesen und anderen Akzenten, die Putin bei der Sicherheitsratssitzung setzte, sehen die ISW-Analysten seinen Wunsch, antiwestliche und kriegsbefürwortende Stimmungen vor allem unter der russischen Jugend zu schüren – wahrscheinlich, um die russische Gesellschaft auf einen langwierigen Krieg gegen die Ukraine und einen möglichen künftigen Konflikt mit der NATO vorzubereiten.

Die ISW-Analysten erinnern daran, dass Putin vor kurzem begonnen hat, eine “inoffizielle, auf der Grundlage des russischen Nationalismus formulierte Ideologie” zu fördern, die Russland dem Westen gegenüberstellt. Experten gehen davon aus, dass es sich dabei um eine Abkehr von Putins traditioneller Rhetorik handelt, die zuvor zumindest formal die multiethnische und multireligiöse Vielfalt der russischen Bevölkerung gefördert und betont hatte. Stattdessen forderte der Diktator am 10. Juni erneut eine Reaktion auf die Herausforderungen, die die interethnischen und interreligiösen Konfrontationen in Russland anheizen, und betonte die “Einheit” seiner Völker.

Diese widersprüchlichen Aussagen des Diktators bei der Sicherheitsratssitzung wertet das ISW als Ausdruck von Putins anhaltendem Zögern – ob er sich voll und ganz einer nationalistischen Ideologie anschließen soll, die sich auf ethnische Russen konzentriert, oder ob er auf die Risiken einer Fragmentierung der multiethnischen Bevölkerung Russlands reagieren soll.

Die ISW-Analysten gehen weiterhin davon aus, dass Putin eine Abwägung treffen muss zwischen der Befriedigung der Interessen der einflussreichen fremdenfeindlichen und ultranationalistischen Gemeinschaft in der Russischen Föderation, die Putins wichtigste Wählerschaft darstellt, und der Notwendigkeit, Migranten einzusetzen, um die aktuellen wirtschaftlichen und demografischen Probleme auszugleichen, die mit dem Verlust an Arbeitskräften aufgrund der Abwanderung zur Armee und dem langfristigen demografischen Rückgang in der Russischen Föderation zusammenhängen.

Die russischen Verluste im Krieg näherten sich einer Million Mann

Im Laufe des vergangenen Tages haben die ukrainischen Verteidigungskräfte weitere 1.120 russische Invasoren neutralisiert und insgesamt hat Russland seit Beginn der groß angelegten Invasion damit mehr als 999.000 getötete oder verwundete Soldaten. Der Generalstab der Streitkräfte der Ukraine berichtete, dass die gesamten Kampfverluste der Russen vom 24.02.22 bis zum 11.06.25 ungefähr betrugen:

Personal – ca. 999.200 (+1.120) Personen, Panzer – 10.927 (+8) Einheiten, gepanzerte Kampffahrzeuge – 22.783 (+15) Einheiten, Artilleriesysteme – 29.016 (+34) Einheiten, MLRS – 1.413 (+1) Einheiten, Drohnen auf operativer und taktischer Ebene – 40.297 (+240) Einheiten, Marschflugkörper – 3.337 (+7) Einheiten, Kraftfahrzeugausrüstung und Tankwagen – 51.579 (+124) Einheiten, Spezialausrüstung – ​​3.914 (+2) Einheiten.