Die Mord- und Verhaftungsserie, sowie Entwaffnungen in der LVR zielten darauf ab, die Macht in den Händen von Igor Plotnizkij zu konzentrieren – Pierre Sautreuil, französischer Journalist

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Kiew, 20. August 2015 – „Am 4. November 2014 fanden in der LVR die „Wahlen“ zu den Chefs der LVR statt. In Kiew wurde dies als Witz und Posse gesehen, aber in Luhansk selbst hatten diese Ereignisse eine enorme Bedeutung, weil zu jener Zeit in der Region Chaos herrschte“, berichtete Pierre Sautreuil, französischer Journalist von „Nouvel Observateur“ während einer Pressekonferenz im Ukrainischen Crisis Media Center. Der Journalist beleuchtete die Ereignisse in der LVR ab Oktober 2014, wo er zirka 3 Monate lebte.

„Die Sache ist, dass es einen großen Unterschied zwischen der DVR und LVR gibt. In der DVR existierte von Anfang an eine klare Machtvertikale und Alexander Sachartschenko war ihr Führer. Diese absolute Führung wurde vielleicht von Igor Besler bedroht, der Horliwka kontrollierte. Allerdings wurde Besler am 1. November 2014, kurz vor meiner Ankunft, entfernt“, berichtete der Journalist.

„In der LVR hingegen gab es von Anfang an keine Einheit“, betonte Sautreuil. Das Territorium im Gebiet von Luhansk war zwischen unabhängig bewaffneten Gruppen aufgeteilt, die Plotnizkij, den Walerij Bolotow am 14. August 2014 ernannte, mehr oder weniger freundlich gesinnt waren. „Das Problem bestand darin, dass Plotnizkij zunächst nicht nur nicht das gesamte Territorium der LVR kontrollierte, sondern auch Mühe bei der Kontrolle von Luhansk hatte“, präzisierte der Journalist. „Unter anderem befand sich außer der „Volksmiliz der LVR“ auch die gegründete Basis des Bataillons „Sarja“ („Morgenröte“) von Plotnizkij in Luhansk, sowie gleichzeitig ein weiteres Bataillon von „Batman“ (Alexander Bednow), der in Opposition zu Plotnizkij stand.

Außerdem opponierten gegen die LVR-Führung noch die Kosaken und die Brigade „Prisrak“ („Gespenst“) von Mosgowoj. Sie stellten einen von der LVR und DVR unabhängigen „Korridor“ oder „Gürtel“ dar – von Perwomajsk bis Swerdlowsk (von der Frontlinie der ukrainischen Armee bis zur russischen Grenze). Mosgowoj nannte Plotnizkij einen „Verräter“, und Pawel Dremow entschied, eine Volksrepublik der Kosaken in Stachanow zu gründen – also einen „Staat im Staat im Staat“.

Nach Meinung von Pierre Sautreuil gibt es drei Hauptgründe für die Feindschaft zwischen Plotnizkij und den anderen lokalen Führern. Zum einen ihre unterschiedliche Auffassung von „Noworossija“ („Neurussland“). Die „unabhängigen“ Führer waren gegen die Minsker Vereinbarungen und für ein „Groß-Noworossija“, während Plotnizkij eher auf Befehle aus Moskau hörte – unter anderem auch in Bezug auf die Entwicklung des Projekts „Noworossija“ und die Konzentration der Aufmerksamkeit auf Donezk und Luhansk. Zum anderen wirtschaftliche Interessen. Jede Gruppe kontrollierte verschiedene Verkehrsadern, Märkte und Wirtschaftzweige. Jeder argumentierte für seine eigene „Revolutionssteuer“. Zum dritten waren die verschiedenen Gruppen für unterschiedliche Ideen aus Moskau. Die Kosaken, Batman und Mosgowoj stützten sich auf das Netz von Strelkow und unterstützten die Idee eines „Groß-Noworossija“ von Donezk bis Odessa; Plotnizkij war seinerseits eher für die russischen Geheimdienste.

Mit den „Wahlen“ im November 2014 sollte die Macht von Plotnizkij in der LVR legitimiert werden. Aber viele „Kandidaten“, wie Batman, konnten sich gar nicht registrieren. Und nach den Wahlen gab es in der LVR eine Mord- und Verhaftungsserie, sowie Entwaffnungen, deren Ziel es war, das Machtmonopol in die Hände von Plotnizkij zu legen.

  1. November 2014 – Ermordung von Wjatscheslaw Pischanin, Kosakenführer von Antrazyt;
  2. Januar 2015 – Ermordung von Batman;
  3. Januar – Entwaffnung und Inhaftierung der Brigade „Odessa“ (Krasnodon);
  4. Januar – Ermordung von Jewgenij Ischtschenko (Kosakenführer aus Perwomajsk);
  5. März – Inhaftierung von Sergej Kossogor (Kosakenführer aus Krasnyj Lutsch);
  6. Mai – Ermordung von Alexej Mosgowoj (Altschewsk);
  7. Mai – Flucht von Alexander Gajdej (Kosakenführer aus Swerdlowsk) nach Russland;
  8. Juli – Entwaffnung des Bataillons von Sergej Motonacha (Kosakenführer aus Rowenky).

„Ich interessierte mich besonders für den Fall von Batman, da mich die Untersuchung seines Mordes auf die Spur illegaler Verkäufe der russischen Hilfskonvois in die LVR brachte, sowie dass ein Teil des Geldes zurück in die Taschen von Beamten im russischen Notfallministerium floss“, präzisierte Sautreuil. Der Artikel „Wer brachte den Kommandanten Batman um?“ ist auf der Website von UCMC auf englisch veröffentlicht.

„Wahrscheinlich sind die russischen Hilfskonvois ein riesiges russisches Propagandainstrument, das in Wirklichkeit darauf abzielt, das skandalöses System der persönlichen Bereicherung zu verbergen. Jemand verdient Millionen an den Opfern dieses Krieges“, fasste der Journalist zusammen.