Die “DVR” nutzt Ruhephasen, um eine eigene „Staatlichkeit“ aufzubauen – Paul Gogo, französischer Journalist

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Kiew, 21. August 2015 – „In ukrainischen Medien gibt es sehr viele Meldungen über den Krieg im Donbass und über die Situation an der Front. Gleichzeitig wird allerdings der Alltag in der „DVR“ ausgeblendet und die Tatsache, dass dieser Bereich im Gebiet von Donezk in eine neue Phase übergeht: sie wünschen sich sehr, einen eigenen Staat zu schaffen“, berichtete Paul Gogo, französischer Journalist bei „Libération“, während einer Pressekonferenz im Ukrainischen Crisis Media Center. Paul Gogo beleuchtete seit 2014 die Ereignisse im Donbass und lebte für längere Zeit in Donezk.

Nach Meinung des Journalisten veränderte sich das Leben in Donezk seit Beginn der Ereignisse sehr stark. „In Donezk kann man leere Straßen und geschlossene Geschäfte sehen. Die meisten Rechnungen werden in Rubel gezahlt und die Preise sind merklich gestiegen. Andererseits gibt es in der Stadt immer noch viele Leute, die genug Geld haben, um ein normales Leben zu führen. Auf dem Puschkin-Boulevard und in den Parks sind viele Leute mit Kindern“, berichtete der Journalist.

Paul Gogo ist davon überzeugt, dass die Minsker Vereinbarungen Menschenleben retten, aber sie geben der „DVR“ auch die Möglichkeit, sich zu entwickeln. „Die Zeit arbeitet gegen die Ukraine. Die Ukraine hält an den Minsker Vereinbarungen und der Waffenruhe fest und das ist auch gut so, denn wenn der Waffenstillstand gebrochen wird, leiden hauptsächlich Zivilisten. Die Mehrheit der Opfer in diesem Krieg sind friedliche Menschen“, erklärte Paul Gogo. „Aber andererseits, wenn es keine Kriegshandlungen gibt, verliert die Ukraine den Donbass und den Krieg, denn während des Waffenstillstands nutzt die „DVR“ die Zeit, um einen eigenen Staat aufzubauen.“

„Wenn geschossen wird, ist es den meisten Leuten egal, ob sie zur Ukraine zurückkehren oder sich Russland anschließen. Sie wollen nur Frieden“, erklärte Paul Gogo. Gleichzeitig nutzen die Separatisten die Ruhepausen an der Front, um bei den Leuten Liebe und Ergebenheit zur „DVR“ zu entwickeln. Zu diesem Zweck gibt es Gesellschaftsorganisationen, Kulturveranstaltungen, Fußball- und Basketballspiele, Pressekonferenzen usw. „Einmal wurde ich sogar zu einer Dichtertagung über antiamerikanische Poesie eingeladen. Zweck dieser Veranstaltung war, die in einem Park stattfand, Gedichte gegen die USA zu sammeln und zu schreiben“, nannte der Journalist ein Beispiel.

Laut seinen Beobachtungen ist es für ausländische Journalisten und OSZE-Vertreter insgesamt schwierig, in der „DVR“ zu arbeiten. „Die Separatisten prüfen heute, was ausländische Journalisten schreiben, die eine Akkreditierung für die Arbeit in der „DVR“ haben. Immer häufiger wird ihnen die Akkreditierung entzogen und es werden neue Hürden geschaffen“, präzisierte der Journalist. „Was die OSZE betrifft, nehmen in letzter Zeit auch die Provokationen gegen sie zu. Dadurch wird die „DVR“ immer mehr von der Außenwelt getrennt. Allerdings, wenn ausländische Journalisten und die OSZE die Region komplett verlassen, verlieren alle – sowohl die Ukraine, als auch die Bewohner des Donbass“, betonte der Journalist.

Als Paul Gogo auf die Frage über konkrete Anzeichen für eine eigene Staatlichkeit in der „DVR“ antwortete, erklärte er, dass es erste Bürokratie gibt. Nach seiner Meinung kopiert die „Staatlichkeit“ der „DVR“ das russische Modell vollständig. „In Donezk gibt es alle möglichen Ministerien. Die Kindergärten, Schulen und Universitäten arbeiten. Ich traf mich einmal mit einer Mitarbeiterin der Universität, die vorher nie russische Ansichten vertrat. Sie behauptete, dass ihr Lohn jetzt höher sei als der in der Zeit der Ukraine“, berichtete der Journalist.

„Ihr Ziel ist, eine Pseudostaatlichkeit zu imitieren. Die „DVR“ ist kein Staat, aber tut alles, um so zu erscheinen, damit die Lokalbewohner sie als Staat wahrnehmen“, fasste er zusammen.