Die Welt entwickelt sich und es wird nicht wie früher, aber die Leute wollen das nicht verstehen, sondern in der bequemen Welt der sowjetischen Vergangenheit bleiben

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Kiew, 2. Februar 2016 – Auf dem Gelände der Stiftung ISOLAZIJA wird die Ausstellung „Wiederherstellung der Erinnerung“ eröffnet – ein Kunstprojekt, das geflüchtete Kuratoren von der Krim und aus dem Donbass organisierten.

„Wir entschieden, diese Ausstellung zu machen, die ein Versuch ist, die Wiederherstellung der Kontinuität im historischen Prozess abzubilden, sowie die Wiederherstellung der Beziehungen zu den besetzten Gebieten, den Familienarchiven und den Reliquien“, sagte Anna Medwedjewa, die Direktorin für Kommunikation bei der Stiftung ISOLAZIJA, während einer Pressekonferenz im Ukrainischen Crisis Media Center.

„Wir wollten kein persönliches Projekt machen, sondern Künstler aus dem Donbass und von der Krim zusammenbringen. Wir wollten, dass sich viele beteiligen, denn es gibt gemeinsame Wunden und es ist logisch, dass sich jeder aussprechen und seine Sicht darstellen kann“, sagte Andrij Dostlew, ein Kurator der Ausstellung.

Das Gelände der Stiftung ISOLAZIJA wurde nicht ohne Grund gewählt, denn die Stiftung ist selbst aus Donezk geflohen. Heute befindet sich in den Räumlichkeiten in Donezk ein Waffen- und Lebensmittellager für die Milizen, sowie ein Gefängnis.

Das Projekt „Okkupation“ von Andrij Dostlew geht um die „Okkupation von fremden Geschichten und Fotographien“.

„Ich restaurierte ein Foto aus meinem Familienarchiv so, wie ich mich daran erinnerte, aber aus fremden Familienfotos, die ich auf dem Flohmarkt kaufte. Ich schnitt sie zurecht, klebte sie zusammen und zeichnete darauf, so, dass sie dem Foto aus meinem Album ähnlich wurden“, erzählte er. „Diese Methode ist fast die gleiche wie die Okkupation: ich „okkupiere“ fremde Erinnerungen, fremde Geschichten, mische mich frech in sie ein, zerschneide sie und klebe sie zusammen. Es ist mit dem vergleichbar, was in Donezk, in Luhansk und auf der Krim passiert.“

Die krimtatarische Künstlerin Emine Sijatdinowa stellt bei der Ausstellung ihr Projekt „Haus“ vor.

„Das Projekt geht um meine Familie – meine Großmutter, meine Mutter, mich und die Krimtataren. Es geht darum, dass das kollektive Gedächtnis nicht mit den eigenen Erinnerungen übereinstimmt und dass heute der öffentliche Diskurs auf der Krim nicht mit der persönlichen Wahrnehmung der Ereignisse auf der Krim zusammen passt“, sagte Emine Sijatdinowa.

Zum Beispiel wusste ihre Großmutter bis zur Perestrojka nichts über die Deportationen. Die Urgroßmutter von Emine Sijatdinowa entschloss sich, aus Sicherheitsgründen nicht über dieses Thema zu sprechen. Entsprechend sah sich die Großmutter von Emine unter dem Einfluss der Schule und der Gesellschaft als „Sowjetmensch“. Erst nachdem die Wahrheit ans Licht kam, nach ihrer Rückkehr auf die Krim, begann eine neue Interpretation. Für Emine war die Wahrheit über die Geschichte ihres Volkes hingegen ein Teil ihrer Identität.

Im Zentrum des Kunstprojekts von „Krolikowski Art“, von Oleksander und Oleksandra Krolikowski, steht die „Rekonstruktion der Rekonstruktion“. Als das Chaos im Osten der Ukraine begann, gelang es den Künstlern nicht sofort, ihre Archive mitzunehmen. Erst einige Zeit später kehrten sie wieder nach Hause zurück.

„All unsere Archive, kilometerlange Filme, waren zerstört. Das war noch zu der Zeit, im Frühling 2014, als die Donezker Gebietsverwaltung eingenommen wurde und wir damit begannen, Fotos zu machen und solche Fotos zu rekonstruieren, die wir in der Kindheit, Jugend und später aufnahmen. Aus diesem Material machten wir die Installation“, sagte Oleksandr Krolikowski.

Das Projekt geht viel tiefer, als nur ein verlorenes Andenken wieder herzustellen. Die Künstler setzen sich mit der Reflexion über die besondere Beziehung zur Kultur im Donbass auseinander, sowie damit, wie sich die Identität der Einwohner in dieser Region bildet, bzw. welchen Einfluss das Fehlen einer Identität hat und wie man darauf einwirken kann, dass diese bestehenden Widersprüche gerade in dieser Region, die durch Propaganda aufgestachelt wurden, zu einem bewaffneten Konflikt werden konnten.

„Die heutige Situation ist nicht nur eine politische Krise. Es ist auch eine kulturelle Krise, die sich aus der Beziehung zur Kultur, sowie zur politischen und wirtschaftlichen Situation bildete“, davon ist Oleksandr Krolikowski überzeugt. „So kam es, dass in den besetzten Gebieten Menschen dafür starben, um wieder die Vergangenheit zum Leben zu erwecken. Aber die Welt entwickelt sich und es wird nicht wie früher. Doch die Leute wollen das nicht verstehen, sondern in der bequemen Welt der sowjetischen Vergangenheit bleiben. Aber in dieser Vergangenheit war Kultur nicht mehr als Unterhaltung“, sagte der Künstler. „Die Leute verstehen nicht, dass Kultur heute der Hauptmotor für Veränderungen ist und dass Informationen den höchsten Wert darstellen.“

Die Ausstellung ist vom 4. Februar bis 4. März täglich von 12 bis 20 Uhr auf dem Gelände der Stiftung ISOLAZIJA geöffnet (Kiew, Nabereschno Lugowa Straße 8). Parallel finden verschiedene Diskussionen und Fortbildungsprogramme statt.