Die Situation mit der Krim ist eine Probe für das krimtatarische Volk und für die gesamte Weltgemeinschaft – Refat Tschubarow

WATCH IN ENGLISH

Kiew, 26. Februar 2016 – „Die heutige Krim ist für mich eine Bestätigung, dass ihre Gesamtentwicklung innerhalb der 23 Jahre der unmittelbaren ukrainischen Souveränität über dieses Gebiet in eine „Sackgasse“ geriet […]. Daraus muss man nun eine Lehre ziehen, wie die Krim sein wird: von ihrem Status und bis hin zu allen Rechtsmechanismen, die Verhältnisse, Leben, Entwicklung, Garantien für alle Bewohner der Halbinsel regeln werden, – das ist nun unsere Aufgabe“ – erklärte Refat Tschubarow, der Parlamentsabgeordnete, der Vorsitzende der Medschlis der Krimtataren, während der Diskussion im Ukrainischen Crisis Media Center. Die Situation mit der Krim ist ein Test für das krimtatarische Volk und für die gesamte Weltgemeinschaft, meinte er. Die Krimtataren haben das Recht auf Selbstbestimmung, eigene Zukunft ohne Druck zu wählen. Dies bedeutet nicht, dass die Rechte anderer Völker verletzt werden. Refat Tschubarow rief dazu auf, Kräfte zu bündeln und bereits vor der Deokkupation der Krim Initiativen festzulegen, wie die Rechte sowie Selbstbestimmung des indigen Volkes zu schützen sind. „Die Selbstbestimmung des krimtatarischen Volkes soll als nationale territoriale Autonomie zur Geltung kommen. Andere Maßnahmen bieten die Festlegung der Instrumente“ – erklärte Refat Tschubarow. Dabei wies er auf die Einhaltung des Rechtsgleichheitsprinzips hin.

Die Frage über den Status der Krim muss bereits vor derer Befreiung gelöst werden, betonte Bohdan Jaremenko, Diplomat, Leiter von „Maidan für auswärtige Angelegenheiten“. „Wenn unsere Truppen und Verwaltungsbehörden auf die Krim zurückkehren, müssen wir den Bewohnern der Krim, anderen Gebieten der Ukraine sowie Weltgemeinschaft klare Signale geben, welchen Status dieser Region und welche Rechte ihre Bewohner haben“ – betonte Bohdan Jaremenko. „Es ist offensichtlich, wenn wir den Status einer krimtatarischen Autonomie gewähren, antworten wir gleichzeitig auf zwei Fragen“. Die Bewohner werden das Signal bekommen, dass ihre Rechte nicht eingeschränkt werden und dass die Krim nicht zur russischen Autonomie wird. Der Diplomat bezweifelt gar nicht, dass die Krim in die Ukraine zurückkehren wird. „Die Krim gehört uns nach dem Recht. Das heißt, wenn wir Kräfte haben werden, dann werden wir sie mit diesen Kräften zurückholen, und alles wird wieder gut“ – fügte Bohdan Jaremenko bei. Er wies darauf hin, dass die russische Okkupationsverwaltung auf der Krim neue Methoden ausfeilt, wie das gesellschaftliche Bewusstsein zu kontrollieren, die Illoyalen zu beeinflussen und zu neutralisieren. Die russischen Behörden brauchen dies aus zwei Gründen. Sie wollen die Krim als einen starken Militärstützpunkt weiter ausbauen. Dies hat eine strategische Bedeutung, weil Kreml die Krim ausnutzen kann, um Luftabwehrsystems der USA zu überwinden, glaubt Herr Jaremenko. „Die russischen Truppen werden bald auf der Krim ca. 100.000-120.000 zählen, und das ist eine riesige Zahl. Am solchen Militärstützpunkt, mit allen Truppengattungen, einschließlich der nuklearen Waffe, ist die illoyale Bevölkerung eine Gefahr“ – erklärte Bohdan Jaremenko. Daher wird die konsolidierte „krimtatarische Bevölkerung der Krim, die zu Wiederstand fähig ist, aus der Halbinsel verdrängt“. Jetzt werden auf der Krim die globalen Technologien für Bewusstseinskontrolle, Einschüchterung sowie Bevölkerungsbeeinflussung ausgeübt, die in anderen Gebieten Russlands später eingesetzt werden.

Oliver Loode , Vize-Präsident des Ständigen Forums für indigene Angelegenheiten der Vereinten Nationen, wies auf die Wichtigkeit der Entschließung des europäischen Parlaments  hinsichtlich der Lage der Menschenrechte auf der Krim, insbesondere in Bezug auf die Krimtataren, die Europarlament am 4. Februar 2016 annahm. Unter anderem erkennt die Resolution an, dass die Krimtataren ein indigenes Volk sind – mit entsprechenden Freiheiten und Rechten, insbesondere auf die Selbstbestimmung. Dabei deutete der Vize-Präsident des Ständigen Forums für indigene Angelegenheiten der Vereinten Nationen darauf hin, dass die Rechte der indigenen Völker gegen die territoriale Integrität der UNO-Mitgliedstaaten nicht verstoßen können. „Das sind Garantien gegenüber der Ukraine, dass die Umsetzung der Rechte der Krimtataren, eines indigenen Volkes, kein separatistisches Charakter aufweisen kann“ – und dies dementiert die möglichen Vorwürfe, dass der Autonomiewunsch den Hauch vom Separatismus hat. Darüber hinaus warnte Oliver Loode als Vize-Präsident des Ständigen Forums für indigene Angelegenheiten der Vereinten Nationen Russland davor, dass das mögliche Verbot der Tätigkeit von Medschlis, des Vertretungsinstituts des indigenen Volkes, „gegen die kollektiven Rechte des krimtatarischen Volkes als indigenen Volkes der Krim grob verstößt“. „Werden die Okkupationsbehörden die Tätigkeit von Medschlis verbieten, werten wir dies als einen direkten Angriff auf das krimtatarische Volk als indigenes Volk […] und indirekt auf alle indigen Völker der Welt“ – betonte Olivier Loode.

Natalja Belizer, Expertin des Pylyp-Orlyk-Instituts, rief die Parlamentsabgeordneten auf, den Anerkennungsprozess des krimtatarischen Volkes als indigenes Volk der Krim zu beschleunigen. Die Expertin lies aber auch zu, dass es zu Problemen kommen kann, die Rechte der Krimtataren als indigenen Volkes in Verfassung zu verankern. „In dem bereits finalisierten zweiten Abschnitt der neuen Verfassung „Menschenrechte“ sind weder Rechte nationaler Minderheiten, noch indigener Völker erwähnt – im Unterschied zur nationalen Strategie der Menschenrechte“, meinte Natalja Belizer.

Heorhij Lohwynskyj, der Parlamentsabgeordnete, vertrat die Meinung, dass wir einen wirksamen Mechanismus entwickeln müssen, wie etwa Parlament des krimtatarischen Volkes, Ombudsmann und Staatsanwalt. „Diese Menschen müssen Garantien seitens des Staates erhalten“ – erklärte Lohwynskyj. Bis hin zur Tatsache, dass die für die Krimfragen zuständigen Personen entsprechende staatliche und diplomatische Immunität bekommen. Insgesamt wurde die Krim im globalen politischen Spiel ausgenutzt, um die Ukraine zu zerstören, so Lohwynskyj. Denn es gab praktisch keine Beispiele seit dem Zweitem Weltkrieg, als das besetzte Gebiet an den Nachbarstaat angeschlossen wurde. Das ist ein ernsthafter Schritt, so der Abgeordnete. „Die Russische Föderation nutzt heute die Krim aus, um die Ukraine einzuschüchtern. Aber es gab kein Beispiel, als ein Großteil der Bevölkerung aufstand und sagte: „wir sind jetzt gegen die Regierung, wir sind für die Wahrheit […]. Es ist wichtig, dass dieser totalitäre Staat (Russland) die Krimtataren nicht erschüttern kann“ – betonte der Parlamentsabgeordnete. Die Ukraine soll verhindern, dass die Weltgemeinschaft dieses Gebiet als eingefrorenen Konflikt anerkennt. „Wir haben keinen eingefrorenen, sondern einen aktiven Konflikt und Teil unserer Heimat wurde okkupiert“ – betonte er.

Mykola Knjazhytskyj, der Parlamentsabgeordnete, wies darauf hin, „wenn wir uns als Ukrainer respektieren, müssen wir auch die Krimtataren respektieren“. Um einen starken Staat aufzubauen, muss man eine starke Kultur haben, ist er davon überzeugt. Daher muss die Ukraine die krimtatarische Kultur und Sprache unterstützen und zum Zentrum derer vollständigen Wiederauflebens werden, so Mykola Knjazhytskyj.