Wochenübersicht der ukrainischen Pressenachrichten vom 31. Mai bis 6. Juni 2016

Die Situation in der Zone der Anti-Terror-Operation

In der vergangenen Woche war in der Ostukraine die Lage am schwierigsten bei Donezk (Awdijiwka). Infolge von Kampfhandlungen wurden drei ukrainische Soldaten getötet und 34 weitere verletzt. Insgesamt wurden die ukrainischen Streitkräfte 278 Mal beschossen.

Im Frontabschnitt von Donezk wurden die ukrainischen Checkpoints bei Awdijiwka, Opytne, Pisky, Majorske, Myroniwske, Luhanske mit schweren Maschinengewehren, Granatwerfern und Mörsern verschiedenen Kalibers beschossen. Im Frontabschnitt von Mariupol wurden die ukrainischen Streitkräfte bei Marijinka, Krasnohoriwka, Nowotroizke, Schyrokine, Lebedynske beschossen. Die prorussischen Militärverbände setzten weiter schwere Waffen mit einem Kaliber von 82 und 120 Millimetern ein.

Jüngst wurde eine Drohne der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) abgeschossen. Kurz davor hatte die Drohne ein Flugabwehrraketensystem vom Typ SA-8 Gecko (Russ. “OSA”, mit einem Kaliber von 210 Millimetern) und ein Artilleriesystem vom Typ SU-23 aufgenommen. Die OSZE-Sonderbeobachtungsmission veröffentlichte die Bilder der Waffen (Bericht der OSZE-SMM auf Englisch).

Russland verstärkte wieder die Kriegshandlungen im Donbass in den operativen Sektoren Donezk, Mariupol und im Frontbereich bei Wolnowacha. Dabei erlitten die (pro-) russischen Militärangehörigen in den Reihen des 1. Armeekorps der Invasionskräfte erhebliche Verluste. Im Mai lagen sie insgesamt bei 180 Toten und 190 Verwundeten (davon sind 80 Tote und 70 Verwundete russische Staatsbürger) Bericht der Militäraufklärung auf Deutsch.

Politische Stellungnahmen

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat erklärt, dass dieses Jahr so gut wie kein Fortschritt bei der Regelung der Situation im Donbass erzielt worden sei. Im Gegenteil, die Lage verschärfe sich.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat die Bedingungen der Ukraine strikt abgelehnt, wonach im Donbass erst Sicherheit herrschen muss, bevor lokale Wahlen in der ATO-Zone abgehalten werden können. “Jetzt ist die Sicherheit plötzlich das wichtigste Themen für Poroschenko, und nicht nur die Waffenruhe, sondern auch die Gewährleistung irgendwelcher Sicherheitskräfte für das gesamte Territorium des Donbass. Ich sage: Das wird der Donbass niemals akzeptieren“, erklärte Lawrow.

OSZE-Polizeimission und Wahlen im Donbass

Russland ist laut dem russischen Außenminister Sergej Lawrow nicht bereit, einer Stationierung von OSZE-Beobachtern an der russisch-ukrainischen Grenze zuzustimmen, solange in der ukrainischen Verfassung kein Sonderstatus für den Donbass festgeschrieben ist. “Die Ukrainer wollen das ständig, aber wir haben ihnen wiederholt gesagt, solange es kein Amnestiegesetz und keinen Sonderstatus gibt, der diesen Gebieten wirklich zusätzliche Rechte garantiert, und solange diese Rechte nicht in der Verfassung der Ukraine auf Dauer festgeschrieben sind, kann mit keinen (OSZE-Beobachtern an der russisch-ukrainischen Grenze) gerechnet werden”, so Lawrow.

Im Gegenzug erklärte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko, Wahlen in den besetzten Gebieten des Donbass würden erst nach der Stationierung einer bewaffneten OSZE-Polizeimission möglich sein, was Sicherheit gewährleisten würde. Laut Poroschenko besteht die Sicherheitskomponente nicht nur darin, dass nicht mehr geschossen wird. Das sei nicht genug. “An der Kontaktlinie müssen effektive Beobachtungsposten eingerichtet werden, die Sicherheit garantieren würden. Zugleich müssen entsprechende Posten internationaler Kräfte aufgebaut werden, die sich an den so genannten Standorten der Waffenlager befinden müssen. Außerdem müssen entsprechende Posten am nicht kontrollierten Abschnitt der ukrainischen-russischen Grenze aufgebaut werden”, sagte der Präsident.

Die besetzte Krim

In der von Russland besetzten Krim werden die Krimtataren unterdrückt. Das geht aus dem 14. UN-Bericht über die Menschenrechte in der Ukraine hervor. Anti-Extremismus- und Anti-Terror-Gesetze werden ausgenutzt, um nicht kriminelles Verhalten zu kriminalisieren und abweichende Meinungen zu ersticken. Die Justiz- und Strafverfolgungsbehörden werden instrumentalisiert, um Opposition zu unterdrücken. Am schwersten betroffen sind die Krimtataren. Deren Vertretungsorgan, der Medschlis, wurde verboten.

Menschenrechte: Marsch der Gleichheit in Kiew

Vom 6. bis 13. Juni 2016 findet in Kiew das fünfte internationale LGBT-Forum „Kiew Pride 2016“ statt. Das Motto des Forums ist: „Die Sicherheit der Menschen führt zur Entwicklung des Landes“. Im Programm sind zirka 20 Aufklärungs- und Diskussionsveranstaltungen vorgesehen. Unter anderem soll am 12. Juni der traditionelle „Marsch der Gleichheit“ stattfinden – ein friedlicher Marsch zur Unterstützung der Idee über die persönliche und öffentliche Sicherheit, der Menschenrechte und gegen Diskriminierung.

Mehrere ultrarechte Kräfte kündigten bereits an, die Veranstaltung zu stören. Der Pressesprecher des „Rechten Sektors“, Artem Skoropadskij, versprach bei Facebook, den Marsch in ein „Blutbad“ zu verwandeln – das heißt, er drohte mit physischer Gewalt.

Gleichzeitig erhielt die E-Petition zum Verbot des Forums „Kiew Pride 2016“ und des „Marsches der Gleichheit“ die notwendigen 10.000 Unterschriften. Die Petition, die auf der Website des Kiewer Stadtrats veröffentlicht ist, wird nun von den Kiewer Behörden geprüft.

In der Gesellschaft entfaltete sich hingegen eine Auseinandersetzung: viele Vertreter der Zivilgesellschaft sind für die Durchführung des Marsches und treten für das Versammlungsrecht ein, wie es in der Verfassung verankert ist. Es wird erwartet, dass in diesem Jahr mehr Menschen an dem „Marsch der Gleichheit“ teilnehmen als im Vorjahr. Im vergangenen Jahr war der Marsch von Zusammenstößen begleitet, wodurch zehn Personen verletzt wurden.

Die Polizei will die Rechte der Bürger zum „Marsch der Gleichheit“ in Kiew schützen, doch jeder ist berechtigt, seine Meinung zu äußern. Dies erklärte die Chefin der Nationalpolizei, Chatija Dekanoidze.

Am 4. Juni fand in Kiew der „Marsch zum Schutz des Lebens und der Familie“ statt, an dem zirka 100 Personen und Vertreter von religiösen Konfessionen teilnahmen. Sie forderten dabei, „die Familie als Bund zwischen Mann und Frau“ in der ukrainischen Verfassung zu verankern. Manche Teilnehmer fürchteten sich davor, dass ein Beitritt der Ukraine zur EU „den traditionellen Werten“ schaden könne.

„Mirotworez“: Abschluss der Geschichte

„Wir rufen alle dazu auf, die bei „Mirotworez“ verantwortlich sind, die privaten Daten von der Website zu löschen und sich von Provokationen zu distanzieren“, heißt es in einer Erklärung der G7-Staaten, die auf der Website der britischen Botschaft veröffentlicht wurde. „Alle aufgezählten Journalisten erwecken den Eindruck, als hätten sie mit den Terroristen kollaboriert, was ihre eigene Sicherheit bedroht, sowie die ukrainische Pressefreiheit, die teuer erworben wurde. Die Journalisten sollen die Möglichkeit haben, ihre Arbeit ohne Gefahr, Druck und Einschüchterung auszuüben. Dies ist auch im Interesse der Ukraine lebenswichtig, damit die Journalisten die Möglichkeit haben, über die Ereignisse im Donbass und sonst wo im Land zu berichten“, heißt es in dem Appell der G7-Staaten.

„Ich hoffe, dass nach den Ermittlungen über das Leck und die Veröffentlichung der persönlichen Daten von Journalisten auf der Website „Mirotworez“ die Verantwortlichen bestraft werden“, heißt es in einer Erklärung der Vertreterin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa für die Freiheit der Massenmedien, Dunja Mijatowitsch.

Hromadske prüfte Informationen, wonach es bisher keine Angaben darüber gibt, dass gegenüber den Journalisten Gewalt angewandt wurde, deren Namen auf der Website von „Mirotworez“ veröffentlicht wurden. Gleichzeitig gaben viele dieser Journalisten an, dass sie öffentliche Drohungen an ihre Adressen und in sozialen Netzen erhielten, sowie anonyme Anrufe mit Drohungen. Außerdem stellte das Institut für Massenmedien in seinem letzten Bericht eine zunehmende Anzahl an Überfällen und Angriffen auf Journalisten in der Ukraine fest – 7 Fälle im Mai (im April 4; im März 2; im Februar 1; im Januar 4).

Umfrage

Ende Mai 2016 hat das russische Lewada-Zentrum eine Umfrage durchgeführt, um herauszufinden, wie die Russen zur Freilassung von Nadija Sawtschenko stehen. 44 Prozent sehen den Austausch von Sawtschenko gegen zwei russische GRU-Angehörige positiv, 37 Prozent negativ, 20 Prozent haben nichts davon gehört und neun Prozent konnten keine Antwort geben.

Zugleich wurden die Russen befragt, wie sie zur Ukraine stehen. 39 Prozent antworteten mit gut, 47 Prozent mit schlecht und 13 Prozent mit unentschieden. Insgesamt ist die Entwicklung aber positiv, da noch wenige Wochen zuvor im Mai 2016 64 Prozent gegenüber der Ukraine negativ und 25 Prozent positiv eingestellt waren. 70 Prozent der Russen sind gegenüber den USA und 62 Prozent gegenüber der EU negativ eingestellt.

Laut einer anderen Umfrage des Lewada-Zentrums ist die Ukraine (48 Prozent) weiterhin nach den USA (72 Prozent) Russlands zweitgrößter Feind. Zum Vergleich: Nur vier Prozent der Russen betrachten Frankreich als ein feindliches Land.

Wirtschaft: Wird das IWF-Programm fortgesetzt?

Die Ukraine und der wichtigste Geldgeber des Landes, der Internationale Währungsfonds, haben sich in den wichtigsten Fragen bezüglich der zweiten Tranche einer Finanzhilfe geeinigt. Im Falle einer endgültigen Einigung kann die Ukraine die nächste Tranche des Kredits im Juli und August erhalten. Das erklärte der stellvertretenden IWF-Direktor David Lipton. Er betonte, die Ukraine müsse das heute ineffektive Rentensystem wirksam reformieren. Im Jahr 2015 hatte der IWF ein Kreditprogramm für die ukrainische Wirtschaft in Höhe von 17,5 Milliarden US-Dollar mit einer Laufzeit von vier Jahren beschlossen, bei dem die erweiterte Finanzierung (Extended Fund Facility – EFF) angewandt wird.

Der IWF wird über die nächste Tranche in Höhe von 1,7 Milliarden US-Dollar Ende Juni entscheiden, nachdem einzelne Schritte der ukrainischen Regierung und die Umsetzung der “Hausaufgaben” bewertet sind. Das erklärte der IWF-Vertreter Jerome Vacher (Meldung auf Englisch).

Die Ukraine und die USA haben ein Abkommen über Kreditgarantien in Höhe von einer Milliarde US-Dollar unterzeichnet. Mit den Mitteln sollen die empfindlichsten Bevölkerungsgruppen unterstützt werden, die unter anderem unter der Erhöhung der Gastarife leiden. Das Garantieabkommen ist Teil der bilateralen und multilateralen wirtschaftlichen Unterstützung für die Ukraine. Es schließt das Vier-Jahres-Programm des IWF ein und spiegelt die Wirtschaftsreformen ukrainischer Regierung wider.

Nachfolgend eine Auswahl an englischspachigen Interviews, Analysen und Videos zur Situation in der Ukraine

Reportage

Die freigelassene Nadija Sawtschenko spricht über ihren ersten Arbeitstag.Reportage von Ukraine Today.

Sicherheitsforum in Odessa: Hybride Antworten auf Fragen der Sicherheit im Schwarzen Meer. Reportage von Ukraine Today.

Die USA und Großbritannien organisieren ein Gipfeltreffen, um der Ukraine zu helfen, von korrupten Vertretern des Janukowytsch-Regimes gestohlene Gelder zurückzubekommen. Reportage von KyivPost.

In Kiew wurde beim vierten Anlauf das Tschekisten-Denkmal zerstört (Die Tscheka war ein Vorläufer des sowjetischen Geheimdienstes KGB). Reportage von Ukraine Today.

Mindestens 37 Soldaten wurden im Mai in der Ostukraine getötet. Reportage von KyivPost.

Interviews

Die Ernennung von Jurij Luzenko zum Generalstaatsanwalt gibt den Angehörigen der Himmlischen Hundertschaft Hoffnung. Interview von Ukraine Today mit dem Anwalt der Angehörigen der Himmlischen Hundertschaft, Markian Chalabala.

Was bedeutet die Rückkehr von Nadija Sawtschenko? – Interview von Hromadske International mit der Journalistin Iryna Slawinska.

Korruption und die Ukraine. Interview von Hromadske International mit Drew Sullivan, Redakteur von OCCRP.

Bestechungsgelder in der “Partei der Regionen”. Interview von Hromadske International mit Ihor Roskladaj, Medienexperte beim Institut für Medienrecht.

Analyse

UN-Bericht: Keine Wahlen im Donbass bevor Sicherheitsfragen gelöst sind. Analyse von Ukraine Today.

Umfrage: Die Russen sehen in der Ukraine nach den USA ihren Feind Nummer zwei. Analyse von KyivPost.

UNICEF-Bericht: 500.000 Kinder sind Opfer des Konflikts im Donbass. Analyse von Ukraine Today.

Neue Gesichter der Staatsmacht

Kühne Pläne zum Wiederaufbau der ukrainischen Wirtschaft. Interview von KyivPost mit der stellvertretenden Ministerin für Wirtschaft, Julia Kowaliw.