Der geheimste politische Gefangene des Kreml

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Er kündigte keinen Hungerstreik an, kein Nobelpreisträger unterschrieb einen offenen Brief für seine Freilassung und keine politische Partei machte ihn zur Nummer eins. Trotzdem unterscheidet er sich in keinster Weise von anderen Ukrainern, die in Russland in Gefangenschaft sitzen. Sein Name: Valentin Wygowskij.

Der gewöhnliche Ablauf

Am 17. September 2014 fuhr der Kiewer und Maidan-Aktivist Valentin Wygowskij auf die okkupierte Krim zu einer Flugshow. Er hatte seine Rückfahrt gebucht und seinen Eltern nicht gesagt, wohin er fährt. So reiste er aus der Hauptstadt, wo er seine Frau und seinen fünfjährigen Sohn zurückließ. Die Verbindung zu ihm brach schnell ab. Wie sich später herausstellte, wurde Wygowskij von den sogenannten Selbstverteidigungskräften der Krim festgenommen. Begründung: Kiewer Adresse.

In Moskau kam er dann in Isolationshaft und wurde gefoltert, weil er sich weigerte, für Russland zu arbeiten. Wygowskij wurde aus der Stadt in den Wald gebracht und vor ein frisch ausgehobenes Grab gestellt. Man schoss mit Schreckschusswaffen auf ihn. All das brachte nichts, aber er wurde der Spionage beschuldigt. Der Ukrainer blieb 15 Monate in Untersuchungshaft.

Vor Gericht wurde im Fall Wygowskij weder ein Konsul, noch ein Journalist zugelassen. Die Verhandlung war wegen „Spionageanklage“ geschlossen. Während der gesamten Haftdauer wurde nur seiner Mutter erlaubt, den Ukrainer im Untersuchungsgefängnis zu besuchen. Dies auch nur unter Beobachtung.

Seine Mutter konnte Folterspuren sehen, sowie blaue Flecken am Körper. Aber seine Aussagen blieben unverändert. Wygowskij wurde zu 11 Jahren Freiheitsentzug verurteilt und in ein Straflager im Gebiet von Kirow gebracht. Sowohl in Untersuchungshaft, als auch im Straflager, blieb er in Einzelhaft.

Warum wurde früher geschwiegen?

Sehr lange war nichts über den Fall Wygowskij bekannt. Dies erklärt sich dadurch, dass sein Name, im Unterschied zu den „Krimterroristen“ Koltschenko und Senzow, oder zu dem Krimtataren Tschijgoz, kaum bekannt ist. Der Fall lief unter dem Stempel „Streng geheim“, weshalb in russischen Medien nichts darüber berichtet wurde. Seinerseits hofften die Eltern von Wygowskij, sowie seine Frau, auf eine schnelle Lösung. Deshalb sagten sie der breiten Öffentlichkeit zirka ein Jahr nichts über den Fall. Letztlich bat der geheimste ukrainische Gefangene darum.

Das weitere Schicksal des Ukrainers

Heute, nach zwei Jahren, verging zu viel Zeit, um eine Möglichkeit zu haben, etwas durch das Europäische Gericht für Menschenrechte zu beweisen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Valentin Wygowskij aus russischer Gefangenschaft frei kommt, ist sehr gering. Darüber sprach der Anwalt Ilja Nowikow während einer Pressekonferenz im Ukraine Crisis Media Center.

„Leider muss ich sagen, dass wir schlechte Chancen haben, eine politische Entlassung von Valentin zu erreichen, da er sich schuldig bekannte.“

Nowikow besteht darauf, dass die einzige positive Lösung im Fall Wygowskij darin besteht, ihn auszutauschen und sich wie bei Jurij Soloschenko, Gennadij Afanasjew und Nadjeschda Sawtschenko zu einigen.

„Das Problem ist, dass bei der Gerichtsverhandlung keine Öffentlichkeit anwesend war. Trotzdem sollen die offiziellen Behördenvertreter alles tun, damit nicht nur Valentin frei kommt, sondern auch alle anderen politischen Häftlinge des Kremls“, meinte Roman Tytykalo, Anwalt und Interessenvertreter von Wygowskij in der Ukraine.

Obwohl es keinen Zugang zu den Akten in seinem Fall gibt, kann man offensichtliche Menschenrechtsverstöße ausmachen, wie die illegale Festnahme von Valentin Wygowskij auf dem Gebiet der Krim, die Prügel und Folter, sowie die Nichtzulassung offizieller ukrainischer Vertreter innerhalb von 9 Monaten.

Am 3. August wurde Valentin Wygowskij 33 Jahre alt. Sein Vater, Pjotr Wygowskij, sagte, dass es der zweite Geburtstag ist, den sein Sohn hinter Gitter verbringt.

Seit Mai 2016 befindet sich der illegal Inhaftierte Valentin in „Isolationshaft“. „Psychologisch ist dies sehr schwierig. Es ist verständlich, dass er unter diesen Bedingungen den Anschuldigungen zustimmt“, sagte Pjotr Wygowskij.

Seine Mutter, Halyna Wygowskaja, berichtete darüber, dass sich die Sehkraft ihres Sohnes im Gefängnis verschlechterte. Nachdem er die „Anerkennung“ unterzeichnete, wurde es Valentin erlaubt, seine Verwandten anzurufen. Währenddessen wächst sein Sohn in Kiew auf, den er seit fast 2 Jahren nicht mehr zu Gesicht bekam.