Wie stehen die Ukrainer zur Beteiligung von Frauen am politischen Leben des Landes? Dieser Frage ist die Frauenorganisation “Frauen-Konsortium der Ukraine” nachgegangen. Im Ukraine Crisis Media Center stellte sie die Ergebnisse einer Umfrage vor.
Kiew – In der Ukraine liegt die Beteiligung von Frauen an der politischen Entscheidungsfindung bei nur 12 Prozent, in der EU hingegen bei 23 Prozent. Um die Situation in der Ukraine zu verbessern, hat die landesweite ukrainische gesellschaftliche Organisation “Frauen-Konsortium der Ukraine” ein Projekt ins Leben gerufen, mit dem Ziel, eine politische Frauen-Lobby in der Ukraine aufzubauen. Dies berichtete während einer Pressekonferenz im Ukraine Crisis Media Center Wira Porowska, Programmleiterin der Frauenorganisation.
Das “Frauen-Konsortium der Ukraine” verfügt im ganzen Land über 15 Niederlassungen und ist Teil eines Verbundes aus 35 Organisationen, die sich mit Frauenrechten befassen. “Wir werden mit politischen Parteien zusammenarbeiten, was die Unterstützung von Frauen angeht, damit Parteien mehr Frauen auf ihre Wahllisten aufnehmen”, betonte Porowska.
Warum sind Frauen in der Politik unterrepräsentiert?
Julia Saweljewa, die beim “Frauen-Konsortium der Ukraine” die Programme zur Geschlechtergleichstellung koordiniert, sagte bei der Pressekonferenz, um herauszufinden, wie die Beteiligung von Frauen an der Politik in der Öffentlichkeit wahrgenommen werde, habe ihre Organisation 4.000 Personen im ganzen Land befragt.
Demnach sind 55 Prozent der Befragten der Meinung, dass Frauen unzureichend an der ukrainischen Politik auf nationaler Ebene, also in Parlament und Regierung, beteiligt sind. Auf lokaler Ebene sieht die Lage etwas anders aus. “Auf regionaler und städtischer Ebene, in den Dörfern und Ortschaften sind Frauen tatsächlich stärker vertreten. Je weiter vom Zentrum, desto mehr Frauen, sogar mehr als Männer”, sagte Saweljewa.
47 Prozent der Befragten meinen, Grund dafür seien klischeehafte Vorstellungen, die Frauen im Wege stehen würden. 34 Prozent glauben, dass die Frauen selbst zurückhaltend seien, und 27 Prozent sehen im Mangel an Ressourcen einen Grund für diese Lage. 37 Prozent der Männer sind überzeugt, dass Frauen selbst nicht in die Politik gehen wollen, und 23 Prozent finden, dass Politik nichts für Frauen ist. 32 Prozent der Frauen hingegen beklagen eine mangelnde Unterstützung und fehlende Ressourcen, und 50 Prozent sehen in Klischees den Hauptgrund für die geringe Beteiligung von Frauen an der Politik.
Warum eine größere Beteiligung von Frauen wichtig ist
“Wir müssen die Wahrnehmung verändern, weil gerade durch sie die Ukrainer ihre Wahl treffen. Wir müssen Brücken zu den Parteien bauen, die ihre Kandidaten aufstellen. Wir müssen mit den Gemeinden arbeiten, um Klischees zu beseitigen. Wir müssen mit Frauen arbeiten und sie mit Informationen unterstützen, damit sie sich sicherer fühlen”, erläuterte Saweljewa.
“Als eine Frau zur Leiterin der Staatlichen Verwaltung der Region Charkiw ernannt wurde, waren in den Medien Klischees zu hören – Berichte über die Haarfarbe, über ihr persönliches Leben, und nicht über ihre Fähigkeiten”, stellte die Journalistin Olha Wesnjanka im Ukraine Crisis Media Center fest. Wira Porowska unterstrich in diesem Zusammenhang: “Dabei könnte eine Beteiligung von Frauen am politischen Leben der Ukraine zu dem Faktor werden, der einen tieferen und schnelleren Wandel begünstigt.”
Im Laufe der Studie wurde deutlich, dass 57 Prozent der Befragten der These zustimmen, dass eine stärkere Beteiligung von Frauen am politischen Leben ein Zeichen für eine demokratische Entwicklung des Landes ist.
Statt Frauenquoten Arbeit mit Parteien verstärken
Um die politische Betätigung von Frauen zu erhöhen, müsse in der Öffentlichkeit ein positives Bild von Frauen als Politikerinnen geschaffen werden. Dieser Ansicht sind Julia Saweljewa zufolge 44 Prozent der Befragten. 41 Prozent halten es für wichtig, Parteien dazu zu ermuntern, Frauen auf ihre Wahllisten zu setzen.
Gleichzeitig lehnen die meisten Befragten eine gesetzliche Quote für Frauen auf Wahllisten ab. Wira Porowska machte in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass die ukrainische Gesetzgebung bereits eine Quote von 30 Prozent festlegt. Doch Frauen hätten im jetzigen Parlaments nur einen Anteil von 12 Prozent. Sie sagte, Grund dafür sei, dass es keine Haftung gebe, wenn Bedingungen und Mechanismen zur Einführung solcher Quoten nicht eingehalten würden.