Der Krieg und die Stromversorgung im Donbass

Ende April hat die Ukraine der sogenannten “Volksrepublik Luhansk” den Strom abgedreht. Grund dafür waren ausstehende Zahlungen in Höhe von fünf Milliarden Hrywnja (umgerechnet 170 Millionen Euro). Obwohl die Menschen vor Ort ihre Rechnungen beglichen, war unklar, an wen das Geld ging. Wie sieht dort jetzt die Lage aus? Und droht der “Volksrepublik Donezk” und der “Grauzone” das gleiche Schicksal? Das Ukraine Crisis Media Center hat Artikel von Radio Liberty und Donbas.Realii zusammengefasst.

Die Region Luhansk erhielt ihren Strom eigentlich vom Kraftwerk im Städtchen Schtschastja. Es liegt nahe der Front auf der von Kiew kontrollierten Seite. Bis zur Handelsblockade, die Kiew Anfang 2017 gegen die sogenannten “Volksrepubliken Donezk und Luhansk” verhängte, wurde das Kraftwerk mit Kohle versorgt, die über die Frontlinie aus den von der ukrainischen Regierung nicht kontrollierten Gebieten herbeigeschafft wurde. Der im Kraftwerk produzierte Strom floss in Gebiete auf beiden Seiten der Front.

Am 25. April drehte die Ukraine den besetzten Gebieten in der Region Luhansk den Strom ab. Doch dunkel wurde es in Luhansk nicht. Schon am Morgen des 25. April gab es wieder Strom. Dem “Katastrophenschutz-Minister der Volksrepublik Luhansk”, Sergej Iwanuschkin, zufolge waren für die Wiederherstellung der Stromversorgung nur einige Stunden nötig. Es stellte sich heraus, dass während des Krieges die “Volksrepublik Luhansk” eine neue Stromleitung nach Russland gebaut hat. Genauer gesagt wurden bereits vorhandene Stromleitungen fertiggestellt. Alles, was dafür notwendig war, war längst vorbereitet gewesen.

Wer zahlt für den in Luhansk verbrauchten Strom?

Bis zur Abschaltung Ende April lieferte die ukrainische Seite Strom in die besetzten Gebiete, doch Geld erhielt sie dafür nicht. Der Leiter des ukrainischen “Instituts für Energieforschung”, Olexandr Chartschenko, ist überzeugt, dass der ukrainische Steuerzahler für die Schulden wird aufkommen müssen.

Ihm zufolge haben die Menschen in Luhansk ihre Stromrechnungen bezahlt. Doch das Geld floss auf ein Konto eines neuen “Unternehmens”, das von den prorussischen Rebellen geschaffen wurde. Somit wurde in den von Kiew nicht kontrollierten Gebieten zwar Geld eingetrieben, aber beim ukrainischen Stromversorger kam es nicht an. Dennoch erlaubte es lange Zeit die ukrainische Regierung dem Netzbetreiber “Luhansker Energie-Verbund” nicht, den Verbrauchern den Strom abzudrehen.

Die Versorgung der von Kiew kontrollierten Gebiete

Doch es gibt noch ein interessantes Detail: Von der Stromversorgung in Gebieten der Region Luhansk, die nicht von Kiew kontrolliert werden, hängt die Stromversorgung auf der anderen Seite der Trennlinie ab, also in Gebieten, die von der ukrainischen Regierung kontrolliert werden. Ein Teil des Stroms aus dem Kraftwerk in Schtschastja fließt in die besetzten Städte und Dörfer der Region Luhansk und von dort weiter in Dörfer, die von Kiew kontrolliert werden. Es handelt sich um die Dörfer Trjochisbenka, Krjakiwka, Lobatschewe, Lopaskyne und Orichowe-Donezke. Sie wurden über das besetzte Gebiet versorgt und standen dementsprechend ohne Strom da, als Kiew der “Volksrepublik Luhansk” den Strom abdrehte.

In Trjochisbenka gab es mehrere Stunden keinen Strom. Aber die ukrainischen Energieversorger schlossen über Nacht Trjochisbenka und die umliegenden Siedlungen an das ukrainische Netz an. “In Lobatschewe und Lopaskyne wurde die Umschaltung nicht einmal bemerkt. Am schwierigsten war, Orichowe-Donzke an Trjochisbenka anzuschließen”, sagte der Leiter der Militär-Zivilverwaltung von Trjochisbenka, Witalij Welikonda.

Zahlen die Menschen in Luhansk für russischen Strom?

Für den ukrainischen Strom verlangten die Besatzungsbehörden der “Volksrepublik Luhansk” 0,7 bis 1,20 Rubel pro Kilowattstunde. In Russland liegen die Tarife zwischen drei und fünf Rubel. Eigentlich müssten die Bewohner in den von Kiew nicht kontrollierten Gebiet nur entsprechende Rechnungen erhalten. “Aber allem nach zu urteilen werden die Russen diese Strommengen als Verluste in den Leitungsnetzen abschreiben. Sie werden wohl kein Geld verlangen. Denn wenn sie in Finanzbeziehungen eintreten, wird sich gleich die Frage nach Sanktionen gegen Unternehmen stellen, die dorthin Strom liefern”, sagte Olexandr Charchenko.

Heute steht den prorussischen Rebellen der “Volksrepublik Luhansk”, die umsonst Strom aus Russland erhalten, nichts im Wege, bei den Menschen für den Strom Geld einzutreiben. Sie können es ausgeben, für was sie wollen. In Wirklichkeit hat sich der Kreml lange auf den “Blackout” vorbereitet. In die von Kiew nicht kontrollierten Gebiete wurden Generatoren gebracht und das Stromnetz entsprechend umgebaut. Es handelt sich nicht um eine neue große Leitung nach Russland, sondern nur um einige Transformatoren. Nach Einschätzungen von Experten haben die Arbeiten nur eine Woche in Anspruch genommen.

Wie ist die Lage in der “Volksrepublik Donezk”?

Der sogenannten “Volksrepublik Donezk” droht wahrscheinlich kein “Blackout”. Wie es sich herausstellt, fließt für den dorthin gelieferten Strom auch Geld an ukrainische Versorger. Aber in dem besetzten Teil der Region Donezk wird auch nicht so viel ukrainischer Strom verbraucht. Allerdings hängen einige von Kiew kontrollierte ukrainische Städte und Dörfer in der Region Donezk nach wie vor von Strom ab, der sie über Gebiete erreicht, die von der “Volksrepublik Donezk” kontrolliert werden.

Seit elf Monaten sind die Menschen in der sogenannten “Grauzone” ohne Strom- und Wasserversorgung. Die Ortschaften direkt an der Frontlinie zwischen den beiden Seiten des Konflikts liegen unter dem Beschuss von Scharfschützen. Schon ein ganzes Jahr ohne Strom sind die Dörfer Schowanka, Bachmutka und Pisky. Insgesamt leben in diesem Gebiet etwas mehr als 1000 Menschen. Es ist schwierig, die Stromversorgung dorthin wiederherzustellen. Der ukrainische Strom erreicht zunächst die besetzte Stadt Horliwka, und von dort soll er zurück in die “Grauzone” fließen. Aber die Leitungen dorthin sind zerstört. Die prorussischen Rebellen erlauben keine Reparaturen.