Fast 60 Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen fühlen sich vom Staat eingeschränkt oder behindert

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Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) prognostiziert der Ukraine für 2017 ein Wirtschaftswachstum von 2 Prozent. In den vergangenen drei Jahren führte die ukrainische Regierung verschiedene Reformen zur Vereinfachung der Geschäftsführung durch: angefangen von Deregulierungen, Verringerung der Anzahl von Prüfungen und Vereinfachung der Registrierung von Unternehmen, bis zur Abgabe der Steuererklärung. Aber fühlen die Unternehmen diese Änderungen und ist diese Entwicklung förderlich?

Das Ukraine Crisis Media Center veröffentlicht einen gekürzten Artikel von Julia Samajewa, den sie für ZN.UA schrieb.

Der Staat schafft Hindernisse für Unternehmen

Mehr als die Hälfte (58 Prozent) der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) in der Ukraine fühlen sich bei ihrer Tätigkeit eingeschränkt und behindert, wobei weitere 28 Prozent den Staat als Feind betrachten; nur 14 Prozent sehen den Staat als Partner. Praktisch der gleiche Anteil (89 Prozent) erwartet direkte oder indirekte staatliche Unterstützung. Diese Daten stammen aus der neuen Analyse des USAID Annual Business Climate Assessment (Englisch).

Gleichzeitig vertrauen die Unternehmen den Organen der lokalen Selbstverwaltung fühlbar stärker (62 Prozent) als den zentralen Machtorganen (30 Prozent der Regierung; 25 Prozent dem Präsidenten; 22 Prozent dem Parlament). Dies weist auf die hohen Erwartungen bei der Dezentralisierungsreform hin.

Probleme für Unternehmen: geringe Nachfrage, Besteuerung und Regulierungen

Geringe Nachfrage von Endverbrauchern. Das Hauptproblem der Unternehmen war 2016 die geringe Nachfrage seitens Endverbrauchern und Unternehmenspartnern. „Die fehlende Nachfrage bei den KMU ist ein weit größeres Problem als Steuern, der Verwaltungskomplex oder die politische Instabilität. Vielmehr ist die fehlende Nachfrage und geringe Kaufkraft in der Bevölkerung ein Hauptgrund, weshalb die Hälfte der befragten KMU plant, ihre Wirtschaftstätigkeit innerhalb der kommenden zwei Jahre nicht auszuweiten“, schreibt Samajewa.

Besteuerung. Als zweites wichtiges Hindernis wird die Besteuerung genannt. Die hohen Steuersätze behindern laut 35 Prozent der Befragten deren Wachstum, was um 4 Prozent mehr ist als 2015.

Regulierungen. Als weiteres weit verbreitetes Hindernis für die Entwicklung 2016 wurden Regulierungen genannt. Damit sind schnelle Änderungen der Wirtschaftsgesetzgebung und der Regulierungsdruck gemeint. Auf solche Probleme stößt fast jedes vierte befragte Unternehmen (30 Prozent der juristischen Personen und 20 Prozent von Privatpersonen). Beide Hindernisse haben um so mehr negativen Einfluss, je größer das Unternehmen ist.

Prüfungen. Gegenüber 2015 nahm der Anteil der KMU zu, die mindestens von einem Überwachungsorgan 2016 geprüft wurden: von 51 auf 68 Prozent. Auch die Anzahl der Betriebe und Unternehmer, die infolge der Prüfung Strafen zahlen mussten, nahm fast um das doppelte zu: von 34,7 auf 60,7 Prozent. Wenn man die Frequenz berücksichtigt, bleiben die Prüfungen der Steuerinspektion am problematischsten für die Unternehmen.

Langwieriger Reformprozess. Insgesamt zeigt der Bericht deutlich, dass die Unternehmer von den ständigen Änderungen müde sind. Einerseits nannte fast jedes vierte Unternehmen die häufigen Änderungen in der Gesetzgebung als Hindernis für deren Entwicklung; andererseits wollen über die Hälfte der befragten Unternehmer durch erwartete Reformen einen dreijährigen Zahlungsaufschub bei Gesetzesänderungen, wenn sie die Führung ihrer Wirtschaftstätigkeit betreffen.

Über 70 Prozent von kleinen und mittelständischen Unternehmern fühlten keinerlei Einfluss der 2016 eingeführten Deregulierungsmaßnahmen. Weitere 17 Prozent der Befragten meinten, dass sich die Bedingungen für ihre Tätigkeit verschlechterten.

Je nach Tätigkeitsart berichteten zwischen 40 und 77,2 Prozent der befragten Unternehmer, dass durch die Regulierungsmaßnahmen gewisse Probleme für ihre Tätigkeit und ihr Unternehmenswachstum entstanden. Allerdings ändert sich diese Sichtweise je nach Unternehmensgröße.

Bewertung der finanziellen und wirtschaftlichen Situation im Land

Privatpersonen als Unternehmer bewerten die finanzielle und wirtschaftliche Situation schlechter als juristische Personen. Und je größer die juristische Person, desto besser die Einschätzung der finanziellen und wirtschaftlichen Situation und je optimistischer wird das aktuelle Geschäftsklima eingeschätzt.

Kleine und mittelständische Unternehmen haben die größten Pläne zum Ausbau ihrer Tätigkeit. 59 Prozent der kleinen, und 50 Prozent der mittelständischen Unternehmen äußerten die Absicht, ihre Tätigkeit innerhalb der nächsten zwei Jahre zu erweitern.

Ungebrochener Optimismus

Ukrainische Unternehmer sehen trotz aller Schwierigkeiten optimistisch in die Zukunft: im vergangenen Jahr verbesserten sich fast alle Werte, außer jenen für die langfristige Planung, die insgesamt den Index für das Geschäftsklima bilden.

Das Untersuchungsergebnis zeigt, dass der Sektor der KMU dann steigt, wenn die Reformen, die sich auf die Wirtschaftsentwicklung beziehen, beständig und effektiv umgesetzt werden.