Kampf um Donbass-Gesetze im ukrainischen Parlament

Am Freitagmorgen (06.10.) haben sich nach hitzigen Debatten die Abgeordneten des ukrainischen Parlaments endlich geeinigt. Sie verabschiedeten in erster Lesung den Gesetzentwurf “Über die Besonderheiten der staatlichen Politik zur Gewährleistung der staatlichen Souveränität der Ukraine in den vorübergehend besetzten Gebieten der Regionen Donezk und Luhansk”. Angenommen wurde ferner der Gesetzentwurf “Über die Schaffung notwendiger Voraussetzungen zur friedlichen Regelung der Situation in bestimmten Bezirken der Regionen Donezk und Luhansk”.

Die Erörterung der beiden vom ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko eingebrachten Gesetzentwürfe zur Wiedereingliederung des Donbass in die Ukraine hatten einen Tag zuvor begonnen. Beide Gesetze haben Priorität, da sie einen Einsatz von UN-Friedenstruppen im Donbass ermöglichen. Von der Öffentlichkeit werden die Gesetze allerdings als schmerzvoll wahrgenommen. Befürchtet wird, dass sie zu einer Eskalation des Krieges führen könnten oder dass aufgrund von ungenauen Formulierungen eine Wiedereingliederung der von Kiew nicht kontrollierten Gebiete nicht gelingen könnte.

Stürmischer Tag im Parlament

Seit dem frühen Morgen stritten die Abgeordneten über die beide Gesetzentwürfe. Jurij Bojko, Führer des “Oppositionsblocks”, erklärte, dass sie den Donbass von der Ukraine noch weiter entfernen würden. Der Abgeordnete von der Partei “Swoboda” (Freiheit), Jurij Lewtschenko, drohte damit, das Parlament in Brand zu setzen. Und die Partei “Selbsthilfe” legte einen eigenen Gesetzentwurf als Alternative zu dem des Präsidenten vor.

Während der Debatten über die Gesetzentwürfe versammelten sich am Freitagmorgen rund 100 Menschen zu einer Kundgebung vor dem Parlament. Etwa 1400 Polizisten und Soldaten der Nationalgarde sicherten die öffentliche Ordnung. Eine Gruppe von Bürgern versuchte, in das Parlamentsgebäude einzudringen. Als sie sich weigerten, ihre Taschen von der Polizei auf gefährliche Gegenstände kontrollieren zu lassen, kam es zu Handgreiflichkeiten. Unterdessen stieg im Plenarsaal in der Nähe der Abgeordneten der Partei “Selbsthilfe” plötzlich Rauch auf. Vermutlich hatte jemand eine Rauchbombe gezündet.

Gesetz über die vorübergehend besetzten Gebiete

Der Gesetzentwurf über die Wiedereingliederung des Donbass definiert erstmals seit Ausbruch des Konflikts in der Ostukraine die Teile der Regionen Donezk und Luhansk, die von Kiew nicht kontrolliert werden, als vorübergehend besetzt. Zudem bestimmt er die Umsetzung der Sicherheitsbestimmungen der Minsker Vereinbarungen als Priorität. Die Grenzen der vorübergehend besetzten Gebiete legt das Verteidigungsministerium auf Vorschlag des Generalstabs der ukrainischen Streitkräfte fest. Im Laufe der Debatten entschieden die Abgeordneten, die Passage über die Minsker Vereinbarungen aus dem Gesetz zu streichen, um so die illegalen “Volksrepubliken” im Donbass nicht zu legitimieren. Dafür nehmen die Volksvertreter aber Bezug auf die Resolution des UN-Sicherheitsrates, die im Zusammenhang mit der russischen militärischen Aggression im Donbass verabschiedet wurde.

Das Gesetz bezeichnet außerdem zum ersten Mal Russland als Aggressor-Staat. Betont wird, dass die Ukraine für das rechtswidrige Vorgehen Russlands und seiner Streitkräfte, für das Vorgehen anderer militärischer Formationen sowie für die Besatzungsverwaltung in den vorübergehend besetzten Gebieten keine Verantwortung trägt. Die Tätigkeit des russischen Militärs und der Besatzungsverwaltung der Russischen Föderation wird als rechtswidrig bezeichnet. Jeder von ihnen erlassene Akt ist ungültig. Außerdem enthält das Gesetz Bestimmungen für den Fall, dass das Kriegsrecht verhängt wird.

Verlängerung des Sonderstatusgesetzes

Der zweite Gesetzentwurf über den Donbass schlägt vor, die Sonderbestimmungen für die lokale Selbstverwaltung in bestimmten Gebieten der Regionen Donezk und Luhansk um ein Jahr zu verlängern. Das Sonderstatusgesetz erlaubt wie bisher, im Donbass außerordentliche Kommunalwahlen durchzuführen. Der ukrainische Gesetzgeber betont erneut, dass dies erst möglich sein wird, wenn alle illegalen bewaffneten Gruppen, ihre militärische Ausrüstung sowie die Rebellen und Söldner von ukrainischem Territorium abgezogen sind. Zudem müssen die Wahlen von internationalen Beobachtern überwacht werden. Ferner müssen eine freie Meinungsäußerung und eine geheime Wahl, das Stimmrecht für die Binnenflüchtlinge sowie eine transparente Stimmenauszählung garantiert sein.

Deutschland, Frankreich, die USA und andere Länder hatten sich für das Gesetz ausgesprochen. Das Sonderstatusgesetz von 2014 wäre am 18. Oktober ausgelaufen. Daher musste die Verlängerung nun dringend verabschiedet werden.

Erste Reaktionen

Vertreter der Terrorgruppen “Volksrepublik Luhansk” und “Volksrepublik Donezk” reagierten auf die Gesetzentwürfe mit Ablehnung. Sie erklärten, dass “die Verabschiedung dieser Gesetze nur bedeutet, dass die Ukraine sich für Krieg entschieden hat”.

Der US-Sonderbeauftragte für die Ukraine, Kurt Volker, erklärte zur Annahme der beiden Donbass-Gesetze auf Twitter: “Die Verlängerung des Sonderstatus zeigt, dass die Ukraine harte Schritte für den Frieden unternimmt. Ich hoffe, dass Russland jetzt Frieden schafft. Es ist Zeit, den Konflikt zu beenden.”