Die Ukraine auf dem Weg zur NATO, Terroranschlag in Kiew verhindert, Gaskrieg geht weiter sowie andere Themen: Übersicht der ukrainischen Pressenachrichten #50, 6. – 12. März 2018

Die Situation im Kampfgebiet in der Ostukraine

Neue Waffenruhe seit dem 5. März. Seit der Waffenruhe, die am 5. März in Kraft getreten ist, haben die von Russland unterstützten Rebellen ihren Beschuss mit Waffen, die gemäß den Minsker Vereinbarungen verboten sind, auf drei bis fünf Mal am Tag reduziert. Doch leider sind die ukrainischen Verluste in dieser Zeit gestiegen.

US-Diplomat kritisiert Russland. Der Ukraine-Sonderbeauftragte der Vereinigten Staaten, Kurt Volker, hat erklärt, dass Russland die Bestimmungen der Minsker Vereinbarungen nicht einhält. Russland habe die Vereinbarungen unterzeichnet, doch es sorge nicht für eine dauerhafte Waffenruhe. Volker sagte, Moskau hätte in der Ukraine gerne eine prorussische Regierung, doch die junge Generation der Ukrainer sei für Russland endgültig verloren. Sie betrachte Russland als Aggressor und Okkupanten. Volker ist außerdem davon überzeugt, dass Wladimir Putins “Säbelrasseln” mit Atomwaffen nur eine Kampagne ist, die auf die bevorstehende Präsidentenwahl in Russland abzielt.


Die Ukraine ist Anwärter-Land für einen NATO-Beitritt

Die Ukraine hat von der NATO den Status eines “Anwärter-Landes” (aspirant country) erhalten. Damit erkennt die Nordatlantische Allianz die Bestrebungen der Ukraine an, Vollmitglied in dieser Organisation zu werden. “Länder, die ihr Interesse an einem Beitritt zum Bündnis erklärt haben, werden zunächst eingeladen, sich dem Intensivierten Dialog mit der NATO bezüglich der angestrebten Mitgliedschaft und der damit verbundenen Reformen anzuschließen”, heißt es in der Erklärung auf der NATO.

Ändert sich die Ukraine-Politik der NATO? Im NATO-Hauptquartier wird betont, dass die auf der Webseite der Allianz veröffentlichte Anerkennung der euro-atlantischen Bestrebungen der Ukraine nicht bedeute, dass das Bündnis seine Politik gegenüber der Ukraine ändere. Die Erklärung der NATO spiegele lediglich die Realität wider.

Erklärung von Petro Poroschenko. Der ukrainische Präsident begrüßte die Entscheidung der NATO, der Ukraine den Status eines Anwärter-Landes zu verleihen. Poroschenko sagte, das nächste Ziel Kiews sei, einen Membership Action Plan (MAP) zu erhalten. Der Vorsitzende des ukrainischen Parlaments, Andrij Parubij, erklärte, der wichtigste Impuls für die Verleihung des Anwärter-Status war ein Beschlusses des Parlaments aus dem Jahr 2017, gemäß dem die Ukraine eine NATO-Mitgliedschaft angestrebt.


Terror-Verdacht gegen Gefangenen-Unterhändler

Am 9. März hat der Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) am Kontrollpunkt “Majorsk” in der Region Donezk Wolodymyr Ruban festgenommen. Er wird des illegalen Besitzes von Waffen und der Planung von Terroranschlägen verdächtigt, bei denen laut SBU Tausende getötet werden sollten, darunter auch hochrangige Vertreter des Staates. Viele Journalisten bezweifeln jedoch die Angaben des SBU.

Wer ist Wolodymyr Ruban? Er ist Leiter des Zentrums “Offizierskorps”, einer 2013 gegründeten gesellschaftlichen Organisation, die sich für die Freilassung von Gefangenen einsetzt. Als der Konflikt im Donbass ausbrach, kümmerte sie sich um den Austausch von Gefangenen. Sie half ihnen, bis beim SBU ein Zentrum für die Freilassung von Gefangenen eingerichtet wurde. Die gesellschaftliche Organisation setzte aber auch danach ihre Aktivitäten fort, jedoch inoffiziell – unter Umgehung des SBU. In den Jahren 2014 und 2015 organisierte Ruban massenweise den Austausch von Gefangenen. Er reiste immer wieder in das schon damals besetzte Donezk und verhandelte mit den Rebellen der sogenannten “Volksrepubliken Donezk und Luhansk”. Mit seiner Hilfe fuhr am 24. Februar 2017 die ukrainische Abgeordnete Nadija Sawtschenko in die besetzte Stadt Makijiwka ins Gefängnis Nummer 32, wo zu dieser Zeit die ukrainischen Gefangenen saßen. Ruban half Sawtschenko auch, sich am Vorabend ihrer Reise zu den Gefangenen mit den Anführern der selbsternannten “Volksrepubliken” zu treffen.

Das Verhältnis zu den “Volksrepubliken”. Die erste stellvertretende Vorsitzendes des ukrainischen Parlaments, Iryna Heraschtschenko, erklärte, die Rebellen hätten keinen Hehl daraus gemacht, dass sie Ruban freundlich gegenüberstanden. Sie betonte, trotz aller Bemühungen, hätten die Rebellen kein einziges Mal Vertretern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz oder der ukrainischen Menschenrechtsbeauftragten erlaubt, die Geiseln zu besuchen. Ruban habe hingegen mehrfach die Gefängnisse in den besetzten Gebieten aufsuchen dürfen, schrieb Heraschtschenko auf Facebook.

Koordinierung aus Russland? Der Leiter der SBU, Wasyl Hryzak, erklärte auf einer Pressekonferenz am 9. März, Ruban paktiere mit den Anführern der sogenannten “Volksrepubliken” und habe einen Terroranschlag im Zentrum von Kiew geplant, bei dem Tausende von Menschen sterben sollten. Der SBU vermutet, dass Rubans illegale Aktivitäten von Russland koordiniert wurden.

Skepsis und Misstrauen. Viele Experten und Medienvertreter haben aber ernsthafte Zweifel daran, dass Ruban einen Terroranschlag geplant haben könnte. Durch die laufenden Ermittlungen und die Wachsamkeit der Medien werden sicher noch weitere Einzelheiten zu diesem Fall bekannt werden.


Neuer Gaskrieg und Nord Stream 2

Russland und Gazprom missachten Stockholmer Gerichtsurteil. Auch nach der Entscheidung des Schiedsgerichts der Stockholmer Handelskammer geht der Gasstreit zwischen Moskau und Kiew weiter. Am Ende eines Prozesses, der fast vier Jahre dauerte, hatte am 28. Februar 2018 das Stockholmer Gericht den russischen Energiekonzern Gazprom dazu verurteilt, dem ukrainischen Öl- und Gaskonzern Naftogaz einen Ausgleich in Höhe von 2,56 Milliarden Dollar zu zahlen. Gazprom hatte beim Transit weniger Gas durch die Ukraine geleitet als vereinbart. Und die Ukraine muss laut dem Urteil weiterhin Gas in Russland kaufen, und zwar bis zum Ablauf des Vertrags Ende 2019. Dabei handelt es sich um vier bis fünf Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr. Statt das Urteil umzusetzen, kündigte Gazprom an, die Verträge mit Naftogaz über die Lieferung und den Transit von Gas nun zu kündigen und legte beim Gericht in Stockholm Berufung ein.

Die Position der Ukraine. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sagte, Gazprom müsse gemäß dem Stockholmer Urteil Gas durch die Ukraine leiten. Von irgendwelchen Kompromissen könne keine Rede sein. Der Transit von Gas sei keine Wohltätigkeit und auch keine Geste der Unterstützung der Ukraine, sondern die Pflicht von Gazprom. “Verpflichtungen müssen erfüllt werden”, unterstrich Poroschenko. Er betonte zugleich, die Ukraine werde alles tun, um ihre Energieversorgung zu diversifizieren, so wie es auch die Europäische Union tun müsse.

Die Haltung der EU. “Gazprom muss seine Verpflichtungen bei der Lieferung von Gas in die Ukraine voll erfüllen. Die Europäische Kommission bemüht sich um eine Lösung dieser Situation”, sagte Federica Mogherini, Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, am 12. März in Kiew. Während ihres Besuchs traf sie sich mit dem Präsidenten und Premierminister der Ukraine.

Gas ist kein Business, sondern Politik. Die Weigerung, das Stockholmer Gerichtsurteil zu erfüllen, zeigt, dass Gas für Russland nicht Business, sondern eher ein Instrument des politischen Drucks gegen die Ukraine und die EU ist. Vor dem Hintergrund der jüngsten Zuspitzung an der Gas-Front wird immer deutlicher, dass obwohl Russland den Bau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 als reines Business-Projekt positioniert, die Hauptmotive für den Bau in Wirklichkeit politischer Art sind.

Osteuropa gegen Nord Stream 2. Die Vorsitzenden der Parlamente Polens, Litauens und Lettlands haben in Vilnius ein Schreiben unterzeichnet, in dem sie darauf hinweisen, dass die Pipeline Nord Stream 2 auf eine Energieabhängigkeit der EU-Staaten von Russland abzielt. Zuvor wurde dieser Brief von der Ukraine und der Republik Moldau unterzeichnet. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki betonte nach einem Treffen mit den Regierungschefs der baltischen Staaten, das Projekt Nord Stream 2 sei für Europa sehr gefährlich.