Jahrzehntelang waren Reisen innerhalb der Ukraine nicht sehr beliebt. Die Ukrainer reisten lieber ins Ausland. Aber in den letzten Jahren, besonders nach der Revolution der Würde 2014, ist das Interesse der Ukrainer an Reisen im eigenen Land gestiegen. Auch die Dezentralisierung wirkt sich positiv auf den Inlandstourismus aus. Einzelheiten vom Ukraine Crisis Media Center:
Die Ukraine war noch nie ein Land mit einem gut entwickelten Tourismus. Weltweit gibt es nur acht Länder, in denen die Tourismusbranche weniger als zwei Prozent des gesamten BIP ausmacht – und zu diesen Ländern zählt die Ukraine. Der Tourismus hat in der Ukraine laut “The Economist Intelligence Unit” nur einen Anteil von 1,4 Prozent am jährlichen BIP.
Doch in den letzten Jahren hat sich in der Ukraine ein neuer Trend bemerkbar gemacht: Die Nachfrage nach Inlandsreisen steigt. Laut dem globalen Touristikportal “TripAdvisor” interessierten sich in den Jahren 2013 und 2014 rund 33 Prozent der ukrainischen Nutzer des Internetportals für eine Reise im Inland. Im Jahr 2016 waren es schon 50 Prozent.
Dem Direktor des ukrainischen Zentrums für Tourismus-Informationen, Wolodymyr Zsaruk, zufolge ist der Inlandstourismus in den letzten zwei bis drei Jahren im Vergleich zu 2014 um 60 bis 65 Prozent gewachsen. Thomas Bangert, bei “TripAdvisor” zuständig für Europa und Nordafrika, sagte gegenüber der ukrainischen Presse, dass Ukrainer, die früher im Ausland Urlaub gemacht hätten, sich nun verstärkt für ihr eigenes Land interessieren würden. Reisen ins Auslands sind hingegen offiziellen Angaben zufolge seit Anfang 2014 um 25 bis 35 Prozent zurückgegangen.
Was die Anzahl der Ausländer angeht, die die Ukraine besuchen, so nimmt diese zu. Dem ukrainischen Grenzschutz zufolge kamen 2016 rund 13,6 Millionen Touristen in die Ukraine. Das sind 5,6 Prozent mehr als 2015. Nach Angaben von “The Economist Intelligence Unit” ließen 2016 die Ukrainer im Ausland 5,5 Millionen Dollar, während die ausländischen Touristen in der Ukraine nur 2,3 Millionen Dollar ausgegeben haben.
Tourismus-Projekt für neue vereinigte Gemeinden
Ein wirksames Instrument für die Entwicklung des Inlandstourismus kann die Dezentralisierung sein. Dank der Dezentralisierungs-Reform sind seit 2014 die lokalen Etats deutlich gewachsen. Ihr Anteil im Staatshaushalt der Ukraine nimmt ständig zu und erreichte Ende 2017 rund 51 Prozent. Ein wichtiger Teil der Reform ist die freiwillige Vereinigung von Gebietskörperschaften. Mit dem Stand von Anfang März 2018 gibt es in der Ukraine schon 725 vereinigte Gemeinden.
Gerade sie sind daran interessiert, den Tourismus anzukurbeln – um Geld zu verdienen, denn dieses kann wiederum investiert werden. Das USAID-Programm DOBRE (Decentralization Offering Better Results and Efficiency) hat daher zusammen mit dem Ukraine Crisis Media Center (UCMC) das Projekt “Tourism Hub for consolidated communities” ins Leben gerufen. Es kombiniert die Dezentralisierungs-Reform und die Förderung des Inlandstourismus.
Am 17. und 18. Mai wurde in der Region Cherson im Rahmen des Projekts eine Veranstaltung durchgeführt. Die Region wurde nicht zufällig gewählt. Die Natur in dieser Region im Süden der Ukraine, die an die Krim grenzt, bietet einzigartige Möglichkeiten. Dort verbinden sich das Meer und die Steppe. Hervorzuheben ist der Nationalpark Oleschky-Sande, die größte Sandfläche der Ukraine. Ferner ist das Biosphärenreservat Askania-Nowa zu nennen. Es ist eines der wenigen Gebiete in Europa mit einer natürlichen Steppenvegetation. Mehr als 50 seltene Tierarten sind dort beheimatet. Dann gibt es noch das Landschaftsschutzgebiet Stanislaw, den Lemurijskyj-See, Museen, Bauernhöfe für grünen Tourismus und Weingüter. Man kann Ausflüge entlang des Dnjepr, in die Stadt Nowa Kachowka und zu einem Solarkraftwerk unternehmen.
Am ersten Tag der Veranstaltungs fand zwischen den vereinigten Gemeinden ein Erfahrungsaustausch statt. Es gab Vorträge von Tourismus-Experten sowie Workshops, bei denen die Vertreter der Gemeinden ihre Projekte den Experten vorstellen und dabei beraten werden konnten.
Iryna Malyk, Koordinatorin des UCMC beim DOBRE-Programm sagte über die Veranstaltung, sie fördere den Tourismus, aber auch den Dialog zwischen den verschiedenen Teilen der Ukraine. “Viele Gemeinden betrachten den Tourismus als wichtigen Bereich ihrer wirtschaftlichen Entwicklung”, betonte sie. Jetzt sollten die Gemeinden lernen, ihr Tourismuspotenzial zu vermarkten, Touristen anzuziehen und Investoren anzuwerben. “Es muss auch eine Infrastruktur geschaffen werden, die den Tourismus verbessert. Eine reiche Geschichte, Naturlandschaft und Kultur sorgen noch nicht für Touristenströme”, so Malyk.
Zu den Teilnehmern der Veranstaltung sprachen auch Iwanna Klympusch-Zinzadse, ukrainische Vize-Premierministerin für europäische und euroatlantische Integration, sowie Susan Fritz, USAID-Leiterin in der Ukraine. Iwanna Klympusch-Zinzadse unterstrich, die Dezentralisierung biete Chancen, verlange aber auch Verantwortung. “Eine saubere Straße wird dafür sorgen, dass Restaurants Umsatz machen. Und Steuereinnahmen werden den Wohlstand sichern”, sagte sie und fügte hinzu, was auf lokaler Ebene funktioniere, wirke sich auch auf das ganze Land aus. Susan Fritz stellte fest, dass die Ukraine im Tourismus viel zu bieten habe. Notwendig sei allerdings ein umfassender Ansatz zur Entwicklung des Tourismus, um Besucher anzulocken.