Brüssel: Treffen im Normandie-Format ohne Russland und Gipfel der Östlichen Partnerschaft

Diese Woche hat in Brüssel ein Gipfeltreffen der Länder der Östlichen Partnerschaft stattgefunden, aber auch ein trilaterales Treffen der Staats- und Regierungschefs der Ukraine, Frankreichs und Deutschlands, faktisch im Normandie-Format nur ohne Russland. Angesichts der Gefahr einer Invasion seitens der Russischen Föderation ist diplomatische Unterstützung für die Ukraine sehr wichtig. Worüber haben die Staats- und Regierungschefs gesprochen und was hat der Gipfel der Östlichen Partnerschaft gebracht?

Treffen im “Normandie-Format minus Eins”

Am 15. Dezember haben am Rande des Gipfeltreffens der Östlichen Partnerschaft in Brüssel wichtige Treffen für die Ukraine stattgefunden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach jeweils einzeln mit den Staats- und Regierungschefs Frankreichs und Deutschlands, es fand aber auch ein gemeinsames Treffen von Präsident Selenskyj mit dem neuen deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron statt. Sie erörterte die Beilegung des Konflikts im Donbass und vereinbarten, weiterhin im Normandie-Format zu arbeiten. Selenskyj dankte Deutschland und Frankreich für die Unterstützung der Ukraine angesichts der militärischen Bedrohung durch Russland.

Die Ukraine provoziert niemanden. Während des trilateralen Treffens betonte Selenskyj, dass die Ukraine keine Provokationen an der Grenze durchführe und keine aggressiven Absichten gegenüber anderen Ländern habe. “Ich erwarte, dass die russischen Truppen und Waffen so schnell wie möglich von den Grenzen der Ukraine abgezogen werden. Noch stehen sie trotz ununterbrochener diplomatischer Bemühungen in der Nähe unserer Grenzen”, sagte er.

Scholz und Macron stimmten zu, dass die Beschlüsse vom Normandie-Gipfel 2019 in Paris, an dem auch der russische Präsident Wladimir Putin teilgenommen hatte, durchgesetzt werden müssen. Wolodymyr Selenskyj stellte klar, es gehe in erster Linie um einen Waffenstillstand, die gegenseitige Freilassung von Gefangenen und die Eröffnung zweier neuer Kontrollpunkte.

Sanktionspolitik vor der Eskalation, nicht erst danach. Eine weitere wichtige These, die der ukrainische Präsident während des Treffens äußerte, betrifft die Sanktionspolitik. “Grundsätzlich haben wir eine gemeinsame Position und erwägen die Möglichkeit, dieses wichtige Treffen durchzuführen. Was die Sanktionspolitik angeht, bieten einige Staats- und Regierungschefs offen gesagt ein Format an, wonach auf eine mögliche Eskalation erst nach einer Eskalation durch Russland reagiert werden soll. Mir scheint, wir konnten unseren europäischen Kollegen klarmachen, dass eine Sanktionspolitik ‘im Nachhinein’ ehrlich gesagt niemanden mehr interessiert. Unser Staat ist an einer starken Sanktionspolitik ‘noch vor’ einer Eskalation interessiert. Und dann, so scheint es mir, wird es keine Eskalation geben”, sagte Wolodymyr Selenskyj.

Treffen mit Bundeskanzler Scholz. Während eines Treffens mit dem deutschen Bundeskanzler am 15. Dezember äußerte Selenskyj auch die Hoffnung, dass die neue Bundesregierung den euro-atlantischen Kurs der Ukraine und den weiteren Gastransit durch ukrainisches Territorium nach 2024 unterstützen wird. Die Gesprächspartner diskutierten auch die Energiepartnerschaft zwischen der Ukraine und Deutschland.

Der ukrainische Präsident erklärte ferner, er habe mit Scholz über die Gaspipeline Nord Stream 2 gesprochen und sie als “ein sehr ernstzunehmendes Instrument für Gespräche mit Russland” bezeichnet. “Dank eines solchen Instruments könnte ich ein Treffen mit dem russischen Präsidenten organisieren, bei dem einige Änderungen bei der Umsetzung von Minsk oder andere Schritte zur Beendigung des militärischen Konflikts [im Donbass] gelöst werden könnten … Ich bin mir nicht sicher, ob er [Olaf Scholz] mich gehört hat, aber immerhin hat er mir zugehört”, sagte er.

Treffen zwischen Selenskyj und Macron. Am Rande des Gipfels der Östlichen Partnerschaft traf sich Präsident Wolodymyr Selenskyj auch mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Nach Angaben des ukrainischen Präsidialamtes haben die Parteien “mit Macron Positionen zur Umsetzung der euroatlantischen Bestrebungen der Ukraine abgestimmt”. 

“Die Staats- und Regierungschefs diskutierten aktuelle Fragen der ukrainisch-französischen Zusammenarbeit, einschließlich der Umsetzung wichtiger zwischenstaatlicher Vereinbarungen über gemeinsame Wirtschaftsprojekte”, heißt es in der Erklärung.

Gipfel der Östlichen Partnerschaft: Ein neues “Trio” von Staaten und positive Entwicklungen

Der Gipfel der Östlichen Partnerschaft endete am 15. Dezember in Brüssel. Es war das erste persönliche Treffen der Staats- und Regierungschefs in diesem Format seit vier Jahren. Es war auch das erste seit der Ankündigung der Ukraine, der Republik Moldau und Georgiens, ein “Trio” zu gründen, das Partnerländer vereint, die eine Annäherung und eine EU-Mitgliedschaft anstreben. Kyjiw führt die “Taktik der kleinen Allianzen” an.

Die Östliche Partnerschaft hat offiziell 34 Mitglieder: 27 EU-Mitgliedstaaten, die Europäische Union als Struktur und die sechs Nachbarn der EU in Osteuropa – Ukraine, Moldau, Belarus, Georgien, Aserbaidschan und Armenien. Von den sechs Staaten haben drei, die Ukraine, Moldau und Georgien, ihre Absicht erklärt, der EU beitreten zu wollen, während die drei anderen (Armenien, Aserbaidschan und Belarus) dies offiziell ausschließen. Die Kluft zwischen den beiden Blöcken vertieft sich seit 2017.

Abwesenheit von Belarus. Mit der Abwesenheit von Belarus beim Gipfel war gerechnet worden. Zum ersten Mal seit 2009 schickte Minsk niemanden. Der leere Stuhl und die Flagge von Belarus wurden aber bewusst belassen, als Symbol dafür, dass es in diesem Land keine legitime Regierung gibt. Ohne “Freunde der Russischen Föderation” blieb es aber nicht. Armenien, wo Moskaus Einfluss sehr groß ist, war beim Treffen dabei.

Gemeinsame Erklärung des Gipfels. In der gemeinsamen Erklärung des Gipfels, die im Konsens angenommen werden musste, werden weder die Niederschlagung der Proteste in Minsk noch die gefälschten Wahlen erwähnt. Obwohl Belarus diesmal nicht dabei war und nicht abstimmen konnte, hatte eine entsprechende Kritik keine Chance, da sie von der armenischen und auch aserbaidschanischen Regierung aufgrund eigener Probleme bei Wahlen abgelehnt wird.

Zudem sind die Erklärungen traditionell sehr zurückhaltend, wenn es um die europäischen Integrationsbestrebungen der Ukraine, Georgiens oder der Moldau geht. “Die EU erkennt die Initiative des Trios der assoziierten Partner Georgien, Moldau und Ukraine an, die Zusammenarbeit auszubauen”, heißt es in einer Erklärung des Gipfels.

Diese vorsichtige Formulierung vom “Ausbau der Zusammenarbeit” ist nicht ganz das, was Kyjiw wollte. Daher lud die Ukraine vor mehr als einem Monat Kollegen aus Chisinau und Tiflis ein, an einer separaten Erklärung des “Trio”-Formats zu arbeiten. Diese Erklärung wurde auf dem Gipfel unterzeichnet.

Taktik der “kleinen Allianzen”. In der Erklärung des neuen “assoziierten Trios” heißt es abschließend: “Wir haben unsere Entschlossenheit bekräftigt, basierend auf dem starken Willen unserer Völker, auf eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union hinzuarbeiten. In diesem Zusammenhang fordern wir die Europäische Union auf, die souveräne Entscheidung unserer Staaten zusammen mit allen relevanten Schritten, die wir auf dem Weg zur europäischen Integration unternommen haben, zu unterstützen und die europäische Perspektive Georgiens, der Republik Moldau und der Ukraine anzuerkennen.” Die Moldau, die lange Zeit Absichtserklärungen bezüglich eines EU-Beitritts vermieden hatte, hat seine Position nun geändert. Jetzt kann wirklich von einem geschlossenen “Trio” in Sachen europäische Integration gesprochen werden.

Formell wurde die Erklärung des “Trios” nur von der Ukraine, der Moldau und von Georgien unterzeichnet. Die EU ist keine Vertragspartei des Dokuments. Der ukrainischen Zeitung “Jewropejska Prawda” zufolge haben jedoch mehrere Staaten die Initiative des “Trios” unterstützt. Dabei soll es sich um Österreich, die Slowakei, Slowenien, Finnland, Kroatien, Tschechien und die Niederlande handeln.