“Große Russifizierung”: Wie Russland die besetzten Gebiete verändert

Die Zeit spielt gegen die Ukraine: In den sieben Jahren seit der Annexion der Krim und der Besetzung eines Teils des Donbass hat sich die Situation mit der lokalen Bevölkerung in diesen Gebieten stark verändert. Während Moskau im Donbass massenhaft russische Pässe ausstellt, siedelt Russland auf der Krim – neben der obligatorischen Verteilung russischer Pässe – auch Russen an. Diese Faktoren erschweren den Kampf der Ukraine um die Rückgabe dieser Gebiete erheblich. 

Die Lage im Donbass. In vier Jahren haben fast eine Million Ukrainer die russische Staatsbürgerschaft erhalten, sagte Dmitrij Kosak, stellvertretender Leiter der russischen Präsidialverwaltung, der Zeitschrift Politique International. Das Interview wurde auf der Website der russischen Botschaft in Frankreich veröffentlicht.

“Nicht nur Bürger des Donbass, sondern auch Einwohner der restlichen Ukraine beantragen unsere Staatsbürgerschaft. Im Zeitraum von 2016 bis 2020 haben fast 978.000 ukrainische Bürger die Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation erhalten”, sagte Kosak.

Ihm zufolge haben bis Februar 2021 auch etwa 470.000 Einwohner der sogenannten “Volksrepubliken Donezk und Luhansk” russische Pässe erhalten. Die Ausstellung russischer Pässe sei eine “humanitäre Maßnahme” aufgrund der Verhängung der “Donbass-Blockade”.

“Sobald die Situation im Donbass geregelt wird, wird die Notwendigkeit dieser Entscheidung sich erübrigen. Das allgemeine Verfahren zur Erteilung der Staatsbürgerschaft wird dann wiederhergestellt. Unser Vorgehen widerspricht nicht den bestehenden internationalen Rechtsnormen und -praktiken anderer Staaten”, so Kosak.

Laut der ukrainischen Ombudsfrau Ljudmyla Denisowa haben die Besatzer im Donbass bereits 583.000 russische Pässe für Menschen in den von Kiew nicht kontrollierten Gebieten der Regionen Donezk und Luhansk ausgestellt. Etwa 67.000 von ihnen sind minderjährig.

Russland will bis Ende 2021 noch fast eine halbe Million weitere russische Pässe an Einwohner jener Regionen verteilen. Zuvor hatte die Zeitschrift NW geschrieben, dass fast jeder dritte Einwohner der besetzten Gebiete bereits einen russischen Pass besitzt.

Im Sommer 2019 hatte die Russische Föderation damit begonnen, illegal Pässe an Einwohner der besetzten Gebiete im Donbass auszugeben. Die Dokumente werden in der russischen Region Rostow ausgestellt.

Operation “Große Russifizierung” auf der Krim. Um auf der Krim Fuß zu fassen, hat der Kreml bereits fast eine Million russische Bürger auf der besetzten Halbinsel angesiedelt, was die demografische Lage vor Ort erheblich verändert.

Die Annexion der Krim hat der Ukraine enorme wirtschaftliche Verluste verursacht: Das Center for Economic Strategy (CES) schätzt sie auf mindestens 135 Milliarden Dollar, aber nicht alles ist in Geld bemessen, und der Kreml versteht das sehr gut. Deshalb erobert Moskau die Halbinsel zunehmend demografisch und siedelt in der besetzten Region Menschen aus russischen Regionen an, insbesondere aus dem Kaukasus. Dies verändert nicht nur die Demografie, sondern macht auch die öffentliche Stimmung prorussischer und erschwert es Kiew, die Halbinsel nach ihrer Befreiung wieder in die Ukraine zu integrieren.

Nach russischen Angaben betrug die ständige Bevölkerung der Krim Anfang 2021 1,9 Millionen Menschen. Außerdem leben mehr als 500.000 Menschen in Sewastopol, einer separaten territorialen Einheit. Insgesamt sind es also 2,4 Millionen. Ukrainische Experten gehen allerdings davon aus, dass die Besatzungsmacht die Zahlen drückt: Wenn vor der Besetzung der Halbinsel dort etwa 2,3 Millionen Menschen lebten, dann sind es jetzt wahrscheinlich schon 3,1 Millionen, unter Berücksichtigung dessen, dass rund 180.000 ukrainische Bürger die Krim nach der Besetzung verlassen haben. Damit kann man sagen, dass inzwischen fast eine Million neue Einwohner auf die Krim gezogen sind, mit großer Wahrscheinlichkeit alles Russen.