Was der Kreml im Donbass will, Attacke auf Anti-Korruptionsbehörde, Krimtataren unter Druck und weitere Themen

Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine

In Donbass haben am 30. August die von Russland unterstützten Rebellen in der Nähe von Marinka mehrere Schüsse mit Kleinwaffen abgefeuert, was gegen die Vereinbarungen zur Waffenruhe innerhalb der Trilateralen Kontaktgruppe verstößt. Insgesamt haben ukrainische Soldaten in den letzten 24 Stunden zwei Verstöße gegen die erklärte Waffenruhe verzeichnet. Ukrainische Einheiten haben das Feuer nicht erwidert.

Am 31. August herrschte an allen Abschnitten der Front “Stille”, und es gab keine Verstöße gegen die umfassende Waffenruhe.

Bis zum Abend des 29. August hatte die OSZE-Mission in der Ukraine seit Beginn der Waffenruhe am 27. Juli insgesamt 727 Verstöße in den Gebieten Donezk und Luhansk verzeichnet. Insbesondere wurden 111 Explosionen, zwei nicht identifizierte Munitionen, 12 Leuchtraketen und 383 Schüsse registriert. Die OSZE zählte jeden Schuss oder jede Explosion als Verstoß, wobei das Hauptquartier der ukrainischen Vereinten Kräfte jeden Beschuss einer Position als Verstoß betrachtet.


Waffenruhe im Donbass: Was will der Kreml dafür?

Die ukrainische Führung ist stolz auf die Waffenruhe im Donbass und hat auch Grund dazu: Seit über einem Monat, seit dem 27. Juli, wurde kein ukrainischer Soldat durch feindlichen Beschuss getötet.

Doch dies bedeutet nicht, dass Russland seine Ziele im Donbass geändert hat. Es hat sich nur für andere Mittel entschieden, um sie zu erreichen. Nachdem der Kreml den militärischen Druck auf Kiew vorübergehend verringert hat, begann er die ukrainische Regierung zu erpressen, indem er sich aus dem für das ukrainische Präsidialamt wichtigsten Gesprächs-Format zwischen dem Präsididalamtschef Andrij Jermak und dem Chefunterhändler des Kremls, Dmitrij Kosak, zurückzog. Für die Fortsetzung ihrer Treffen verlangt die Russische Föderation von der Ukraine neue Zugeständnisse.

Die von der ukrainischen Zeitung “Glavkom” veröffentlichte Position des Kremls zu den Vereinbarungen zwischen Kosak und Jermak zeigt die Umrisse dieser Forderungen. Obwohl die Echtheit dieses Dokuments weiterhin in Frage gestellt wird, werden seine wichtigsten Punkte bereits von der Trilateralen Kontaktgruppe in Minsk erörtert. Das Dokument zeigt den Versuch, Kiew einen “direkten Dialog” mit den von Russland unterstützten Rebellen aufzuzwingen. 

“Direkter Dialog” und Verfassungsänderungen. Russland hat bisher kein Geheimnis daraus gemacht, die sogenannten “Volksrepubliken Donezk und Luhansk” legitimieren zu wollen und direkte Gespräche zwischen Kiew und den Besatzungsverwaltungen zu erreichen. Das aktuelle Projekt ist von dieser Idee durchdrungen. Russland ist laut diesen Vorschlägen nur ein Vermittler zwischen Kiew und den von der ukrainischen Regierung nicht kontrollierten Gebieten. Allein mit ihnen müsse über eine Truppenentflechtung und Minenräumung gesprochen werden.

Moskau fordert von Kiew außerdem, gemeinsam mit den von der Ukraine nicht kontrollierten Gebieten Gesetzentwürfe zu erarbeiten, darunter ein neues Gesetz über einen “Sonderstatus” gemäß der Steinmeier-Formel und über eine Amnestie – obwohl laut Minsk-2 für dieses Gesetz überhaupt keine Konsultationen erforderlich sind.

Ein wichtiges Detail: Die Russen bestehen weiterhin auf einer Änderung der ukrainischen Verfassung, obwohl Präsident Wolodymyr Selenskyj und sein Bürochef Andrij Jermak seit 2019 wiederholt erklärt haben, dass sie die Verfassung im Sinne der Minsker Abkommen nicht ändern werden.

Wahlen in Donbass in diesem Jahr. Das Thema Wahlen ist das wichtigste. In dem Dokument wird verlangt, “alle Bestimmungen des Beschlusses des ukrainischen Parlament mit der Nummer 3809 aufzuheben, die den Minsker Vereinbarungen widersprechen”. Laut dem Beschluss sollen am 25. Oktober regulär Kommunalwahlen in der gesamten Ukraine mit Ausnahme der besetzten Gebiete stattfinden. Die Russen verlangen, gerade die Worte “mit Ausnahme” zu streichen.

Eine Änderung dieser Bestimmung bedeutet jedoch, dass die ukrainische Zentrale Wahlkommission gezwungen sein wird, Wahlen in Donezk, Luhansk, Makijiwka usw. abzuhalten, ohne abzuwarten, dass Russland die Sicherheitsbedingungen erfüllt. Übrigens ist diese Forderung der Russen offiziell bestätigt.

Während der Verhandlungen der Trilateralen Kontaktgruppe in Minsk stellte sich heraus, dass dies die Hauptforderung der Russischen Föderation ist, auf der die gesamte Diskussion aufbaut. Das berichtete das Mitglieder der ukrainischen Delegation, Serhij Harmasch, der die Binnenflüchtlinge aus dem Donbass vertritt. Schließlich erklärte sich der Leiter der ukrainischen Delegation, Leonid Krawtschuk, bereit, sich ans ukrainische Parlament zu wenden, mit dem Vorschlag, zu prüfen, ob jener Beschluss des ukrainischen Parlaments bezüglich der Kommunalwahlen den Minsker Abkommen entspricht. Obwohl es rechtlich keinen Widerspruch zwischen dem Beschluss und “Minsk” gibt, will Russland offenbar, dass die Ukraine ihn ändert. 

Moskaus Vorschläge handeln ausführlich von einer politischen Regelung, aber es gibt nichts Konkretes über eine Entwaffnung und über Sicherheitsbedingungen zur Durchführung von Wahlen. Ferner gibt es kein Wort über die Kontrolle zur Einhaltung der Waffenruhe.

Normandie-Gipfel in Gefahr. In Wirklichkeit machen die Ideen der Russen die Abhaltung eines neuen “Normandie-Gipfels” unmöglich, den Präsident Wolodymyr Selenskyj anstrebt. Denn in Wirklichkeit ist eine politische Einigung im Donbass Bedingung für einen solchen Gipfel. Im Dezember 2019 in Paris hatten sich die Staats- und Regierungschefs bei ihrem letzten Gipfel im Normandie-Format (Ukraine, Deutschland, Frankreich und Russland) aber auf so etwas nicht verständigt.

Wenn die Forderungen der Russen gebilligt werden, werden sie die Logik der Vorbereitung von Gipfeltreffen vernichten: Wie sich herausstellt, sollen statt der Staats- und Regierungschefs nur ihre Berater einen neuen Aktionsplan vereinbaren. Die Parteien (als solche betrachten die Russen die Ukraine und die besetzten Gebiete), sollen dann diesen Plan umzusetzen. Erst danach will Russland einem Gipfeltreffen im Normandie-Format zustimmen – also dann, wenn schon alles gemacht ist.


Kampf gegen Korruption: Neue Attacke auf das NABU

Am 28. August hat das Verfassungsgericht entschieden, dass das Dekret zur Ernennung von Artem Sytnyk zum Direktor des Nationalen Anti-Korruptions-Büros (NABU) verfassungswidrig war. Er wurde 16. April 2015 vom damaligen Präsident der Ukraine, Petro Poroschenko, nach einer Ausschreibung und einem Auswahlverfahren ernannt. Mit der Entscheidung der Richter ist das Präsidialdekret nun aufgehoben. Doch die Entscheidung gelte “nicht für Rechtsbeziehungen, die sich aus der Erfüllung amtlicher Pflichten durch Sytnyk ergeben haben”.

Die Parlamentsabgeordneten, die sich an das Verfassungsgericht gewandt hatten (Olexandr Dubinskyj, Maxym Buschanskyj, Viktor Medwedtschuk, Andrij Derkatsch und andere), betonten, Poroschenko habe seine verfassungsmäßigen Befugnisse überschritten. Der Posten des NABU-Chefs sei in der Verfassung nicht unter den Ämtern aufgelistet, die vom Präsidenten zu besetzen seien. Das Gericht stimmte dem nun zu.

Antwort vom NABU. Die Behörde bezeichnete die Entscheidung des Verfassungsgerichts als politisch motiviert. “Auch wenn das Präsidialdekret, mit dem Artem Sytnyk zum Direktor des NABU ernannt wurde, für verfassungswidrig erklärt wurde, bedeutet dies nicht seine automatische Entlassung. Das Gesetz über das NABU enthält eine ausführliche Liste von Gründen, mit denen der NABU-Direktor entlassen werden kann, darunter ist eine Entscheidung des Verfassungsgerichts nicht vorgesehen”, so das NABU.


Krim: Wieder Durchsuchungen bei Krimtataren

In den Bezirken Nyschnjohirskyj und Sowjetskyj auf der von Russland annektierten Krim sowie in Sudak haben russische Sicherheitskräfte am 31. August Durchsuchungen in Häusern von Krimtataren durchgeführt. Das berichtet die Menschenrechtsvereinigung “Crimean Solidarity”. So wurde am Morgen das Haus des Journalisten Ayder Kadyrov durchsucht, der für die “Crimean Solidarity” und die Zeitung “grani.ru” arbeitet. Er wurde danach zum FSB nach Simferopol gebracht. Seine Frau und vier Kinder waren zum Zeitpunkt der Durchsuchung ebenfalls im Haus. 

Ferner wurde im Bezirk Sowjetskyj das Haus von Enver Toptschi und im Dorf Sonjatschna Dolyna das Haus von Ayder Ablyakimov durchsucht, der für den Katastrophenschutz tätig ist. Auch das Haus des Aktivisten Umerov Ridvan in Sudak wurde durchsucht.

Die Besatzungsbehörden üben systematisch Druck auf die Krimtataren auf der Krim aus. Sicherheitskräfte durchsuchen regelmäßig ihre Häuser. Am 7. Juli wurden sechs Krimtataren festgenommen: Emil Ziyadinov, Seyran Khayretdinov, Ismet Ibragimov, Alim Sufyanov, Oleksandr Sizikov und Vadim Bektemirov. Die Gründe für die Festnahmen sind weiterhin unklar.


Wie die Ukraine COVID-19 bekämpft

Bis Ende August wurde in der Ukraine bei insgesamt 121.215 Menschen das Coronavirus diagnostiziert. Davon sind 2557 Patienten gestorben und 57.114 sind wieder genesen. In letzter Zeit werden landesweit täglich mehr als 2000 neue Fälle registriert und 20 bis 50 Todesfälle gemeldet. Derzeit kämpfen rund 50.000 Menschen mit dem Coronavirus.

Vorübergehendes Einreiseverbot für ausländische Staatsbürger. Aufgrund der sich verschlechternden epidemiologischen Lage im Lande ist am 28. August ein Einreiseverbot für ausländische Staatsbürger in die Ukraine in Kraft getreten. Die Einschränkungen gelten von 00:00 Uhr am 28. August bis 00:00 Uhr am 28. September. Das Verbot gilt für Bürger aller Länder, unabhängig von der dortigen epidemiologischen Lage.

Gleichzeitig hat die Regierung eine Reihe von Ausnahmen vorgesehen. So dürfen im kommenden Monat in die Ukraine einreisen: Ausländer, die direkte Angehörige ukrainischer Staatsbürger sind, eine unbefristete oder vorübergehende Aufenthaltserlaubnis oder eine amtlich gültige Arbeitserlaubnis in der Ukraine haben, technische Spezialisten sind, die auf Einladung von ukrainische Unternehmen in die Ukraine fahren, zum Studium oder zu einer Behandlung ins Land kommen, offiziellen ausländischen Delegationen angehören, Mitarbeiter internationaler Organisationen sind oder an Sportwettkämpfen teilnehmen.

Erlaubt ist Ausländern auch ein Transit durch das Gebiet der Ukraine, sofern sie ihre Weiterreise ins Ausland innerhalb von zwei Tagen nachweisen können. Voraussetzung für die Einreise in die Ukraine ist jedoch eine Auslandskrankenversicherung zur Deckung möglicher Kosten einer COVID-19-Behandlung und entsprechender Untersuchungen.