Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine
Die Situation im Kampfgebiet war in der vergangenen Woche unruhig. Am 23. Januar haben die russischen Kräfte im Donbass neunmal gegen die Waffenruhe verstoßen. Im Einsatzgebiet der ukrainischen taktischen Gruppe “Nord”, nahe der Ortschaft Piwdenne, feuerten die bewaffneten Verbände der Russischen Föderation mit Mörsern des Kalibers 120 und 82, mit Panzerabwehr-Granatwerfern und großkalibrigen Maschinengewehren.
Unweit der Siedlung Hnutowe eröffnete der Feind das Feuer auf ukrainische Stellungen mit einem handgehaltenen Panzerabwehrgranatwerfer, einem großkalibrigen Maschinengewehr und mit Kleinwaffen. Es gab keine Verluste unter den ukrainischen Verteidigern. Ähnliche Provokationen gab es auch an anderen Wochentagen.
Gefangenenaustausch, der nicht stattfand: Medwedtschuks PR-Aktion
Am 20. und 21. Januar sollten die prorussischen Rebellen der sogenannten “Volksrepubliken Donezk und Luhansk” eine Gruppe von Gefangenen unter Umgehung offizieller Vereinbarungen und unter Vermittlung von Viktor Medwedtschuk an die Ukraine übergeben. Doch dazu ist es nicht gekommen. Das Schicksal der Gefangenen ist weiterhin unklar.
Viktor Medwedtschuk, prorussischer Politiker und Besitzer mehrer TV-Sender, ist Abgeordneter des ukrainischen Parlaments und Chef des politischen Rates der Partei “Oppositionelle Plattform – Fürs Leben”. Er gilt als enger Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin, der Patenonkel von Medwedtschuks Tochter ist.
Wie hat alles angefangen? Erste Informationen über einen “außerplanmäßigen” Austausch erschienen am 16. Januar über Propagandamedien der “Volksrepubliken”. Schon damals hieß es, die Übergabe von Gefangenen an die ukrainische Seite sei von Medwedtschuk vermittelt worden. Jedoch war unklar, wie viele Personen freigelassen werden sollten. Unter ihnen seien angeblich “Frauen, ältere und schwerkranke Menschen”.
Die ukrainische Delegation in der Minsker Trilateralen Kontaktgruppe teilte mit, keine genauen Angaben zu dieser Liste zu haben. Die ukrainische Ombudsfrau Ljudmyla Denysowa sagte, neun Personen würden auf einen Austausch vorbereitet und die Reise der Gefangenen nach Kiew solle in den besetzten Gebieten beginnen, jedoch nicht über die Trennlinie führen, sondern über zwei Länder: Russland (Rostow am Don) und Belarus (Minsk).
Flugzeug startete nicht. Am Abend des 21. Januar sagte Leonid Krawtschuk, Leiter der ukrainischen Delegation in der Kontaktgruppe, im ukrainischen TV-Sender “Kanal 5”, die Überstellung von Gefangenen sei gestoppt. Laut dem ukrainischen Ex-Präsidenten sollten die illegal gefangen gehaltenen Ukrainer per Flugzeug weggebracht werden.
“Diese Sache ist gestoppt, und zwar sehr einfach. Das Flugzeug, das die Leute bringen sollte, ist nicht gestartet. Nicht, weil es keinen Treibstoff oder sonst was gab”, sagte Krawtschuk. Er machte deutlich, dass ein solcher “Austausch” – angeblich von Medwedtschuk organisiert – problematisch sei, da dabei alle Vereinbarungen innerhalb der Kontaktgruppe oder auf höchster Staatsebene umgangen würden.
“Es stellt sich die einfache Frage: Wer sitzt im Flugzeug? Haben diese Leute Pässe? Sind sie im entsprechenden Register eingetragen?”, fragte Krawtschuk und betonte, die Reise habe über mehrere Staaten führen sollen. Dies bezeichnete er als “unmögliche Sache”.
Reaktionen aus der Kontaktgruppe. Aus der Trilateralen Kontaktgruppe hieß es, bekannt sei, dass neun Personen auf dem besetzten ukrainischen Territorium gefangen, nach Rostow gebracht und dort festgehalten worden seien, nur um sie Viktor Medwedtschuk zu “übergeben”. Gemäß staatlichen Verfahren müssten diese Personen aber nach Überqueren der ukrainischen Grenze unter Beobachtung gestellt und einer umfassenden Überprüfung durch die Geheimdienste unterzogen werden. Faktisch belaste der Kreml und Medwedtschuk diese Personen zusätzlich, indem versucht werde, sie vorbei am offiziellen Verfahren zur Freilassung von Gefangenen, aber über die Kontaktgruppe als Plattform zu überstellen.
Stellungnahme des Außenministeriums. Das ukrainische Außenamt teilte im Zusammenhang mit Medwedtschuks skandalöser Initiative mit, sie sei ein “Schlag gegen das Normandie-Format und die Trilaterale Kontaktgruppe”. “Die Entscheidung Russlands, nicht an die Ukraine, sondern an eine Privatperson, und zwar an Viktor Medwedtschuk, eine Gruppe ukrainischer Staatsbürger, die seit langem in dem vorübergehend besetzten Gebiet in den Regionen Donezk und Luhansk inhaftiert sind, zu übergeben, verstößt grob und offen gegen etablierte Mechanismen zur Lösung solcher humanitären Probleme”, so das ukrainische Außenministerium. Es appellierte erneut an Moskau, sich an die Vereinbarungen im Normandie-Format (Ukraine, Deutschland, Frankreich, Russland) zu halten, insbesondere das Internationale Komitee vom Roten Kreuz zu den Gefangenen zuzulassen und alle Gefangenen ohne zusätzliche Bedingungen freizulassen.
Pro-Nawalny-Aktion in Kiew: Streit zwischen seinen Anhängern und Kritikern
Am 23. Januar, dem Tag der Massenproteste in Russland, haben mehrere Dutzend Menschen eine Kundgebung zur Unterstützung des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny in der Nähe der russischen Botschaft in Kiew abgehalten. Gegen Ende der Aktion kam es jedoch zwischen den Teilnehmern der Aktion und rund zwei Dutzend Männern zu einem Streit. Die Männer rissen Plakate zur Unterstützung von Nawalny, die am Zaun des Botschaftsgebäudes von den Demonstranten befestigt worden waren, ab. Auch rissen sie ihnen Plakate aus den Händen. Zwischen den Seiten kam es zu Wortgefechten. Die Männer betonten dabei, Nawalny habe die Annexion der Krim unterstützt. Der Streit eskalierte und es kam auch zu einer Schlägerei. Die Gegner der Kundgebung für Nawalny wurden später von der anwesenden Polizei zurückgedrängt. Zwei Männer wurden festgenommen, später jedoch wieder freigelassen.
Wofür wird Nawalny in der Ukraine kritisiert? Die kritische Haltung der ukrainischen Öffentlichkeit gegenüber Nawalny hängt mit seinen Äußerungen über die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland zusammen. Im Jahr 2014 sagte Nawalny in einem Interview für den russischen Sender “Echo Moskwy”, die Krim werde Teil Russlands bleiben und riet den Ukrainern, “sich nicht selbst zu betrügen”. Zugleich betonte Nawalny aber, die Krim sei unter Verletzung aller internationaler Normen besetzt worden.
Ukraine will Ausschluss der Rechte Russlands im Europarat. Unterdessen will Kiew im Zusammenhang mit der Inhaftierung von Alexej Nawalny in Russland einen erneuten Ausschluss der Rechte der russischen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) verlangen. Die ukrainische Internetzeitung “Jewropejska Prawda” (Europäische Wahrheit) berichtet unter Berufung auf die Deutsche Welle, dies habe die Leiterin der ukrainischen Delegation, die Abgeordnete der regierenden Partei “Diener des Volkes”, Maria Mesenzewa erklärt.
Ihr zufolge wollen die ukrainischen Abgeordneten und Parlamentarier aus Litauen, Lettland, Estland und Georgien während der Eröffnung der Sitzung, wenn die Rechte der nationalen Delegationen offiziell bestätigt werden, ein Verfahren zur Anfechtung der Rechte der russischen Delegation initiieren. Russland könnte der Verstoß gegen Artikel 5 des Statuts des Europarates zur Last gelegt werden. Der Artikel besagt, dass jeder Mitgliedstaat Rechtsstaatlichkeit respektieren und den Schutz aller seiner Bürger und ihrer Grundfreiheiten gewährleisten muss.
Sollte die Initiative unterstützt werden, muss die Frage vom Monitoringausschuss der PACE, der über die Einhaltung der von den Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen Verpflichtungen überwacht, geprüft werden. In einer Entschließung kann der Ausschuss der Versammlung empfehlen, die Rechte zu bestätigen, sie nicht zu bestätigen oder sie nur eingeschränkt zu bestätigen.
Wie bereits berichtet, hat die ukrainische Delegation auch eine Debatte über die Verletzung von Menschenrechten auf der Krim durch Russland initiiert. Die diesjährige PACE-Wintersitzung findet vom 25. bis 29. Januar statt. Die Delegierten können persönlich in Straßburg anwesend sein oder auch online teilnehmen. Die ukrainische Delegation beschloss, persönlich zu erscheinen.
Der russischen Delegation war im April 2014 nach der Annexion der Krim das Stimmrecht in der PACE entzogen wurde. Aus Protest weigerten sich die Russen, an Sitzungen teilzunehmen. Moskau hatte auch seine Mitgliedsbeiträge zum Europarat eingestellt.
Wochenüberblick über den hybriden Einfluss Russlands auf die Ukraine
Die Hybrid Warfare Analytical Group (HWAG) des Ukraine Crisis Media Center (UCMC) legt einen wöchentlichen Überblick zum hybriden Einfluss Russlands mit Schwerpunkt auf der Ukraine vor:
- Die Kreml-Medien bezeichnen die ukrainische Regierung im Zusammenhang mit der Inkraftsetzung des Gesetzes über den Gebrauch der ukrainischen Sprache im Dienstleistungsbereich als “russophob”
- Russland hat offiziell ein Programm zur Massenimpfung gestartet und propagiert weiterhin den nicht überprüften Impfstoff Sputnik V
- Der prorussische Politiker und Medienbesitzer Viktor Medwedtschuk hat einen neuen PR-Trick organisiert: einen sogenannten “Gefangenenaustausch” mit den Marionetten-“Republiken” des Kremls in der Ostukraine (vorbei an allen offiziellen Stellen)
Einzelheiten dazu auf der Facebook-Seite der HWAG.
Wie die Ukraine gegen COVID-19 kämpft
Am 24. Januar wurden in der Ukraine 2516 neue Corona-Fälle registriert, 1166 Personen kamen ins Krankenhaus, 63 Patienten sind an COVID-19 gestorben und insgesamt 5783 Personen wurden als genesen gemeldet.
Positive Entwicklung in der letzten Woche. Gesundheitsminister Maksym Stepanow sagte am 25. Januar bei einem Briefing, die wöchentlichen Zahlen zur Ausbreitung des Coronavirus hätten sich nach einer Phase strenger Quarantäne zwischen dem 8. und 24. Januar verbessert. “Letzte Woche wurden 30.612 Fälle von Coronavirus-Erkrankungen festgestellt. Dies sind fast 14.000 weniger als in der vorletzten Woche. Letzte Woche wurden 144.280 PCR-Tests und 20.207 Antigen-Schnelltests durchgeführt. Letzte Woche wurden 11.630 Menschen ins Krankenhaus eingeliefert. Dies ist weniger als in der vorletzten Woche, als 13.555 Patienten ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Es werden inzwischen auch mehr Menschen aus Krankenhäusern entlassen, als eingewiesen. Die Zahlen sind recht optimistisch und deuten auf eine Verbesserung der Lage hin”, sagte der Minister.
Ende des harten Lockdowns ab 25. Januar. Seit dem 25. Januar gelten in der Ukraine wieder weniger strenge Quarantäne-Maßnahmen. Das Gesundheitsministerium wird jedoch die Lage in den einzelnen Regionen weiter analysieren.