Was während der Waffenruhe im Donbass passiert, Prognosen zu Lokalwahlen, Umfrage über Regierung und weitere Themen

Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine

Die Situation im Einsatzgebiet der ukrainischen Vereinten Kräfte hat sich verschlechtert. Am 6. September haben die bewaffneten Verbände der Russischen Föderation gegen die am 22. Juli 2020 erzielten Vereinbarungen verstoßen. Der Feind beschoss Stellungen der ukrainischer Verteidiger in der Nähe von Krasnohoriwka mit Granatwerfern. Dadurch wurde ein Soldat der Streitkräfte der Ukraine verwundet. Er wurde rechtzeitig medizinisch versorgt und in eine Klinik gebracht.

An einem anderen Teil der Front eröffnete der Feind das Feuer mit Kleinwaffen auf die ukainischen Verteidiger in der Nähe von Prytschepyliwka in der Region Luhansk. Ein ukrainischer Soldat wurde bei dem Beschuss getötet.

Ebenfalls am 6. September gaben die russischen Besatzungstruppen zweimal provokative Schüsse von einem Granatwerfer in der Nähe des Dorfes Schumy ab. Am Morgen des 7. September wurde an allen Einsatzbereichen der ukrainischen Einheiten kein Beschuss durch den Feind verzeichnet. Entlang der gesamten Trennlinie wurde die Waffenruhe eingehalten.

Reaktion des Außenministeriums der Ukraine. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat ein dringendes Gespräch mit dem Außenminister der Russischen Föderation, Sergej Lawrow, initiiert, um die Provokationen der illegalen bewaffneten Gruppierungen im Donbass zu erörtern, bei denen ein ukrainischer Soldat getötet und ein anderer verwundet wurde.

“Heute haben illegale bewaffnete Gruppierungen im Einsatzgebiet der Vereinten Kräfte Provokationen durchgeführt, bei denen ein ukrainischer Soldat getötet und einer verwundet wurde. Dies sind offensichtliche Versuche, die Waffenruhe zu stören und den Friedensprozess im Allgemeinen erheblich zu behindern”, schrieb er auf Facebook.

Die Ukraine hat im Zusammenhang mit diesen Provokationen dringende Maßnahmen eingeleitet, die in der Vereinbarung der Trilateralen Kontaktgruppe vom 22.07.2020 über die Inkraftsetzung eines Pakets zusätzlicher Maßnahmen zur Unterstützung der Waffenruhe ab dem 27.07.2020 vorgesehen sind. Sie hat sofort einen Koordinierungsmechanismus aktiviert, um mit Unterstützung des Gemeinsamen Kontroll- und Koordinierungszentrums auf die Verletzung der Waffenruhe zu reagieren. Ferner hat sie die Sonderbeobachtungsmission der OSZE in der Ukraine über den Vorfall informiert.


Waffenruhe im Donbass: Gibt es sie wirklich?

Bedingte Ruhe. Im Juli hatten sich die Seiten in Minsk auf die 29. Waffenruhe geeinigt. Davor gab es viele Waffenruhen: zu “Ostern”, im “Frühling”, zum “Schulbeginn” und “Neujahr” sowie zu “Weihnachten”. Aber anders als die jetzige hielt keine länger als zwei Wochen, da normalerweise die prorussischen Rebellen als erste die Vereinbarungen brachen.

Die sogenannten “Militärs” in den selbsternannten “Volksrepubliken” zogen tatsächlich Waffen zurück. Sie wurden angewiesen, nicht zu schießen, aber alle blieben in ihren Stellungen”, sagte ein Mann aus der besetzten Region Donezk gegenüber der Internetzeitung “Ukrajinska Prawda”.

Auch dem ukrainischen Militär ist es weiterhin untersagt, zu schießen, insbesondere der Einsatz von Scharfschützen, aber auch die Platzierung schwerer Waffen am Rande von Ortschaften ist verboten. Untersagt sind auch Offensiv- und Aufklärungs- und Sabotage-Operationen sowie der Einsatz von Drohnen.

Was die OSZE feststellt. Die OSZE  hat von Juli bis August 829 solcher Verstöße registriert. Vom Pressezentrum des ukrainischen Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates hieß es, dass die Waffenruhe im Allgemeinen umgesetzt werde und es keine systematischen Verstöße gebe. 

Doch es blieb nicht ohne menschliche Verluste. Im Juli kamen drei Personen nicht durch Kämpfe ums Leben. Diese Todesfälle tauchen in den Berichten der ukrainischen Vereinten Kräfte nicht auf. Das Pressezentrum erklärte dazu, dass entsprechende Informationen auch früher nicht angegeben worden seien. “In der Öffentlichkeit über Verluste außerhalb von Kämpfen zu sprechen, bedeutet, gewisse Fehler zuzugeben, was niemand will”, so ein Soldat. Einer der Gründe für die Todesfälle sei unachtsamer Umgang mit Waffen.

Schleichende Verstärkung. Entlang der Frontlinie erhöht der Feind seine Stärke. “Nach Angaben des ukrainischen Geheimdienstes wurden kürzlich 700 Tonnen Treibstoff und Schmieröl sowie sechs Waggons mit Munition per Eisenbahn in das besetzte Gebiet geliefert. Man kann aber nicht von einer ernsthaften Verstärkung sprechen, denn das ist eine sehr geringe Zahl. Aber dies ist nur das, was bekannt geworden ist. Die Verstärkung könnte in Wirklichkeit noch viel größer sein”, sagte Andrij Rymaruk, ein ehemaliger Mitarbeiter der ukrainischen Aufklärung, der heute als Freiwilliger für die Stiftung “Kehre lebendig heim” tätig ist. Ihm zufolge wird in Berichten der OSZE-Mission in regelmäßig das Vorhandensein einer großen Anzahl schwerer Waffen entlang der Trennlinie verzeichnet, aber auch die Ankunft von Militärfahrzeugen über Straßen, die über die von Kiew nicht kontrollierte ukrainisch-russische Staatsgrenze führen.

Darüber hinaus hat der Feind die Waffenruhe ausgenutzt, um seine Stellungen an der vorderen und hinteren Frontlinie deutlich zu verstärken. So haben die illegalen bewaffneten Gruppierungen Gräben in der Nähe von Solote-5 und Uschiwka ausgehoben und in der Nähe von Chutir Wilnyj und Marjinka Bauarbeiten durchgeführt. Dies wird auch in den OSZE-Berichten bestätigt.

Unruhe unter prorussischen Rebellen. Wie aus Donezk zu hören ist, sind die Söldner nervös. Bisher erhielten sie hohen Sold, doch jetzt sind die “Kriegs-Honorare” bescheidener geworden, und das nicht nur, weil es derzeit kein “Kampfgeld” gibt, sondern auch, weil Russland weniger Geld in die “Republiken” pumpt.

Diese verfügen ferner nicht mehr über genügend Mann, da es unter den Einheimischen keine Kampfwilligen gibt. Die “Touristen”, das heißt Bürger der Russischen Föderation, die geschickt werden, sind nicht gerade die professionellsten. Die Besatzungsmacht versteht jedoch, dass es wichtig ist, durchzuhalten, und die Anführer der Terroristen wissen, dass sie nirgendwo unterkommen können. Sie wissen auch, dass sie in der Ukraine keine politischen Perspektiven haben und in Russland nicht erwartet werden.

Waffenruhe im Austausch für politische Zugeständnisse. Die Ukraine bemüht sich mit allen Kräften, die wackelige Waffenruhe aufrechtzuerhalten. Russland hingegen versucht, durch Provokationen sowohl an der Front als auch auf diplomatischer Ebene, seine Forderungen durchzusetzen und die Ukraine mit den prorussischen Rebellen an einen Verhandlungstisch zu bringen, vor allem zum Thema Lokalwahlen im Donbass. 

Russlands Vertreter in Minsk, Dmitrij Kosak, versucht unterdessen, ein Treffen der politischen Berater im Normandie-Format (Ukraine, Deutschland, Frankreich und Russland) abzusagen. Und Russland weigert sich in Minsk sogar, wegen der ungelösten Frage von Wahlen im Donbass Gefangene auszutauschen.

Gleichzeitig ist aus Moskau, Donezk und Luhansk synchron zu hören: Die Ukraine habe um eine Waffenruhe gebeten, mit dem Versprechen, während ihr zu verhandeln. Aber nach wie vor sei es nicht dazu gekommen. Daher könne die Waffenruhe, die bisher längste des Krieges im Donbass, jederzeit  enden.


Lokalwahlen in der Ukraine: Erste Prognosen

Am 5. September begann in der Ukraine offiziell der Wahlkampf zu den Kommunalwahlen am 25. Oktober. Die Regierungspartei “Diener des Volkes” von Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich aber erst vor kurzem entschieden, wen sie als Bürgermeister ins Rennen schicken will. Doch um deren Chancen steht es schlecht.

Medienberichten zufolge könnten die “Diener des Volkes” in nur drei großen Städten einen Sieg bei den Bürgermeisterwahlen erringen: in Riwne, Tscherniwzi  und Krywyj Rih. In den Städten Mykolajiw, Cherson und Uschhorod könnte es ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben. In allen anderen Städte hat die Partei keine besonderen Aussichten.

Was sind die Hauptgründe?

Probleme mit Kandidaten. Der ukrainische Politologe Serhij Hajdaj sagte dem Sender “Hromadske”, die Liste von Selenskyjs Bürgermeisterkandidaten zeuge von Personalmangel vor Ort. “Kompetenz in der Politik heißt, ein Team aufzustellen. Wenn man weiß, was man will, dann weiß man auch, wen man braucht. Aber wenn man das nicht versteht, wird man von zufälligen Menschen umgeben”, so Hajdaj.

Fehlende Ortsverbände. Ein weiteres Problem, das schon letztes Jahr auffiel, ist der Aufbau der Partei. Vor dem Hintergrund der schnellen Entwicklung im letzten Jahr sei nicht an den Aufbau der Partei gedacht worden. Ortsverbände seien erst im Mai und Juni dieses Jahres gegründet worden.

Später Start der Kampagne. Die meisten Kandidaten haben ihren Wahlkampf zu spät begonnen. Ein Grund ist die Corona-Quarantäne. Ein weiterer ist, dass die Ortsverbände kein Geld von Kandidaten annehmen durften, um den Eindruck zu vermeiden, Listenplätze könnten “verkauft” werden.

Erst Ende Juli kam aus Kiew die Erlaubnis, Geld von Kandidaten annehmen zu dürfen, aber nicht für einen Platz auf der Liste, sondern “für begündete Kosten des Wahlkampfs”. Dadurch versäumte die Partei alle möglichen Fristen. Die realen Anwärter auf einen Sieg bei den Bürgermeisterwahlen hatten ihren Wahlkampf schon zu Jahresbeginn vorbereitet und im Sommer gestartet. Fast alle “Diener des Volkes” starten erst jetzt. Daher werden drei bis fünf Wahlsiege für die Präsidenten-Partei schon als gutes Ergebnis gelten. 

Vor einem Jahr hatte allein das “Label” der Partei bei den Parlamentswahlen wenig bekannten Kandidaten zu einem Sieg gegen erfahrene Politiker verholfen. Bei den Bürgermeisterwahlen wird das so nicht mehr funktionieren. Einer der Gründe ist auch die Dezentralisierung. Denn die Bürgermeister erhielten gewaltige Mittel, die sie in den Ausbau ihrer Städte steckten. Dadurch genießen sie bei den Wählern eine konstant hohe Unterstützung.


Umfrage: Das Vertrauen in die Regierung sinkt

Während in der politischen Saison zwischen Herbst 2019 und Frühjahr 2020 in der Ukraine das Vertrauen der Öffentlichkeit in die neue ukrainische Führung rasch zunahm, sinken die Werte in der Saison ab Herbst 2020. Dies belegen die Ergebnisse einer Umfrage, die vom Kiewer Rasumkow-Zentrum zusammen mit der Ilko-Kutscheriw-Stiftung “Demokratische Initiativen” durchgeführt wurde.

Wem misstrauen die Ukrainer? 49% der Bürger vertrauen nicht dem Präsidenten, 75% vertrauen nicht dem Parlament, 72% vertrauen nicht der Regierung und 78% vertrauen nicht dem Staatsapparat insgesamt. Der Umfrage zufolge sinkt das Vertrauen in die Behörden überhaupt. Im Dezember 2019 misstrauten 51,5% der Befragten der Regierung, im Juli 2020 waren es bereits 72%. Dem Parlament misstrauten entsprechend 54% bzw. 75%, dem Präsidenten 31% bzw. 49%.

71% der Befragten vertrauen keinen politischen Parteien und etwa 50% vertrauen keinen Gewerkschaften. Hohes Misstrauen herrscht gegenüber der Justiz im Allgemeinen (77,5%), dem Obersten Gerichtshof (69%) und den örtlichen Gerichten (67,5%).

Wem vertrauen die Ukrainer? Der Umfrage zufolge vertrauen die ukrainischen Bürger am meisten den Streitkräften des Landes (65%), der Kirche (63%) und Freiwilligenorganisationen (63%). Die meisten Ukrainer vertrauen ferner: dem Staatlichen Katastrophenschutz (53%), Freiwilligen-Bataillonen (53%), dem Staatlichen Grenzschutz (52%), den ukrainischen Medien (50%), der Nationalgarde (49%) und NGOs (47%).


Wie die Ukraine gegen COVID-19 kämpft

Am 6. September wurde in der Ukraine innerhalb eines Tages bei 2174 Personen eine Coronavirus-Infektion bestätigt. 379 Patienten wurden als genesen gemeldet. 31 Personen sind gestorben. 

Mit 2836 Personen wurde am 4. September die bisher höchste Zahl Infizierter pro Tag in der Ukraine gemeldet. Dies geht aus Angaben den Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates zur Ausbreitung des Coronavirus hervor. 

Insgesamt wurde in der Ukraine bislang bei 138.068 Menschen das Coronavirus diagnostiziert. Davon sind 2877 verstorben. 62.606 Menschen gelten inzwischen als genesen. 72.585 Personen gelten derzeit als erkrankt.