Wochenübersicht der ukrainischen Pressenachrichten vom 22. bis 28. März 2016

Situation in der ATO-Zone

Die Situation in der Konfliktzone in der Ostukraine ist angespannt. Die pro-russischen Militärverbände aktivierten sich entlang der ganzen Kontaktlinie. Dabei setzten sie schwere Waffen ein, die gemäß den Minsker Vereinbarungen abgezogen werden sollten. Außerdem griffen die pro-russischen Militärverbände die ukrainischen Checkpoints häufiger an.

In der vergangenen Woche wurden ukrainische Checkpoints von den illegalen Militärverbänden 303 Mal beschossen. Infolge des Beschusses und durch Sprengfallen kamen vier ukrainische Soldaten ums Leben und 47 weitere wurden verletzt.

In der Nähe von Awdijiwka wurden Kampfhandlungen zwischen ukrainischen Truppen und pro-russischen Militärverbänden festgestellt. Seit drei Wochen werden die ukrainischen Checkpoints in diesem Frontabschnitt aktiv beschossen. In der vergangenen Woche wurden hier drei Angriffe der prorussischen Kräfte zurückgeschlagen.

Gestern wurden die ukrainischen Streitkräfte bei den ukrainischen Siedlungen Luhanske, Pisky, Opytne und Saizewe (Frontabschnitt des Gebietes Donezk) beschossen (Bericht über Lage in der ATO-Zone, Stand vom 27.03.2016, auf Englisch).

Die russischen Kräfte verringern die Anzahl der ukrainischen Gefangenen und erlauben der Mission des Roten Kreuzes und Angehörigen nicht, ihren Zustand zu prüfen. Dies berichtete die vom Präsidenten zur friedlichen Lösung der Situation im Donbass Bevollmächtigte, Iryna Heraschtschenko, nach der Sitzung der Dreiseitigen Kontaktgruppe zu humanitären Fragen. Die Vertreter der „Luhansker Volksrepublik“ (LVR) verneinen, dass einige ukrainische Soldaten in Gefangenschaft festgehalten werden. Vor kurzem besprachen sie entsprechende Strafverfahren gegen diese Soldaten nach dem sogenannten „Strafgesetzbuch der LVR“.

Die Dreiseitige Kontaktgruppe vereinbarte in Minsk, dass sie eine „Road Map“ zur Befreiung und zum Austausch der Gefangenen ausarbeiten wird. Darüber berichtete der Sondergesandte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Martin Saidik (Meldung auf Englisch).

Die Vereinten Nationen bestätigten, dass Ausländer in den vorübergehend besetzten Gebieten kämpfen, die Mitglieder der pro-russischen Militärverbände der „Volksrepubliken Donezk und Luhansk“ sind. Die UN-Arbeitsgruppe teilte mit, dass ihr 176 Ausländer namentlich bekannt sind, die sich an illegalen Militärverbänden beteiligen (Meldung auf Englisch).

Ohne Rücksicht auf die kürzlich während des Treffens der trilateralen Kontaktgruppe in Minsk geschlossene Vereinbarung über ein Verbot von Truppenübungen in einer Zone von 30 Kilometern entlang der Kontaktlinie, halten die pro-russischen Militärverbände weiterhin Truppenübungen in den besetzten Gebieten des Donbass ab.

Während es an der Kontaktlinie zu schweren Kampfgefechten kommt, werden weiterhin Industrieobjekte in den besetzten Gebieten demontiert und abtransportiert. Aktuell traf es die Maschinenbaufabrik in der Stadt Charzysk, wo der Maschinenpark nach Russland geschafft wurde.

Die OSZE-Beobachtermission dokumentiert seit Beginn ihrer Arbeit in der Ostukraine Fakten, die die Beteiligung der russischen Streitkräfte im kriegerischen Konflikt im Donbass beweisen können. Das erklärte der stellvertretende Leiter der speziellen Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Ukraine, Alexander Hug. Dabei unterstrich er, dass die Mission nur über das berichte, was sie auch selbst gesehen und gehört habe, jedoch ziehe sie daraus keine eigenständigen wertenden Schlüsse. (Mitteilung auf Englisch). Die OSZE-Beobachtermission sieht bereits seit 2 Jahren russische Waffen und Soldaten in der Ukraine: Material von Kyiv Post.

Die Militäraufklärung stellt weitere Fälle der Versorgung des 1. Armeekorps (Donezk) und des 2. Armeekorps (Luhansk) der Streitkräfte der Russischen Föderation mit Munition und spezieller Militärtechnik vom Territorium der Russischen Föderation aus fest. Das berichtet die Hauptabteilung der Militäraufklärung im Verteidigungsministerium der Ukraine. Innerhalb einer Woche wurden die pro-russischen Militärverbände mit sieben Eisenbahn-Containern beliefert, in denen sich Munition für verschiedene Waffensysteme befanden.

Ebenso erlangte die ukrainische Militäraufklärung Kenntnis davon, dass die Administration des russischen Präsidenten beschlossen hat, 25 Millionen russische Rubel an das Ministerium für Post- und Telekommunikation der sogenannten „Donezker Volksrepublik“ zu überweisen. Die Gelder sind für den Erwerb von Telekommunikationsausrüstung bestimmt.

Russland bereitet sich auf eine Wiederaufnahme aktiver Kampfhandlungen in den besetzten Gebieten vor. “Das Hauptziel ist, den Druck auf die Ukraine zu erhöhen, Bedingungen für eine Revision der Minsker Vereinbarungen zu schaffen und das Verhandlungsformat zu russischen Bedingungen zu ändern”, erklärte Wadym Skibizkyj, Vertreter der Hauptabteilung der ukrainischen Militäraufklärung im Verteidigungsministerium der Ukraine, während einer Pressekonferenz vor Journalisten im “Ukraine Crisis Media Center” (UCMC-Pressemitteilung auf Deutsch).

Die politische Krise

Letzte Woche sind für das Amt des Premierministers zwei Kandidaten vorgeschlagen worden. Finanzministerin Natalie Jaresko erklärte sich zur Kandidatur bereit, aber nur unter der Bedingung, dass eine technokratische Regierung gebildet wird und die Parteien auf ihre “Quoten” auf Ministerämter verzichten. Jareskos Kandidatur unterstützen die westlichen Partner der Ukraine.

Medien berichten, dass ungeachtet der öffentlichen Erklärungen, wonach der ukrainische Präsident Petro Poroschenko eine technokratische Kandidatin Jaresko in Erwägung gezogen habe, ihre Kandidatur jedoch weder vom Umfeld des Präsidenten noch des Premierministers Arsenij Jazenjuk begrüßt worden sei. So habe man sich nach fünf Wochen geheimer Verhandlungen zwischen Vertretern des Präsidenten und des Premiers auf den Kompromisskandidaten Wolodymyr Hroisman geeinigt, den derzeitigen Parlamentsvorsitzenden. Hroisman gehört zum engen Kreis Poroschenkos.

Am 24. März schlug die Fraktion des “Blocks Petro Poroschenko” Hroisman als Kandidaten für das Amt des Premierministers vor. Hroisman erklärte sich bereit, die Führung der Regierung zu übernehmen, sollten die Fraktionen der Koalition seine Kandidatur unterstützen. Am 25. März stellte Hroisman den Fraktionsführern ein Regierungsprogramm vor. Hroisman nannte mögliche Kandidaten für Ämter in seiner Regierung: Ivan Mikloš (ehemaliger Vize-Premierminister und Finanzminister der Slowakischen Republik), Julija Kowaliw, heute stellvertretende Wirtschaftsministerin, sowie Maksym Nefjodow, derzeit stellvertretender Minister für wirtschaftliche Entwicklung.

Gestern erklärte Premierminister Arsenij Jazenjuk, dass die Verhandlungen über die Regierungsbildung im Rahmen des Parlaments auf eine öffentliche Ebene übergehen sollten: “Ich bin zu Gesprächen mit allen Koalitionspartnern in einem beliebigen Format bereit. Aber verantwortungsvolle Entscheidungen der Koalition sollten im Rahmen der Koalition getroffen werden: klar und transparent für unsere Gesellschaft, mit ehrlichen und professionellen Argumenten.”

Vergangene Woche wurde auf einem Parteikongress des “Blocks Petro Poroschenko – Solidarität” hinter verschlossenen Türen beschlossen, die Vollmachten der Abgeordneten Mykola Tomenko und Jegor Firsow vorzeitig zu beenden, da sie zuvor aus der Parlamentsfraktion der Partei ausgetreten waren. Firsow verließ die Fraktion des “Blocks Petro Poroschenko” am 8. Februar. Er begründete dies damit, dass er nicht mehr zusammen mit Ihor Kononenko, dem Korruption vorgeworfen wird, in einer Fraktion sein wolle.

Konfrontation in der Generalstaatsanwaltschaft

Der Oberste Rat, das Parlament der Ukraine, hat immer noch nicht über den Rücktritt des umstrittenen Generalstaatsanwalts Wiktor Schokin entschieden, obwohl ein entsprechendes Gesuch bereits im Februar eingereicht worden war. (Das Parlament soll über Schokins Rücktritt am 29. März beraten).

Im Juli 2015 wurden in Kiew Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft festgenommen, bei denen 500.000 US-Dollar und Brillanten entdeckt wurden. Wegen dieser hohen Summe wurde der Fall als „brillante Staatsanwälte“ bezeichnet. Nach dieser Verhaftung begann innerhalb der Generalstaatsanwaltschaft eine Auseinandersetzung zwischen dem Generalstaatsanwalt Wiktor Schokin, dem die Öffentlichkeit vorwirft, die „brillanten Staatsanwälte“ zu schützen, und dem stellvertretenden Generalstaatsanwalt David Sakwarelidse, der versucht, die Behörde zu reformieren. Dieser Fall wurde regelmäßig sabotiert und weitere Ermittlungen wurden auf jedwede Weise behindert. Die Ermittlungsbeamten bei der Generalinspektion der Generalstaatsanwaltschaft in der Ukraine (GPU), die sich mit der Untersuchung von Korruptionsfällen innerhalb der GPU beschäftigten, insbesondere im Fall der „brillanten Staatsanwälte“, wurden entlassen (UCMC-Pressemitteilung auf Deutsch).

Am Freitag (25.03.) und Montag (28.03) hielten Aktivisten und gesellschaftliche Organisationen eine Kundgebung ab, auf der sie Schokins Rücktritt vom Amt des Generalstaatsanwalts forderten. Nach Ansicht der Teilnehmer kann nur öffentlicher Druck helfen, diese korrupte Behörde zu reformieren.

Zugleich erklärte das “Zentrum zur Bekämpfung von Korruption”, eine für ihre Anti-Korruptions-Aktivitäten bekannte gesellschaftliche Organisation, sie werde von der Generalstaatsanwaltschaft unter Druck gesetzt. Ein Kiewer Gericht hatte Ermittlern der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft erlaubt, bei dem Zentrum Gegenstände und Dokumente zu beschlagnahmen, auch solche Dokumente, die unter das Bankgeheimnis fallen und Banken gehören, bei denen die gesellschaftliche Organisation Kunde ist.

Der Streit um die Staatsanwaltschaft wird zunehmend politisch gefärbt. Mehrere Abgeordnete aus verschiedenen Fraktionen richteten an den Chef der Generalstaatsanwaltschaft Wiktor Schokin ein Schreiben, in dem sie ihn auffordern, den stellvertretenden Generalstaatsanwalt David Sakwarelidse zu entlassen. Der Brief ist auf der Webseite der Behörde veröffentlicht. Er ist unterzeichnet von Abgeordneten des “Blocks Petro Poroschenko”, der “Volksfront” (Partei des Premiers Arsenij Jazenjuk), der Partei “Wiedergeburt” sowie von fraktionslosen Abgeordneten.

Kritisch eingestellte Abgeordnete werden aus der pro-Präsidenten-Partei ausgeschlossen:  Kyiv Post

Аuf der annektierten Krim

Bei der Bürger-Initiative “Krim SOS” ist man der Meinung, dass eines der größten Probleme und Verletzungen des Völkerrechts die Militarisierung der annektierten Halbinsel ist. Die Krim werde in eine weitere Militär-Insel Russlands verwandelt. In letzter Zeit werde die Verlegung von Militärtechnik auf die Krim und Truppenmanöver auf der Halbinsel beobachtet.

Wirtschaft

Im Gegensatz zur ukrainischen Politik gibt die Wirtschaft Anlass zum Optimismus. Erstmals seit den vergangenen drei Jahren ist der Index der Industrieproduktion gestiegen. Im Vergleich zum Februar 2015 betrug dieser Wert 107,6 Prozent. Die Arbeitseffektivität verbesserte sich auch bei Staatsunternehmen: laut Ergebnissen von 2015 erwirtschafteten die TOP-17 Staatsunternehmen einen Gewinn von 2,6 Milliarden Hryvna, was um fast 10 Milliarden Hryvna mehr war als 2014 (damals betrugen ihre Verluste 7,4 Milliarden Hryvna). Der Gesamtgewinn der Unternehmen mit Staatsbeteiligung betrug 2015 11,1 Milliarden Hryvna, was um 56 Prozent mehr war als im Jahr zuvor. Dies rührte von den Regeländerungen, die sich auf die Korruptionsbekämpfung richteten, sowie auf höhere Transparenz und der besten Verwaltungspraktik 2015. Für eine weitere Festigung dieses positiven Trends muss das Parlament noch mehrere Gesetzentwürfe beschließen. Aber dies ist nur dann möglich, wenn die politische Krise überwunden wird.

Nachfolgend eine Auswahl an englischen Interviews, Analysen und Videos zur Situation in der Ukraine

Dokumentarfilm

Russischer Frühling auf der Krim: zwei Jahre danach: Video von Hromadske International.

Reportage

Reportage von der Front: Was spielt sich bei Awdiiwka ab?: Filmmaterial von Ukraine Today über den gefährlichsten Frontabschnitt.

Der Rechtsanwalt der inhaftierten Soldaten der russischen GRU-Spezialkräfte wurde tot aufgefunden: Reportage von Kyiv Post

Girkin alias Strelkow, ehemaliger Verteidigungsminister der sogenannten DVR, Russe und ehemaliger GRU- Agent: die pro-russischen Kräfte haben den Donbass in eine Ruine und ein Armenhaus verwandelt: Kyiv Post

Was können die ukrainischen Start-Ups in Europa verkaufen?: Reportage von Hromadske International

“Der Gesundheitszustand von Nadija Sawtschenko verschlechtert sich»: Reportage von Ukraine Today

Petro Poroschenko unterstützt die Kandidatur des Rada-Vorsitzenden Wolodymyr Hroisman für den  Posten des Ministerpräsidenten der Ukraine: Reportage von KyivPost.

In Kiew wurde das Kinofestival Docudays eröffnet – mit dem Schwerpunkt Menschenrechte:  Ukraine Today

Frauen in der ukrainischen Polizei: in Kiew wurde die Fotoausstellung von Misha Friedman über Frauen in der ukrainischen Polizei eröffnet: Reportage von Ukraine Today

Rechtsradikale Aktivisten gegen Flüchtlinge in Jahotyn: Reportage von Hromadske International

Interviews

“Ich gehe zum Referendum und stimme mit „Ja“ ab” – Interview von Ukraine Today mit dem niederländischen Minister für Handel zum Referendum über das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine in den Niederlanden.

Wie Russland die Intoleranz und den Hass in Europa schürt: Interview von Hromadske International mit Boris Reitschuster, deutscher Journalist und Publizist, ehemaliger Leiter des Fokus-Auslandsbüros in Moskau.

Russischer Einfluss auf die deutschen Medien: Interview von Ukraine Today Ukraine Today mit Boris Reitschuster, deutscher Journalist und Publizist, ehemaliger Leiter des Fokus-Auslandsbüros in Moskau.

Nadiija Sawtschenko könnte bald in die Ukraine zurückkehren: Interview von Ukraine Today mit Illja Nowikow, dem Rechtsanwalt der Militärpilotin und Offizierin.

Analyse

«Die wichtigsten Daten und Fakten zum Fall Sawtschenko»: Infographik von Ukraine Today

Sakwarelidze: Der Generalstaatsanwalt Schokin blockiert die Reform der Staatsanwaltschaft: analytischer Artikel von Kyiv Post

StopFake News. Die News über die “Fakes” der russischen Propaganda aus der letzten Woche enthalten eine dubiose Meinungsumfrage zur Krim-Annexion, eine vermeintliche Verbannung der russischen Sprache in Kiew, das Geheimnis von russischen Fahnen in Spanien und ob Charkiw und Odessa wirklich russische Eroberer willkommen heißen würden?