2661 russische Soldaten und Zivilisten sind im Kampfhandlungen im Donbass umgekommen

Elena Wasiljewa, Persönlichkeit des öffentlichen Lebens in Russland, ist Vorstandsvorsitzende der russischen Organisation „Vergessenes Regiment“ und Mitglied der Organisation „Bürgerliche Front“. 2014 organisierte und leitete sie das Projekt „Fracht 200 aus der Ukraine nach Russland“, dessen Ziel es ist, russische Staatsbürger zu identifizieren, die im Verlauf des Konflikts im Donbass ums Leben kamen. In einem Exklusivinterview für das Ukraine Crisis Media Center (UCMC) erzählt Elena Wasiljewa darüber, wie und weshalb sie das Projekt ins Leben rief, wie es funktioniert, wie sich die Einstellung russischer Bürger gegenüber dem Konflikt im Donbass verändert und wie dieser Konflikt enden soll.

Wie entstand die Idee zu dem Projekt „Fracht 200 aus der Ukraine nach Russland“? Wie war die Reaktion der russischen Gesellschaft insgesamt und insbesondere die Reaktion russischer Soldaten?

In Russland gab es einmal die Sendung „Vergessenes Regiment“, in der von Kriegsveteranen aus Afghanistan berichtet wurde, darunter auch von Menschen, die verschwunden sind. Nachdem diese Fernsehsendung verboten wurde, schufen wir die Bürgerorganisation „Vergessenes Regiment“. Veteranen aus Afghanistan, Tschetschenien und anderen unterschiedlichen Einheiten, die an Hotspots in der Welt stationiert gewesen waren, traten in die Organisation ein. Im Grunde ist unsere Organisation eine Protestorganisation: Wir verstehen, dass das System Putin verbrecherisch ist, beispielsweise die Annexion der Krim und die Befeuerung des Konflikts im Donbass. Das ist ein Verbrechen gegenüber der Ukraine.

Nach Beginn der Kampfhandlungen im Donbass erhielt ich die Information, dass in Russland „Fracht 200“ aus der Ukraine eintraf. Für diejenigen, die es nicht wissen: Der Begriff „Fracht 200“ bezeichnet die toten Körper jener, die im Ausland in einem bewaffneten Konflikt ums Leben kamen. Diese Toten werden in ihren Heimatort überführt, um dort beerdigt zu werden. Ich begann mich mit Einzelheiten zu beschäftigen, und fand in der Gefallenenliste zuerst 500 Menschen, dann 1000, dann 2000 … Ich fing an, die Informationen zu überprüfen, und fand Beweise für diese Zahlen. Damals hatte ich die Idee, bei Facebook die Gruppe „Fracht 200 aus der Ukraine nach Russland“ zu gründen. Mit der Zeit wurde aus dieser Gruppe eine Organisation. Wir haben eine eigene Internetseite, auf der wir solche Listen veröffentlichen.

Am Anfang bekam ich große Hilfe von Journalisten, besonders ukrainischen, die Informationen über unsere Tätigkeit verbreiteten. So wurde unsere Organisation in der Ukraine und in Russland bekannt. Da man mich in Russland kennt, begann man insbesondere in Armeestützpunkten über das Projekt zu sprechen, darüber im Internet zu schreiben und Aufnahmen meiner Auftritte auf USB-Sticks zu tauschen. Das wirkte wie eine Art Contrapropaganda vor dem Hintergrund der allgemeinen Hysterie, die durch die Geschehnisse in der Ukraine hervorgerufen wurde. Gerade aufgrund unserer Informationen wurden vielen Soldaten die Augen geöffnet. Sie verstanden, dass sie aus der Ukraine möglicherweise nicht zurückkehren würden und sie begannen ihre Verträge zu kündigen.

Als wir mit unserer Arbeit begannen, wurden wir selbstverständlich mit Beschuldigungen überhäuft, wir würden lügen – denn „russische Soldaten in der Ukraine gibt es nicht“. Doch vor kurzem tauchte in russischen Medien offiziell die Information auf, dass über 4.000 russische Soldaten mit Medaillen und Orden für die Teilnahme an Kampfhandlungen im Donbass ausgezeichnet wurden. Ich bin überzeugt, dass die Arbeit der Organisation „Fracht 200“ eine sehr wichtige ist. Wir sammeln Daten für den Internationalen Gerichtshof, der die Verbrechen Putins verhandeln wird.

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Wie erstellen Sie die Listen und wie suchen Sie die Gefallenen?

Das ist ein schwieriger Prozess. Offiziell ist es verboten, diese Listen zu veröffentlichen. Es gilt der Erlass Putins über die Geheimhaltung von Kriegsverlusten zu Friedenszeiten. Sobald russische Söldner oder Soldaten die Grenze überqueren, verwenden sie nicht mehr ihre eigenen Namen. Sie haben nur noch ihre Rufnamen.

Einerseits sind die Informationen über Gefallene, die wir finden, frei zugänglich: Diese Informationen veröffentlichen entweder Verwandte, Freunde, Separatisten, oder ukrainische Militärangehörige. Wir erhalten viele Anfragen von Menschen, die uns bitten, ihre Verwandten zu finden. Natürlich sind solche frei zugänglichen Informationen oftmals falsch, weswegen wir alles sehr sorgfältig überprüfen. Viele geben beim Grenzübertritt auch einen fremden Namen an. Es kommt vor, dass wir einen Menschen suchen, und sich später seine Verwandten melden und erzählen, dass er einen ganz anderen Vor- und Nachnamen hat. Ich habe in praktisch jeder Stadt Russlands Freude, die ich bitte, Informationen zu überprüfen – ob es zum Beispiel überhaupt eine bestimmte Familie oder bestimmte Personen gibt. Andererseits helfen mir Freiwillige aus Donezk, Luhansk und anderen besetzten Gebieten sehr, die Informationen über Verletzte und Tote weitergeben und Gräber finden.

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Mittlerweile ist die Arbeit schwieriger geworden. Alle Toten werden geheim gehalten. 2014 wurden praktisch alle Körper nach Russland überführt, seit 2015 werden die Toten hingegen im Donbass begraben. Beispielsweise fanden unsere Freiwilligen bei Donezk vier russische Soldaten, die mit dem Titel „Held Russlands“ ausgezeichnet worden waren. Sehr viele Körper werden nicht begraben, sondern einfach in Schächte geworfen. In solche Schächte wirft man auch Schwerverletzte.

Wir erhielten auch mehrere Beweise dafür, dass im Donbass illegale Transplantationen stattfinden. Nicht nur im Donbass, auch in Russland, besonders in der Gegend von Rostow. Es gab ein paar Geschichten. Einmal wandte sich eine Frau an mich, deren Mann im Donbass gekämpft hatte. Wir fanden ihn, er war schwer verletzt, seine Wirbelsäule war zerschlagen, er wurde nach Russland transportiert. Menschen, die ihn begleiteten, schrieben mir: „Wir sind jetzt hier, später dort, wir haben ihn ins Krankenhaus in Rostow gebracht“. Ich sagte das seiner Frau, und sie fuhr zu diesem Krankenhaus. Doch während sie unterwegs war, war ihr Mann bereits aus dem Krankenhaus abtransportiert worden – wie uns gesagt wurde, ins Hospital in Sankt Petersburg. Dort kam er jedoch nie an. Er verschwand einfach während der Fahrt. Wir haben ihn nicht mehr gefunden.

Ähnliche Geschichten ereignen sich auch in Wolgograd. Zum Glück habe ich in dieser Stadt sehr gute Freunde, die auch Beziehungen zum Kriegshospital unterhalten. Sie erzählten mir, dass dort unerklärliche Dinge geschehen: Aus Rostow werden Verletzte gebracht (alle verstehen, dass sie in Wahrheit aus dem Donbass kommen, aber darüber darf man nicht sprechen), ihnen wird geholfen, alles verläuft normal, und plötzlich sterben diese Menschen. Die Ärzte wissen selbst nicht, wieso. Die Sanitäter, die die Körper herausschaffen, sagen: „Der Körper war komplett zerschnitten“. Wie kann ein Leichnam zerschnitten sein, wenn er noch nicht im Leichenhaus angekommen ist? Verstehen Sie, wenn ich solche Geschichten höre, bekomme ich richtig Angst um mein Land.

Haben Sie Daten über die Anzahl der Menschen, die im Donbass umgekommen sind? Ist die Rede nur von Söldnern oder auch von einfachen russischen Staatsbürgern?

Ich erneuere die Listen einmal im Monat. Nach heutigem Stand (1. September 2016) befinden sich auf der Liste der zweifelsfrei bestätigten Personen (bestätigt sind Name, Nachname, Todes- und Begräbnisort) 2661 Namen. Außerdem gibt es noch mindestens 1000 Menschen, deren Daten noch nicht völlig bestätigt sind. Zudem treffen auch weiterhin Informationen über neue Personen ein. Ich kann also mit Sicherheit sagen, dass diese Liste in zwei-drei Monaten mindestens 4.000 Personen umfassen wird. Nach der Kriegsstatistik ist das ein Zehntel derer, die momentan kämpfen. Ich möchte anmerken, dass wir nicht nur eine Statistik von Soldaten führen, sondern auch von Freiwilligen, Journalisten und Ärzten. In einer gesonderten Liste finden sich Personen, deren Staatsbürgerschaft nicht bestätigt ist. Darüber hinaus gibt es auch eine Liste mit Personen, über die keine vollständigen Informationen vorliegen.

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Wie viele Menschen sind an diesem Projekt beteiligt?

Ich habe sehr viele Helfer. In erster Linie sind das Vertreter der Russischen Antikriegsbewegung. Zusammen mit Boris Nemzow schrieb ich einen Bericht über die Invasion der russischen Armee: „Verluste der russischen Armee in der Ostukraine 2014–2015“. In diesem Bericht sind alle Verluste und die Arbeit unserer Organisation genau beschrieben. Außerdem schildere ich in diesem Bericht ausführlich, wie russische und ukrainische Journalisten und Freiwilligen dabei halfen, diese Wahrheit zu suchen. Nach dem Tod Nemzows schaffte ich es, den Bericht abzuschließen. Er wurde in Deutschland veröffentlicht, man kann ihn dort kaufen. Er hat einen offiziellen Code und kann verwendet werden, um die russische Aggression zu beweisen.

 

Verstehen die Russen, was wirklich in der Ukraine passiert?

In erster Linie versteht das die Opposition, wobei nicht nur Demokraten das so sehen, sondern auch Nationalisten, unter denen, wie sich herausgestellt hat, auch völlig moderate Menschen sind.

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Was die einfachen Leute angeht, so kam das Verständnis mit den Preiserhöhungen und der Arbeitslosigkeit: In der Schule gibt es vier Schulfächer, für alle anderen muss man Geld bezahlen. Die Menschen sitzen verbissen und verarmt in ihren Küchen. Und dann ist da auch noch der Krieg, für den man Steuern zahlen muss. Wissen Sie, was unsere Aktivisten machen? Im Moment werden in Russland in den Hauseingängen Listen mit Personen ausgehängt die noch für kommunale Dienstleistungen bezahlen müssen. Unsere Aktivisten gehen von Hauseingang zu Hauseingang und schreiben auf diese Listen: „Ich habe Miete bezahlt, und von diesem Geld wird der Krieg im Donbass bezahlt, sowie für das Morden in Syrien“. Das lässt die Menschen nachdenken.

Außerdem kehren jetzt langsam jene nach Russland zurück, die in den Kampf für „Neurussland“ gezogen waren. Warum fuhren so viele von ihnen in die Ukraine? Um die Ukrainer zu retten, die ukrainischen Kinder, die getötet werden. Doch diejenigen, die in den Donbass kommen und die Wahrheit sehen, die Plünderei, die Sauferei, wenn sie verstehen, dass hier nicht „Neurussland“ aufgebaut, sondern eine Region ausgeraubt wird, die kehren zurück und erzählen die Wahrheit, wenigstens in ihrer eigenen Küche.

Man muss verstehen, dass Russen nicht auf Ukrainer hören, sie hören auf Russen. Deswegen ist die Arbeit von „Fracht 200“ so wichtig. Wenn eine „Fracht 200“ in einer Kleinstadt ankommt, erfahren das alle sehr schnell.

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Wie ist die Reaktion, wenn jemand erfährt, dass eine nahestehende Person in der Ukraine kämpfte und dabei gefallen ist?

Zuerst ist es ihnen egal, sie leben mit ihrem Leid. Dann fangen sie an, Informationen über andere Tote zu suchen. Sie entwickeln Hass, aber nicht gegenüber der Ukraine, sondern gegenüber jenen, die nicht darüber sprechen. In Wirklichkeit sind die Mütter schon lange zu Protesten bereit. Denn viele wissen ja nicht, dass ihre Verwandten im Donbass kämpfen.

Was tut die russische Regierung noch? Wenn jemand einen Vertrag mit der Armee unterzeichnet, unterschreibt er außerdem noch ein weiteres Dokument: seinen Kündigungsantrag. Er trägt aber kein Datum ein. Und wenn er stirbt, trägt sein Vorgesetzter einfach rückwirkend das Datum ein.

Was sind die Schwierigkeiten bei Ihrer Arbeit?

Anfang 2015 half ich polnischen Parlamentsabgeordneten, eine ganze Reihe von Treffen mit befreiten ukrainischen Kriegsgefangenen zu organisieren, die über Folter während ihrer Gefangenschaft erzählten. Danach schlugen mir die Polen und Amnesty International vor, eine Reise nach Den Haag zu organisieren, damit ich beim Sammeln von Beweisen über die russische Aggression in der Ukraine helfen konnte. Aber man wiegelte gegen mich auf und es wurde alles getan, um mich nicht dorthin zu lassen. Ich wurde fast schon des Leichen- und Sklavenhandels beschuldigt. Aus diesen Gründen konnte ich nicht fahren. Diejenigen, die diese Aufstachelung organisierten, spielten ganz klar Putin in die Hände.

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Außerdem unterstützt in der Ukraine leider niemand von der Regierung diese Art Informationskrieg. Ich hatte sogar einige Treffen mit Poroschenko geplant, aber zu ihm wurde ich einfach nicht durchgelassen. Dabei könnte man ja ein echtes Zentrum der Organisation „Fracht 200“ gründen. Darüber hinaus erhalten wir höchst interessante Informationen über ukrainische Kriegsgefangene. Trotz allem sind Informationen über Verluste der russischen Armee auch für ukrainische Soldaten wichtig. Sie müssen verstehen, welchen Schaden sie den russischen Truppen zugefügt haben und sich bewusst sein, dass sie nicht umsonst kämpfen, nicht umsonst ihr Leben riskieren.

Es gibt auch technische Probleme: Mein Computer wird ständig gehackt und inzwischen ist bereits mein dritter Rechner kaputt.

Sie haben ukrainische Kriegsgefangene erwähnt. Es wird viel berichtet, dass sie nach Russland gebracht werden, speziell in den Kaukasus, wo sie als Sklaven verkauft werden. Könnten Sie diese Gerüchte kommentieren?

Leider muss ich erst meinen Computer reparieren, auf dem alle Orte in Russland gespeichert sind, wo ukrainische Kriegsgefangene gefangen gehalten werden. Von diesen Orten gibt es sehr viele. Zum Beispiel lag einer der Umschlagplätze in Maikop (Region Krasnodar). Anfang 2015 begannen mir Russen zu schreiben, die in diesen Lagern waren. Sie nannten mir Namen oder beschrieben mir diese Leute, wenn sie die Namen nicht kannten. Viele von ihnen galten als in der Ukraine Gefallen, ihre Familien hatten bereits die Leichen erhalten. Dann begann ich diesen Russen Fotos einiger Leute zu schicken, unter denen auch Fotos derjenigen ukrainischen Soldaten waren, von denen sie gesprochen hatten. Und sie zeigten genau auf die Fotos der Leute, die für tot erklärt waren.

Bezymyannyj2-e1473283587853Und wir suchen weiterhin nach ukrainischen Kriegsgefangenen. Wir fanden sie in Rostow, in Kursk, sogar auf Sachalin. Einige befinden sich in Kriegsgefängnissen, in Strafarrest und in einfachen Gefängnissen. Viele wurden nach Tschetschenien als Sklaven verkauft. Denn in Russland herrscht ja noch immer das Problem des Sklavenhandels. Zum Beispiel gibt es im Sozialen Netzwerk Vkontakte die Gruppe „Alternative“, die sich mit der Befreiung von Menschen aus der Sklaverei beschäftigt. Erst neulich haben sie einige Ukrainer aus der Sklaverei befreit, Separatisten aus Luhansk. Diese Leute waren nach Russland gezogen und wurden als Sklaven verkauft.

Es ist nicht nur schwer, diese Leute zu finden, noch schwieriger ist es, sie zu befreien und aus Russland herauszubringen. Natürlich veröffentlichen wir weder Namen, noch Aufenthaltsort dieser Leute.

Was sind die Fehler der ukrainischen Regierung?

Erstens hätte die Ukraine sofort eine Invasion seitens Russland bekannt geben und den Krieg als Krieg bezeichnen müssen. Zweitens bedurfte es einer schnelleren und entschlosseneren Handlung. Schaut auf diese schreckliche Tragödie bei Illowajsk. Die ukrainische Regierung beriet eine ganze Woche lang über den „grünen Korridor“, die russische Armee nutzte diese Woche, um sich entlang ebendieser Straße zu verschanzen, über die sich die ukrainischen Jungs zurückziehen sollten. Übrigens, bezüglich Illowajsk. Die ukrainischen Soldaten bemerkten, dass die Russen zuerst die Fahrzeuge beschossen, in denen russische Kriegsgefangene transportiert wurden. Weil der Befehl lautete: Beweise beseitigen. Und Gefangene sind die wichtigsten Beweise. Leider arbeitet der Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) auch nicht perfekt. Zum Beispiel legten neulich „Abgeordnete“ aus Luhansk der ukrainischen Regierung eine Liste mit 960 Personen vor, die von der Ukraine angeblich gefangen gehalten werden. Ich persönlich habe zwei Wochen lang diese Liste überprüft und fand in ihr 600 russische Staatsbürger, darunter reguläre Streitkräfte Russlands. All diese Leute sind tatsächlich verschwunden. Aber am spannendsten ist, dass sie in der Liste von Wasiljewa sind. Diese Leute sind tot und waren russische Söldner. Aber die Luhansker Separatisten behaupten, es seien unglückliche Bewohner von Luhansk.

Wie bewerten Sie die militärische Stärke Russlands?

Man muss verstehen, dass Russland von 2008 bis 2013 eine Armeereform durchgeführt hat. Und alle versuchten zu verstehen, was das für eine Reform war: Das Personal wurde um 60 Prozent gekürzt, die Plünderei in der Armee erreichte fürchterliche Maßstäbe, Atom-U-Boote verrosteten und wurden zu Metall zersägt. Erst nach Beginn der Geschehnisse in der Ukraine wurde klar, was das für eine Reform war. Die russische Armee bekam ein neues Gesicht: Sie ist nach dem Handlungsmuster terroristischer Gruppierungen aufgebaut. Das, was über eine mögliche weitläufige Offensive der russischen Armee auf die Ukraine oder die NATO-Staaten erzählt wird, ist alles Quatsch. Die reale russische Armee ist für langwierige Angriffe nicht ausgelegt.

Außerdem machte die russische Armee gewaltige Verluste in der Ukraine. Im Grunde ist die russische Armee am Flughafen von Donezk zerbrochen. An der Stürmung des Flughafens, zum Beispiel, waren Elitemarineeinheiten aus Murmansk beteiligt. Und ich war erstaunt, dass die ukrainischen Kämpfer, von denen viele überhaupt keine Kampferfahrung hatten, sie einfach plattgemacht haben. Zwischen Frühling und Sommer 2014 wurde der Schwerpunkt absichtlich auf Verluste der russischen Armee gelegt. Denn in die Ukraine wurden hauptsächlich russische Spezialkräfte geschickt, die tief im Hinterland tätig waren.

Ich denke, dass, wenn bis 18. September (Tag der Parlamentswahlen in Russland) keine Offensive auf den Donbass beginnt, können die Ukrainer eine Operation zur Befreiung des Donbass starten.

Warum sollte die NATO in einen bewaffneten Konflikt mit Russland treten?

Was ist das Ziel von Putin? Er will die Europäische Union zerstören und eine Zollunion von Wladiwostok bis Portugal gründen. Und das Aufmarschgebiet ist für Putin die Ukraine. Denn wenn sich China ganz Sibirien aneignet, was bleibt dann für Russland? Nur Moskau Oblast! Sie wünschen sich, dass Kiew als Zentrum der Rus zurückkehrt. Vielleicht will Putin genau das? Vielleicht hat er tatsächlich einen Krieg für 2025 geplant, wie es auf verschiedenen russischen Plattformen, wie der „Akademie für Geopolitik“, heißt? Laut diesen Plänen will Putin die Ukraine aufteilen (und Kiew dabei für sich behalten) und als Aufmarschgebiet für einen Angriff auf Europa nutzen. In diesem Fall müssten wir diese Pläne durchkreuzen. Und zum Aufmarschgebiet für den Krieg hat Putin die Ukraine gewählt, und jetzt noch Weißrussland anvisiert. Im „Vergessenen Regiment“ gibt es unzählige Kriegsanalytiker, die all diese Informationen und Ankündigungen bewerten, sowie Analysen und Prognosen für die Zukunft erstellen.

Wie kann Ihrer Ansicht nach dieser Krieg beendet werden?

Eigentlich hätte der Krieg im Donbass innerhalb von 5 bis 10 Tagen zu Ende sein können, wenn das von der ukrainischen Regierung gewollt worden wäre. Aber sie ließ es zu, dass der Donbass mit Technik und Kriegsmaterial gefällt wird. Sogar heute, wenn die ukrainische Regierung einer Offensive zustimme würde, könnte die ukrainische Armee den Donbass ganz schnell befreien. Weder die russischen Soldaten, noch die Einheimischen sind bereit, dort zu sterben. Im Grunde genommen besteht die übergeordnete Philosophie darin, dass unsere Völker trotz allem in Frieden zusammenleben müssen. Ich verstehe, dass schreckliches geschehen ist, aber damit müssen wir nun leben. Und dafür muss die Ukraine siegen und Russland in die Schranken weisen.

Gorkova Olena, UCMC