Wochenübersicht der ukrainischen Pressenachrichten vom 22. Bis 28 November 2016

Die Situation im Kampfgebiet in der Ostukraine

Die Situation in der Ostukraine bleibt angespannt. In der vergangenen Woche wurden die ukrainischen Streitkräfte 227 Mal beschossen, infolgedessen wurden drei ukrainische Soldaten getötet und 16 weitere verletzt.

Laut Angaben des Stabs der Anti-Terror-Operation wurden gestern die ukrainischen Checkpoints im Frontabschnitt Mariupol mit Artillerie mit einem Kaliber von 122 Millimetern, Granatwerfern und Schützenwaffen bei Talakiwka, Nowotroizke, Schyrokine, Stepne, Marijinka, Hnutowe und Pawlopil beschossen. Im Frontabschnitt Donezk wurden die ukrainischen Streitkräfte bei Awdijiwka und Luhanske mit Granatwerfern und schweren Maschinengewehren unter Beschuss genommen. Im Frontabschnitt Luhansk setzten die prorussischen Militärverbände Granatwerfer und weitere Waffengattungen bei Schowte, Krymske, Nowoolekssandriwka und Nowozwaniwka ein. In der Entflechtungszone bei Stanyzja Luhanska wurden die ukrainischen Soldaten mit Granatwerfern beschossen.

OSZE. Die Mission der USA bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa hat mitgeteilt, dass im November die höchste Anzahl von Verstößen gegen die Waffenruhe seit 2014 festgestellt wurde. Der stellvertretenden Leiterin der Mission der USA bei der OSZE, Kate Byrnes, zufolge verschlechtert sich die Lage in der Ostukraine. In den letzten zwei Monaten wurden neun Fälle festgestellt, bei denen gegen die OSZE-Beobachter aggressiv vorgegangen oder deren Leben bedroht worden sei.

Die OSZE nannte ferner fünf Hotspots im Donbass, wo sich die Sicherheitslage in der letzten zwei Wochen deutlich verschärft hat (im Dreieck zwischen Awdijiwka, Jasynuwata und dem Donezker Flughafen; in der Nähe von Nowoswaniwka, Kalynowe, Weselohoriwka und Troizke; südöstlich und östlich von Switlodarsk; nördlich und nordöstlich von Mariupol; sowie westlich von Horliwka). Zugleich werden weiterhin in großer Anzahl Waffen eingesetzt, die laut den Minsker Vereinbarungen verboten sind, darunter Panzer und Mehrfachraketenwerfer.

Entflechtung der Konfliktparteien bei Stanyzja Luhanska: erneutes Scheitern. Die Rebellen der “Luhansker Volksrepublik” haben die Entflechtung der Kräfte und Waffen bei Stanyzja Luhanska erneut zum Scheitern gebracht. Das teilte die ukrainische Seite des Gemeinsamen Zentrums zur Koordinierung und Kontrolle der Waffenruhe (JCKK) mit. Für eine Entflechtung der Kräfte in dieser Gegend müssen mindestens sieben Tage “Waffenruhe” eingehalten werden. Doch am 27. November stellten die JCKK-Beobachter erneuten Beschuss seitens der “Luhansker Volksrepublik” fest.

Neue separatistische Bewegung. Der ehemalige Anführer der “Luhansker Volksrepublik”, Walerij Bolotow, der sich in Russland aufhält, verbreitet Informationen, wonach eine gesellschaftspolitische Bewegung “Einigung” gegründet worden sei. Das teilte auf Facebook der Koordinator der analytischen Freiwilligen-Gruppe “Informations-Widerstand”, Dmytro Tymtschuk, mit. Die Bewegung wolle die Kräfte der sogenannten “Donbass-Republiken” mit den Kollaborations-Bewegungen in den Gebieten Charkiw, Mykolaiw, Odessa und Cherson vereinigen, um für eine Loslösung eben dieser Gebiete von der Ukraine zu kämpfen. “Das Programm der Bewegung sieht eine Abspaltung der ‘Luhansker Volksrepublik’ vom Gebiet Luhansk sowie eine Neuauflage des Projekts ‘Noworossija’ vor”, so Tymtschuk. Nach einer Abspaltung der südlichen und östlichen Gebiete der Ukraine solle nach Vorstellung jener Bewegung ein “Staat” gegründet werden, der dann zu einem Bestandteil der Russischen Föderation werden würde.

Humanitäre Organisation muss “Donezker Volksrepublik” verlassen.  Die Rebellen der “DVR” haben der tschechischen gemeinnützigen humanitären Organisation “People in Need” die “Akkreditierung” entzogen. Einen Grund nannten sie nicht. Noch am selben Tag wurde das Lager der Organisation mit humanitärer Hilfe versiegelt. Alle ausländischen Freiwilligen wurden aufgefordert, das von den Rebellen kontrollierte Gebiet innerhalb von 24 Stunden zu verlassen. Der Vertreter der selbsternannten “DVR”, Denis Puschylin, warf der tschechischen Organisation Korruption und einen “verachtungsvollen Umgang mit dem Volk der Donezker Volksrepublik” vor. Das teilte die von den Rebellen kontrollierte Webseite DAN mit.

Torezk am Rande einer humanitären Katastrophe. Die Stadt Torezk im Gebiet Donezk wird seit vier Tagen nicht mehr mit Wasser versorgt, weil die Rebellen am 23. November eine Wasserleitung zwischen Horliwka und Torezk mit einem Geschoss beschädigt haben. Die Stadt steht nun am Rande einer humanitären Katastrophe. Das meldet die ATO-Pressestelle. Auch die Orte nahe Torezk sind ohne Wasser. Kindergärten und Schulen sind geschlossen. Einige Bezirke werden auch nicht mehr beheizt. Die kommunalen Dienstleister können erst mit Reparaturen beginnen, wenn die Sicherheit seitens der prorussischen Rebellen gewährleistet wird.

Festnahme eines TV-Teams des russischen Senders Doschd. Am 25. November sind in der sogenannten “Donezker Volksrepublik” die Doschd-Korrespondenten Sergej Jerschenkow und Wasilij Polonskij festgenommen worden. Sie wurden in das “Ministerium für Staatssicherheit der DVR” gebracht. Ihr Gerät wurde beschlagnahmt und die Videos gelöscht. Das Handy eines der Journalisten wurde zertrümmert und ein Laptop blockiert. Am 26. November wurden die Journalisten nach Russland gebracht. Die sogenannte “DVR” hat ihnen die künftige Einreise verboten.

Vernehmung des geflüchteten Präsidenten Viktor Janukowytsch

Am 28. November 2016 um 13 Uhr hat in Kiew per Video-Schalte aus dem russischen Rostow am Don eine Vernehmung des ehemaligen Präsidenten Viktor Janukowytsch stattgefunden, der sich seit seiner Flucht aus der Ukraine im Februar 2014 in der Russischen Föderation aufhält.

Er wird als Zeuge im Fall der Erschießungen von Aktivisten des Euromaidan geführt. Aber Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko verkündete gegen Janukowytsch mündlich den Verdacht  des Hochverrats. Das ist bereits der zweite Versuch, Janukowytsch zu vernehmen. Eigentlich war die Vernehmung für den 25. November geplant, aber der Rechte Sektor blockierte das Lukjaniwka-Gefängnis in Kiew, von wo ehemalige Mitarbeiter der Spezialeinheit Berkut zum Gericht im Stadtteil Swjatoschyn gebracht werden sollten. Dort sollten sie zu den Erschießungen auf dem Maidan vernommen werden. Der Rechte Sektor teilte in einer Erklärung mit, die Vernehmung sei lediglich ein Vorwand, die ehemaligen Sicherheitsbeamten aus dem Gefängnis herauszulassen.

Am 25. November war es der Journalistin des ukrainischen TV-Senders Hromadske, Natalja Humenjuk, in Rostow gelungen, Janukowytsch drei Fragen zu stellen: wie er schlafe, nachdem er die russische Armee auf ukrainisches Territorium geholt habe; wie viel Geld er aus der Ukraine mitgenommen habe; und warum er die Erschießungen auf dem Maidan im Februar 2014 zugelassen habe. Hier die Antwort des Ex-Präsidenten (auf Deutsch).

Warum steht Janukowitsch, der Hauptverantwortlicher für die blutigen Ereignisse zwischen dem 18. und 20. Februar 2014 ist, als “Zeuge” vor Gericht? Nach dem Strafverfahrensrecht gilt folgendes: Wenn eine Person den Status eines Verdächtigen in einem Verfahren hat und wenn gegen sie ein weiteres Verfahren eingeleitet wird, dann bekommt diese Person in der ersten Sache den Status eines Zeugen und in ihrem eigenen Verfahren den eines Verdächtigen. Die Anklage gegen fünf Berkut-Mitarbeiter wegen der Tötung von 48 Personen am 20. Februar 2014 auf der Instytutska-Straße (Maidan) werden bereits vom Gericht im Kiewer Stadtteil Swjatoschyn geprüft. Janukowytsch selbst gilt als Verdächtiger in einem anderen Maidan-Verfahren.

Die fünf wichtigsten Ergebnisse des EU-Ukraine-GipfelsAm 24. November 2016 hat in Brüssel der EU-Ukraine-Gipfel stattgefunden. Es war ein lang erwartetes Ereignis. Eigentlich sollte er im Mai 2016 abgehalten werden, aber im Laufe des Jahres wurde der Gipfel mehrmals verschoben. Im Frühjahr kam das niederländische Referendum über das EU-Ukraine-Assoziierungsabkommen dazwischen, im Sommer und Herbst die Auswirkungen des Brexit-Referendums sowie die Entscheidung der EU, den “Mechanismus zur Aussetzung der Visumbefreiung” zu überarbeiten. Hinzugekommen sind außerdem Bedenken mehrerer EU-Länder, ob die Ukraine wirklich Korruption bekämpft. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte bis zuletzt gehofft, dass auf diesem Gipfel die Frage einer visafreien Einreise in die EU für ukrainische Staatsbürger endgültig geklärt wird. Das Ukraine Crisis Media Center hatte bereits über Fortschritte der Ukraine auf dem Weg der Visafreiheit mit der EU berichtet. Doch nach wie vor gibt es keine Visumbefreiung. Aber was wurde bei dem jüngsten Gipfel erreicht? Hier die fünf wichtigsten Ergebnisse (auf Deutsch).

Menschenrechte: Freilassung von Dschemiljew Junior und Aktion zur Unterstützung von Koltschenko

Am 25. November ist Chajser Dschemiljew, Sohn des Anführers der Krimtataren, Mustafa Dschemiljew, aus einem russischen Gefängnis freigelassen worden. Er war von einem Kiewer Gericht zu drei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt worden. Es hatte ihn für schuldig befunden, im Hof seines Hauses Fewsi Edemow getötet zu haben, einen Freund der Familie. Doch nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 eröffnete die russische Staatsanwaltschaft erneut Ermittlungen gegen ihn. Chajser Dschemiljew wurde aus dem Gefängnis von Simferopol in die Region Krasnodar (Russland) verlegt.

Vergangene Woche wurde bekannt, dass die russischen Behörden Chajser Dschemiljew als ukrainischen Staatsbürger anerkannt haben. Deswegen konnte er in die Ukraine entlassen werden, wo er am 26. November eintraf.

Iryna Heraschtschenko, stellvertretende Vorsitzende des ukrainischen Parlaments, hat erklärt, der russische Präsident Wladimir Putin habe noch im Jahr 2014 Mustafa Dschemiljew angeboten, Chajser freizulassen, aber nur im Gegenzug für Loyalität gegenüber den neuen Machthabern auf der Krim.

Am 26. November 2016 haben in Kiew ukrainische Aktivisten eine Aktion zur Unterstützung von Oleksandr Koltschenko anlässlich seines Geburtstages durchgeführt. Koltschenko gilt als politischer Häftling des Kremls. Er hatte Widerstand gegen die Annexion der Krim geleistet. Die russische Staatsanwaltschaft erfand gegen ihn den Vorwurf des Terrorismus. Koltschenko wurde zu zehn Jahren Strafkolonie in der russischen Region Tscheljabinsk verurteilt. In der gleichen Sache wurde auch der ukrainische Regisseur Oleh Senzow zu 20 Jahren Haft verurteilt. Im Frühjahr hatte das ukrainische Justizministerium den russischen Behörden Dokumente für deren Auslieferung in die Ukraine vorgelegt. Doch Russland lehnt eine Auslieferung ab, mit der Begründung, die Männer seien seit der Annexion der Halbinsel russische Staatsbürger.

Krim: Reduzierung russischer Subventionen und Anwerbung ukrainischer Militärs

Im Jahr 2017 will die russische Regierung den Etat von Sewastopol auf der annektierten Halbinsel Krim von 25 auf 18 Milliarden Rubel reduzieren. Subventionen sollen in Höhe von 7,5 Milliarden Rubel gezahlt werden. Laut dem Pressedienst der selbsternannten Regierung der Halbinsel könnten sich die Budgetkürzungen auf das Programm zum Bau von sozial wichtigen Objekten auswirken. Zuvor hatte der Abgeordnete des russischen Parlaments, Andrej Kosenko, erklärt, aufgrund der Sanktionen könnte die gesamte Halbinsel weniger russische Subventionen erhalten.

Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU vermutet, dass diejenigen, die auf der Krim zu ukrainischen Saboteuren oder Spionen erklärt werden, sich einfach geweigert haben, gegen ihren ukrainischen Eid zu verstoßen und für den russischen Geheimdienst zu arbeiten. Das sagte der Leiter des Apparats des SBU-Chefs, Oleksandr Tkatschuk. “Unser Dienst schließt nicht aus, dass alle aufsehenerregenden Festnahmen auf der Krim, die der russische FSB auf der Krim meldet, in Wirklichkeit gescheiterte Versuche sind, Bürger der Ukraine anzuwerben. Und um ihre angebliche Stärke zu zeigen, setzen die russischen Geheimdienste die Drohungen um, die sie gegenüber unseren Bürgern während ihres Aufenthalts auf dem Gebiet der Autonomen Republik Krim äußern”, sagte Tkatschuk.

Zuvor hatte der russische FSB erklärt, am 9. November seien in Sebastopol “Mitglieder  einer Sabotage- und Terror-Gruppe der Hauptabteilung für Aufklärung des Verteidigungsministerium der Ukraine festgenommen worden”. Der FSB zeigte Videoaufnahmen ihrer “Geständnisse”.

Kultur: Ukrainische Filme erhalten Auszeichnungen in Europa

Internationale Filmpreise. Ein Dokumentarfilm über den bekannten ukrainischen Fußballtrainer Walerij Lobanowskyj hat bei dem internationalen Festival SPORT MOVIES & TV 2016 in Mailand einen Preis erhalten. Der Film “Lobanowskyj für immer” (Trailer) wurde in der Kategorie “Kino- und TV-Filme über Fußball” ausgezeichnet.

Der Kinofilm “Meine Großmutter Fanny Kaplan” (Trailer), in dem Myroslaw Slaboschpyzky, eine der Hauptrollen spielt, wurde als bester ausländischer Film auf dem Internationalen Filmfestival Crystal Palace in London ausgezeichnet.

Der Dokumentarfilm “Wenn dieser Wind abflaut” (Trailer), eine ukrainisch-polnische Koproduktion, hat beim Internationalen Dokumentarfilmfestival IDFA in Amsterdam die Auszeichnung als besten Studentenfilm bekommen. Der Film erzählt das Leben von drei Generationen von Krimtataren nach der Annexion der Halbinsel.

Nachfolgend eine Auswahl an englischen Interviews, Analysen und Videos zur Situation in der Ukraine

Reportagen

Sage über Visafreiheit: Hoffnungen und Realität. Reportage von Ukraine Today.

Verschärfung der Lage in der Ostukraine. Reportage von Ukraine Today.

Beweise für die russische Aggression wurden auf der Sitzung der Parlamentarischen Versammlung der NATO vorgestellt. Reportage von Ukraine Today.

Der ehemalige Präsident Wiktor Janukowitsch wurde per Skype-Schalte vernommen. Reportage von Ukraine Today.

Ein kanadischer Regisseur hat einen Dokumentarfilm über den Holodomor gedreht. Reportage von Ukraine Today.

Micheil Saakaschwilis Anhänger fordern vorgezogene Wahlen. Reportage von KyivPost.

Freiwillige helfen Kindern, mit den Folgen des Krieges fertig zu werden. Reportage von KyivPost.

Interviews

Wie Verbrechen der russischen Soldaten in der Ukraine verfolgt werden: Analyse zum Bericht des Internationalen Strafgerichtshofs. Interview von Hromadske International mit dem Anwalt Wayne Jordash.

Meinung

Es wird kein Wunder geben. Interview von Ukraine Today mit der ukrainischen Abgeordneten Switlana Salischtschuk über die bisherige zweijährige Arbeit des Parlaments der 8. Wahlperiode

Diktatoren, Völkerrecht und gefährliche Illusionen. Kolumne des Politologen Oleg Belokolos für Ukraine Today.

Der Kampf von Putins Freunden: Wie das neue Frankreich nach den Präsidentschaftswahlen aussehen könnte. Kolumne des Journalisten Witalij Portnikow für Ukraine Today

Analyse

Wiktor Janukowytsch im Gericht. Reportage und Analyse von Hromadske International.

Drei Jahre nach der Revolution der Würde: Eine Realitätsprüfung. Analyse von KyivPost.