Vor kurzem erklärte das “Zentrum zur Bekämpfung von Korruption”, eine für ihre Anti-Korruptions-Aktivitäten bekannte gesellschaftliche Organisation, sie werde von der Generalstaatsanwaltschaft unter Druck gesetzt. Ein Kiewer Gericht hatte Ermittlern der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft erlaubt, bei dem Zentrum Gegenstände und Dokumente zu beschlagnahmen, auch solche Dokumente, die unter das Bankgeheimnis fallen und Banken gehören, bei denen die gesellschaftliche Organisation Kunde ist. Das Zentrum für Korruptionsbekämpfung wird der Veruntreuung von Geldern verdächtigt, die von ausländischen Gebern für eine Reform der Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine gewährt wurden.
Kiew, 30. März 2016 – „Das Zentrum für Korruptionsbekämpfung hat keinen einzigen Cent von der US-Regierung für die Reform der Organe der Staatsanwaltschaft erhalten“, erklärte Witalij Schabunin, der Vorstandsvorsitzende des Zentrums für Korruptionsbekämpfung während einer Pressekonferenz im „Ukraine Crisis Media Center“. Er sagte, dass die amerikanische Finanzhilfe aus zwei Teilen bestehe. Der erste Teil der Gelder sei für die Reform der Staatsanwaltschaft bestimmt, der zweite für die Schaffung neuer Rechtsschutzorgane (Strafverfolgungsbehörden): Das Nationale Antikorruptionsbüro der Ukraine (NAB) und die Sonderabteilung der Staatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung. Schabunin unterstrich, dass das Zentrum für Korruptionsbekämpfung erst damit begonnen habe, die Gelder aus dem zweiten Pool der Finanzhilfe zu nutzen. Die Mittel würden für die Ausbildung der Detektive des NAB unter Hinzuziehung der besten ausländischen und ukrainischen Experten eingesetzt. Ein Teil der Finanzmittel sei auch für die Überprüfung von Kandidaten für einen Posten im Nationalen Antikorruptionsbüro der Ukraine (NAB) und in der Sonderabteilung der Staatsanwaltschaft verwendet worden.
Werden alte Methoden eingesetzt, um Druck auszuüben?
Witalij Schabunin ist überzeugt, dass die Generalstaatsanwaltschaft auf diese Art versucht, Druck auf das Zentrum für Korruptionsbekämpfung auszuüben. Grund hierfür sei die Kritik an dem Generalstaatsanwalt und seinen Stellvertretern Jurij Sewruk und Jurij Stoljartschuk.
„Wir haben in den letzten zwei Jahren immer wieder berichtet, wie diese Gruppe die wichtigsten Strafverfahren gegen Wiktor Janukowytsch und seine ehemaligen Gefolgsleute hintertreibt. Und jetzt rächt sich die Generalstaatsanwaltschaft an uns“, erklärte er und erinnerte daran, dass gerade wegen Jurij Stoljartschuk das Verfahren gegen Jurij Iwanjuschtschenko, der seinerzeit als „Janukowytschs Geldbeutel“ bezeichnet wurde, im Sande verlaufen sei. Jurij Sewruk wiederum habe dafür gesorgt, dass über die sogenannten „unabhängigen Auswahlverfahren“ keine neuen Leute in Führungspositionen bei den lokalen Behörden der Staatsanwaltschaft gelangten. „In dieser Situation kann ich nicht erkennen, worin sich die Generalstaatsanwaltschaft unter dem Ex-Präsidenten Wiktor Janukowytsch mit dem Ex-Generalstaatsanwalt Wiktor Pschonka an der Spitze von der Generalstaatsanwaltschaft unter einem Präsidenten Petro Poroschenko, geführt von Wiktor Schokin Sewruk und Stoljartschuk unterscheidet“, unterstrich Witalij Schabunin. Pschonka wird beschuldigt, Finanzmittel in besonders großem Umfang veruntreut zu haben. Er ist zusammen mit Janukowytsch nach Russland geflohen. Wiktor Schokin ist inzwischen per Abstimmung im ukrainischen Parlament von seinem Amt entlassen worden.
Daryna Kalenjuk, geschäftsführende Direktorin des „Zentrums für Korruptionsbekämpfung“, schließt nicht aus, dass die Generalstaatsanwaltschaft neben dem Zugang zu Finanzdokumenten auch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen anwenden könnte: Das Abhören und Überwachen der Mitarbeiter des Zentrums. Sie ist überzeugt, dass es für die internationalen Partner besonders aufschlussreich ist, dass die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft nicht nur unbequeme Personen innerhalb des eigenen Systems bestraft, sondern auch den NGO-Sektor angreift, der dieses System kritisiert.
Reaktion der US-Botschaft in der Ukraine
Der Rechtsberaterin des „Zentrums für Korruptionsbekämpfung“, Olena Schtscheban, zufolge gibt es seitens der US-Botschaft in der Ukraine keine Beschwerden, was die Verwendung der Mittel der US-Regierung angeht. Sie sagte auch, so, wie das Verfahren organisiert sei, werfe es viele Fragen auf: es gebe weder eine Beschreibung der Veruntreuung von Fremdmitteln durch das Zentrum für Korruptionsbekämpfung, noch würden Gesetze erwähnt, die angeblich verletzt worden seien oder irgendwelche Beweise angeführt. „In dem Gerichtsbeschluss wird festgestellt, dass die Generalstaatsanwaltschaft keine Finanzmittel von der US-Regierung für die Reform der Strafjustiz in der Ukraine erhalten habe. Aber gemäß der ukrainischen Gesetzgebung konnte sie diese Mittel auch nicht bekommen“, erklärte Schtscheban. Sie sagte, dass das Zentrum für Korruptionsbekämpfung bereits eine Anzeige gegen diejenigen Mitarbeiter der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft vorbereitet habe, die das Strafverfahren gegen diese NGO führen würden.
Nach Meinung von Witalij Schabunin steht Präsident Petro Poroschenko nichts im Wege, ein offenes Auswahlverfahren für den Posten des Generalstaatsanwalts der Ukraine auszuschreiben. Denn die ukrainische Verfassung sehe vor, dass der Präsident dem ukrainischen Parlament einen Kandidaten für das Amt des Generalstaatsanwalts vorschlägt. Wie der Präsident jedoch jemanden aussuche, sei ausschließlich ihm überlassen.