Kiew, 11. Dezember 2014 – Die Stiftung „Offener Dialog“ präsentierte den Bericht „Zusammenfassung zur Erarbeitung des Lustrationsgesetzes 4359a „Über die Bereinigung der Behörden“. Der Bericht enthält eine Experteneinschätzung zu dem Gesetz, sowie Kritik und Empfehlungen von Spezialisten aus Tschechien, Polen und Frankreich. Das Dokument wurde von der Expertin der Stiftung, Agneschka Piasecka, dem Vertreter des Lustrationskomitees, Maxim Mankowskij, und dem Mitglied des Bürgerrats für Lustrationsfragen, Sergej Iwanow, während einer Pressekonferenz im Ukrainischen Crisis Media Center vorgestellt.
Die Hauptkritikpunkte der Experten betreffen den kollektiven Charakter für die Übernahme der Verantwortung bei der Lustration, was der Empfehlung der PACE-Resulution 1096 widerspricht, sowie dem dezentralisierten Charakter des Verfahrens, was die notwendige Kontrolle darüber erschwert. Die Experten sind davon überzeugt, dass die Gründung einer unabhängigen Lustrationsinstitution zur Lösung der Aufgabe besser geeignet wäre. Es würde die Möglichkeit der Chefs von Verwaltungsorganen und Gerichten begrenzen, Informationen zu manipulieren. Allerdings merkten die Experten an, dass die Behörden unzulängliche Initiativen zur Gründung eines unabhängigen Organs zeigten, das ihre Aktionen ständig verfolgen soll.
Während des Auftritts von Agneschka Piasecka zog sie Parallelen bei der Lustrationspraxis in der Ukraine und in Polen. Sie merkte an, dass alle Abgeordneten in Polen durch Europäische Gesetze geprüft werden, während in der Ukraine bis heute überhaupt keine Liste der Parlamentsabgeordneten vorliegt; einige Abgeordnete der Werchowna Rada wurden über geheime Listen gewählt. Darin sehen die Experten ein großes Problem für die Durchführung eines transparenten Lustrationsprozesses im Staat.
Die Experten Maxim Mankowskij und Sergej Iwanow bezeichneten das bestehende Kompromissgesetz 4359 als „zu weich“ zur vollständigen Bereinigung staatlicher Behörden. Nach ihren Angaben würde es gelingen, wenn das Gesetz gegenüber Zuwiderhandelnden strenger wäre, den Übertritt von Parlamentsabgeordneten aus der politischen Partei des Oppositionsblocks zu verhindern. „Solange sich die Ukraine im Kriegszustand befindet, einschließlich eines fragilen Staatsapparats, ist es legitim, den Staatsapparat vor dem Übertritt bestimmter Personengruppen, wie zum Beispiel ehemalige Mitarbeiter kommunistischer Sicherheitsdienste, zu schützen,“ sagten die Experten.
Die Prüfung der Kandidaten auf ihre Integrität wird schon 4-6 Monate lang durchgeführt, aber zur Verbesserung der bestmöglichen Wirksamkeit der Überprüfung soll die Frist auf 7-10 Tage gekürzt werden. Es sei daran erinnert, dass bis heute nur 350 Staatsangestellte unter die Lustration gerieten.