Kiew, 24. Dezember 2014 – Die Nichtregierungsorganisation (NGO) „Telekritika“ zog das Fazit über das sommerliche Monitoring zu der pro-russischen Propaganda in den Massenmedien und stellte die Ergebnisse einer Umfrage über den Einfluss der russischen Propaganda auf die ukrainische Gesellschaft, die vom Kiewer Internationalen Institut für Soziologie (KMIS) auf Bestellung von „Telekritika“ erstellt wurde, während einer Pressekonferenz im Ukrainischen Crisis Media Center vor. „Der ukrainische Medienraum begann sich von der totalen Abhängigkeit von russischen Produkten und russischen „Tagesberichten“ zu lösen. Die Ideen der „russischen Welt“ trennt offenbar einen Großteil der ukrainischen Gesellschaft und sogar ukrainischer Politiker für immer ab,“ kommentierte die Gründerin und Vorsitzende von „Telekritika“, Natalja Ligatschewa, die Medienanalyse für 2014.
Ein Jahr lang beobachteten Medienexperten von „Telekritika“ ukrainische und russische Medien in Bezug auf pro-russische Propaganda. Insgesamt wurden 14 Materialien veröffentlicht, in denen die Propagandameldungen aus Russland und manipulative Techniken analysiert, sowie Mythen widerlegt und Falschmeldungen aufgedeckt wurden. „Die Intensität und Aggressivität der russischen Propaganda übertraf teilweise die Propaganda im „Kalten Krieg“. Die Ukraine und USA wurden in den pro-russischen Medien ausschließlich als Feind dargestellt. Dies wirkte sich auf die Beziehung zwischen Russen und Ukrainern und zwischen Ukrainern untereinander stark negativ aus. Leider sind die Folgen dieser Propaganda für beide Länder zur Wiederherstellung einer Vertrauensbasis zwischen den Staaten niederschmetternd. Selbst ein Jahr nach einem Kriegsende wird für einfache Leute nicht ausreichen“, erklärte Diana Luzik, die ausübende Direktorin von „Telekritika“.
Im Frühling wurden Falschmeldungen und Gewaltaufrufe hauptsächlich durch soziale Netze verbreitet, danach über neugegründete und von den Separatisten übernommene Massenmedien. Die „elegantesten“ Instrumente zur Manipulation von Lesern und Zuschauern waren Auswahl „korrekter“ Worte („Volkswehr“, „Republik“), Appelle an Emotionen (Waisenkinder, Frauen), und Aufrufe zum Frieden um jeden Preis, laut Schlüssen der Experten von „Telekritika“.
Das Monitoring zeigte auch Spuren der Propaganda in einigen nationalen („Westi“, „Komsomolskaja Prawda in der Ukraine“, Kanal „112 Ukraina“) und lokalen Medien (Fernsehkanal „Reporter“ aus Odessa) und besonderen Behörden (Donezker Stadt- und Luhansker Gebietsrat).
„Die russische Propaganda nutzte offenbar ein ganzes Spektrum an schmutzigen Techniken. Offene Lügen, Inszenierungen zum Preis von Menschenleben, Förderung von Hysterie, Schüren von interethnischem und interkonfessionellem Hass, bis hin zu offenem Gewaltaufruf. Dies war eine systematische und zielgerichtete propagandistische Arbeit seitens Russlands, vor deren Hintergrund die Ukraine verwirrt und schutzlos aussah. Leider reagierten weder Staatsbehörden, noch Medien innerhalb eines Jahres mit keiner allgemeinen Herangehensweise oder Gegenmaßnahme darauf, obwohl man sogar endlich auf internationalem Niveau über die Gefahr zu sprechen begann,“ erklärte Roman Schutow, Experte für das Monitoring russischer Propaganda und Direktor des Programms bei „Telekritika“.
Um eine allgemeine Herangehensweise und Maßnahmen gegen die russische Propaganda in den besetzten Gebieten und im Hinterland zu entwerfen, will „Telekritika“ bereits Anfang 2015 einen breiten Dialog mit der Staatsführung, Medienexperten, Managern und Journalisten führen.
Die Umfrageergebnisse über die Rolle ukrainischer und russischer Medien im ukrainisch-russischen Konflikt:
- Die Ukrainer spüren die Notwendigkeit zur Festigung der Informationspolitik und sind bereit, verschiedene Maßnahmen zu unterstützen, die die Informationssicherheit der Ukraine verstärken könnten, wie die Beschränkung russischer Senderkanäle, Gründung eigener Konterpropagandasender oder die Gründung eines Ministeriums für Informationspolitik;
- Ein bedeutender Teil (42 Prozent) der Ukrainer meint, dass ukrainische Medien mit zur pro-russischen Stimmung im Osten der Ukraine und auf der Krim beitrugen – diese Meinung ist im Westen und Osten des Landes gleich verbreitet;
- Die absolute Mehrheit (82 Prozent) der Befragten ist davon überzeugt, dass die ukrainischen Medien keine patriotisch-propagandistische Position einnehmen, sondern objektiv über die Situation im Land berichten sollen – sowohl über Erfolge, als auch über Fehler des ukrainischen Militärs und der Staatsführung;
- Die Bewohner der Ukraine sind davon überzeugt, dass russische Fernsehkanäle Falschinformationen über die Situation in der Ukraine verbreiten: In den West- und Zentralgebieten – 86 Prozent; im Süden 63 Prozent, und im Osten 43 Prozent;
- Fast 40 Prozent der Ukrainer schauen sich russische Serien an. Fans russischer Serien finden sich in allen Regionen, sowohl unter Männern, als auch unter Frauen aller Altersstufen und aller Bildungsniveaus;
- 49 Prozent der Befragten unterstützen die Notwendigkeit zur Gründung eines qualitativen Konterpropagandasenders in der Ukraine für das Ausland; 41 Prozent unterstützen in der Ukraine ein Verbot von russischen Sendern, die Informationsprogramme haben; 37 Prozent unterstützen die Gründung eines Ministeriums in der Ukraine, das für die Kontrolle des Informationsraum verantwortlich ist, 22 Prozent sind dagegen, und 35 Prozent haben keine klare Position in dieser Frage;
- Die Bewohner des Ostens und Südens sind hauptsächlich gegen ein Verbot russischer Sender, aber nicht gegen die Ausstrahlung qualitativer Gegenpropaganda. Die meisten stehen der Idee zur Gründung eines Ministeriums zur Informationskontrolle kritisch gegenüber, da dies die Möglichkeit bietet, dass sich die Tätigkeit eines solchen Ministeriums in Zensur wandeln könnte.
Zur Information: Die Umfrage wurde durch das Kiewer Internationale Institut für Soziologie auf Bestellung der Nichtregierungsorganisation „Telekritika“ vom 1. bis 19. Dezember 2014 in 110 Siedlungspunkten in allen Gebieten der Ukraine, außer in der Autonomen Republik Krim, durchgeführt. Im Gebiet von Luhansk wurden die Umfragen nur in Gebieten durchgeführt, die von der Ukraine kontrolliert werden; im Gebiet von Donezk wurden die Umfragen sowohl in Gebieten durchgeführt, die von der Ukraine kontrolliert werden, als auch in Gebieten, die nicht unter der Kontrolle der Ukraine sind. Insgesamt wurden bei der Feldstudie 2.011 Fragebögen ausgewertet. Der statistische Auswahlfehler liegt für die gesamte Ukraine bei unter 0,95 mit einer Wahrscheinlichkeit von 2,2 Prozent. Für Makroregionen liegt der statistische Fehler bei 0,95 mit einer Wahrscheinlichkeit von 4,7 Prozent. Die Auswahl, die für die Untersuchung entwickelt wurde, repräsentiert die gesamte Ukraine mit einem Schnitt von vier Regionen.