Das Hauptinteresse des Kremls ist ein Machtwechsel in der Ukraine und dass der Konflikt im Osten des Landes weitergeht – Ilja Ponomarjow

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Kiew, 15. Mai 2015 – Die Situation im Osten der Ukraine ist weit von einer Lösung entfernt: seitens Russlands darf keine Lösung im Donbass erwartet werden, bestenfalls ein Einfrieren des Konflikts. Darüber berichtete Ilja Ponomarjow, der einzige Abgeordnete in der russischen Staatsduma, der gegen die Annexion der Krim stimmte, während einer Pressekonferenz im Ukrainischen Crisis Media Center. „Der Großteil der russischen Freiwilligen, die im Osten der Ukraine kämpfen, sind eher „Anti-Putin“ gestimmt. Wenn der Konflikt vorbei wäre, würden sie es als Verrat ansehen. Deshalb: je länger das Schießen und die Gewalt andauern, desto besser für Putin“, erklärte Ilja Ponomarjow.

Nach Aussagen des Abgeordneten Ponomarjow hat die russische Staatsführung ein fundamentales Interesse daran, dass sich die Führung in der Ukraine ändert. Der Kreml wird versuchen, dieses Ziel unabhängig davon zu erreichen, ob es einen realen Waffenstillstand gibt oder ob die Sanktionen gegen die Russische Föderation aufgehoben werden. Für die russische Führung ist es sehr wichtig, den russischen Bürgern zu zeigen, dass Revolutionen unter keinen Umständen erfolgreich sein können. Die Russen sollen nicht versuchen, das zu kopieren, was in der Ukraine passierte, denn dies würde nur Not und den Zerfall des Landes und ausländische Interventionen bringen.

„Die meisten Menschen in Russland sehen diesen Konflikt, diesen Krieg, der im Osten der Ukraine geführt wird, nicht als groben Versuch, einen Teil der Ukraine zu erobern und auch nicht als Kampf für die Rechte der russischen Bevölkerung, die im Osten der Ukraine lebt. Die Mehrheit der Bevölkerung versteht diesen Freiheitskrieg der Ostukrainer als Krieg gegen Amerikaner und Europäer, die angeblich eine faschistische Marionettenregierung in Kiew installierten. Die Russen sehen sich als die Guten, als Volk der Befreier“, betonte Ilja Ponomarjow.

Der russische Abgeordnete meinte, dass je nach dem, wie sich die Situation in der Ukraine entwickelt, sich der Kreml nur in seinen Erwartungen bestätigt sieht, dass die aktuelle Regierung in der Ukraine nicht lange hält, dass Reformen nicht konsequent durchgeführt werden und unpopulär sind. Nach seinen Worten beschäftigt sich der Westen eher mit der Imitation von Hilfe, statt real zu helfen. Und in der Ukraine gibt es keine Strategie, wie sie aus der Wirtschaftskrise herauskommt. Das bedeutet, dass kardinale Veränderungen, Protestaktionen und eine politische Krise unvermeidlich sind. Die Situation ist wie „trübes Wasser“, was heißt, dass man „seinen Fisch fangen kann“, womit gemeint ist, dass man aus der Situation für sich das Beste herauszieht. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird diese Strategie im Kreml auch weiterhin dominieren.

Nach Meinung von Ilja Ponomarjow besteht eine Variante zur Lösung der sich entwickelnden Situation in Russland darin, eine Exilregierung zu gründen. Damit ist eine vorübergehende Verlagerung der russischen Opposition in ein anderes Land gemeint, da das Korruptionsniveau in Russland derzeit so hoch ist, dass sich die Situation nur von außen ändern lässt.

Theoretisch wäre die Ukraine unter allen Ländern eine offensichtliche Wahl für die Oppositionsbasis, aber die meisten russischen Oppositionellen, die das Land verlassen mussten, sind heute in Litauen, Großbritannien oder in der USA. „Dafür gibt es viele Gründe. Der wichtigste davon ist, dass man dort etwas machen und irgendwie existieren kann. Das, was mit der ukrainischen Wirtschaft passiert, macht es für diese Leute schwer, etwas zu verdienen, um davon zu leben. Die ukrainische Regierung bietet keine Hilfe. Die Geschäftswelt nimmt bisher die Reformen nicht sonderlich aktiv an, so dass man kaum von einer Transformation in unserem Nachbarland sprechen kann“, erklärte Ilja Ponomarjow. Er merkte auch an, dass es Probleme bei der Frage über den Status von Russen gibt, die in die Ukraine kommen. Ukrainische Beamte bestehen oft auf eine rein formale Position und sind nicht bereit, zu helfen.

In Russland gibt es keine große Strategie, es ist nur Taktik. Und diese hängt davon ab, wie sich die wirtschaftliche und politische Situation im Land, sowie die Außenkonjunktur entwickelt. Dementsprechend entscheiden die höchsten russischen Führungskräfte. Nach Angaben von Ilja Ponomarjow ist die Ukraine eher ein Objekt als ein Subjekt der Manipulation. Die Ukraine wirkt auf die russische Bevölkerung und auf verschiedne Länder der Welt seitens des Putinregimes. Und letzten Endes interessiert es überhaupt nicht, wie viel Blut in der Ukraine noch vergossen wird oder wie viele friedliche Bürger sterben.

„Wir, als russische Opposition versuchen, diese Situation zu ändern. Gerade bildet sich in Russland eine neue Oppositionskoalition, die bei den nächsten Regionalwahlen antreten will. Aber dieser Prozess ist bei weitem nicht unproblematisch. Die größte Schlacht steht uns 2017 bevor, wenn entschieden wird, ob Putin wiedergewählt wird. Bei diesem Anlass wird die Position der Mehrheit aus Vertretern der wirtschaftlichen und politischen Elite klar werden. Gerade 2017 wird für die heutige russische Führung zum Schicksalsjahr“, erklärte Ilja Ponomarjow. Heute bereiten sich alle am politischen Prozess Beteiligten auf diese Zeit vor. Die Wahlen zur Staatsduma im Dezember 2016 werden eine „Aufwärmphase“ und 2017 soll der heutigen Führung die höchstmögliche Rechnung vorgelegt werden, um die nächste Runde der Präsidentschaft einzuläuten. So sieht die Logik aus, nach der sich die Situation innerhalb von Russland derzeit entwickelt, erklärte der Abgeordnete.