Kiew, 29. Mai 2015 – Die Ukraine muss sich auf Maßnahmen konzentrieren, die ein langfristiges Wachstum gewährleisten. Diesen Standpunkt vertrat Leszek Balcerowicz, ehemaliger Premierminister und Finanzminister von Polen, im Verlauf der offenen Diskussion „Ordnung zur Durchführung von Reformen. Kooperation und Kommunikation von Reformen“, die im Ukrainischen Crisis Media Center stattfand.
Leszek Balcerowicz empfiehlt der ukrainischen Staatsführung und Gesellschaft, unter Berücksichtigung der polnischen Erfahrung mit der Durchführung von Reformen, drei Schritte zu unternehmen: eine „Problemdiagnose“ durchzuführen, die klären soll, welcher Lösungsweg eingeschlagen werden soll (das heißt, die Wahl des Modells, das das Land anwenden soll), um das eigentliche Ziel zu erreichen. Er betonte, dass die Aktionen zur Zielerreichung auf einem klaren Plan basieren müssen.
Nach Angaben von Leszek Balcerowicz ist eine totale Privatisierung, die Beseitigung von Monopolen und eine Liberalisierung in dieser Situation die beste Sozialpolitik. Eine makrowirtschaftliche Stabilität und Ausgeglichenheit des Staatshaushalts sind auch Voraussetzung für Wirtschaftswachstum. „Durch das Paket des IWFs konnte die Ukraine das Budgetdefizit verringern, was einen großen Erfolg für den Staat darstellt. Ich denke, dass der Westen mehr für die Ukraine unternehmen soll, aber die Ukraine muss ihrerseits zeigen, dass sie die Reformen nicht nur für den Westen, sondern für sich durchführt“, sagte der ehemalige polnische Finanzminister. Leszek Balcerowicz betonte auch, dass das Wesen der Änderungen bei den Bürgern Anklang finden muss, damit sie mittels Kommunikation verstehen, dass die manchmal schmerzlichen Reformen letztlich zu angenehmen Ergebnissen führen, wie zum Beispiel zu einer Stabilisierung des Hryvna.
„Ich denke, die zwei sehr klar von Leszek Balcerowicz angesprochen Positionen sind richtig: zum einen die Kürzungen im Staatshaushalt, weil wenn das Land nicht mit dem Staatshaushalt überleben kann, muss er sowieso gekürzt werden; und zum anderen die Erhöhung des Renteneintrittsalters. Beide Themen führen innerhalb der Gesellschaft zu Streit, aber Polen begann gerade mit diesen beiden Reformen“, sagte Dmitrij Schimkiw, stellvertretender Chef der ukrainischen Präsidialverwaltung. Nach Angaben von Dmitrij Schimkiw ist eines der Hauptprobleme in der Ukraine, die Koordination, wer Reformen umsetzt. Um gerade dieses Problem zu lösen, wurde der Nationale Reformrat als Platz geschaffen, wo die Pläne für konkrete Reformen abgestimmt und vorgestellt werden. Ein weiteres Problem ist die Kommunikation. „Man muss eine Methode finden, um Informationen interessant zu präsentieren. Heute wird an den Reformen hart gearbeitet, aber niemand weiß etwas davon, weil es nicht interessant ist, da es weder ein Skandal, noch eine Sensation ist. Man muss inhaltlich und ohne Populismus darüber berichten, was diese Reformen sollen“, sagte Dmitrij Schimkiw. Er ergänzte, dass es auch wichtig ist, den Koalitionsvertrag zu erfüllen und zu prüfen, ob damit das Assoziationsabkommen erfüllt wird. Gerade deshalb ist ein Monitoringsystem für alle Reformen als Instrument wichtig, mit dem geklärt werden kann, in welcher Etappe eine konkrete Reform steckt und ob es helfen würde, sie zu korrigieren.
Ajwaras Abromawitschius, Minister für Wirtschaftsentwicklung und Handel der Ukraine, merkte auch an, dass die geringe Koordination bei der Umsetzung von Reformen ein Problem darstellt. Unter anderem zwischen der Werchowna Rada und dem Ministerkabinett: von den von der Regierung an das Parlament übergebenen Gesetzentwürfen werden nur zirka 44 Prozent angenommen. „Es reicht nicht, dass alle einer Meinung sind, sondern es fehlt an Geschlossenheit. Einige Koalitionsmitglieder verstehen nicht, wohin sich das Land wirtschaftlich entwickelt. Das muss man erklären. Man muss auch die Grundprinzipien vermitteln, wie eine freie Wirtschaft, die Dezentralisierung und Deregulierung funktioniert, damit alle nachfolgenden Regierungs- und Parlamentsinitiativen direkt auf diesen Prinzipien basieren“, sagte der Minister für Wirtschaftsentwicklung und Handel.