Die Menschenrechtler wiesen auf Mängel bei den Gesetzentwürfen zur Reformierung des Innenministeriums hin

Kiew, 18. Juni 2015 – Die Reformierung des ukrainischen Innenministeriums kommt mindestens ein Jahr zu spät. Dies berichteten Menschenrechtler während einer Pressekonferenz beim Ukrainischen Crisis Media Center. Sie analysierten 4 Gesetzentwürfe und konzentrierten sich dabei besonders auf den Gesetzentwurf „Über die nationale Polizei“. Nach Angaben von Alexandra Matwejtschuk, Vorstandschefin des Zentrums für Bürgerfreiheiten und Koordinatorin bei Euromaidan SOS, besteht der größte Mangel darin, dass der Wettbewerb um Ämter keinen Schutz vor Oligarchen bietet. Das heißt, der Leiter jeder Abteilung wird beliebig nach eigenem Ermessen bestimmt. „Wir kennen die ständige Korruptionstradition in unserem System. Wir sehen einen breiten Spielraum für Korruptionsmissbräuche und einen Verstoß gegen das Transparenzprinzip bei der Arbeit der Polizei, das eigentlich in der Entwicklungsstrategie des Innenministeriums vorgesehen war“, erklärte Matwejtschuk.

Ein weiterer Mangel besteht darin, dass beim Innenministerium nach wie vor das sowjetische Rangssystem erhalten bleibt, trotz der Entmilitarisierung der Polizei. Da die neue Polizei keine militärisch organisierte und bewaffnete Truppe mehr sein soll, sollen sie deren Ränge bürgerlich sein, erklärte Alexandra Matwejtschuk.

Pawel Dikan, der Koordinator der Rechtsanwaltsgruppe „Himmlische Hundertschaft“, merkte an, dass die unnötige Politisierung der Gesetzeshüter ein Grund für Menschenrechtsverstöße war, was mitunter zu den tragischen Ereignissen im Februar 2014 führte. Und die Ermittlungen zu den Todesschüssen auf dem Maidan verzögern sich auch wegen des Mangels eines Kontrollsystems innerhalb der Rechtsschutzorgane. „In dem neuen Gesetzentwurf ist keine Identifizierung von Polizisten vorgesehen, keine unabhängige Kommission zur Disziplinarverantwortung, was in Europa und Amerika effektiv genutzt wird“, sagte Pawel Dikan.

Juristen bereiteten eine Liste mit Standards vor, die in die Reformierung des Rechtsschutzsystems aufgenommen werden sollen. Darunter: Sicherstellung, dass sich Polizisten an Menschenrechte halten; und  Sicherstellung von effektiven Maßnahmen bei der Korruptionsbekämpfung innerhalb der Polizeibehörden. Das heißt, sollte ein Polizist einen Korruptionsfall entdecken, ist er verpflichtet, dies seinem Vorgesetzten mitzuteilen. Es sollen auch Fachberufe geschaffen werden, sowie psychologische und materielle Bedingungen zum Schutz der Würde, dem Wert und der Unvoreingenommenheit von Gesetzeshütern, insbesondere durch eine transparente Beförderung und einer Ausschreibungswahl für Ämter, sowie unabhängige Weiterbildungen. Außerdem muss nach Meinung der Juristen in der neuen Gesetzgebung der Prozess zur Entmilitarisierung der Rechtsschutzorgane gewährleistet werden, sowie der Prozess zur Dezentralisierung und Depolitisierung von Polizisten. „Das ist kein Fußtritt gegen die Behörden. Wir wollen einfach den Strukturen helfen, die richtigen Schritte zu unternehmen“, ergänzte Alexandra Matwejtschuk.