Werchowna Rada – 180 Tage im Amt – Anlass, Euro-Optimist zu bleiben?

WATCH IN ENGLISH

Kiew, 21. Juli 2015 – Das Assoziierungsabkommen ist eine Wegbeschreibung für Veränderungen, die die Ukraine zur Annäherung an die Europäische Union unternehmen muss. Eine Reihe ukrainischer Ministerien sind bereits dazu übergegangen, statt kurz- langfristig zu denken. Aber Reformen müssen nicht nur angekündigt, sondern auch real umgesetzt werden. Darüber sprach Jan Tombinski, der Chef-Vertreter der EU in der Ukraine, während einer Diskussion im Ukrainischen Crisis Media Center. „Das Parlament muss zusätzlich zu seiner gesetzgebenden Funktion auch eine Kontrollfunktion erfüllen. Das heißt, darüber berichten, was umgesetzt wurde. Reformen kann man auf dem Papier ankündigen, aber dann muss man auch zwingend erklären, was real passiert“, sagte er. Die Werchowna Rada der Ukraine ist heute auf dem Weg, eine historische Mission mit den Reformen im Rahmen des Assoziierungsabkommens zu erfüllen.

Kees Klompenhouwer, der niederländische Botschafter in der Ukraine, meinte, dass es leichter ist, ein Regime zu ändern als ein System. Aber das ist die heutige Aufgabe. „Ich sehe Licht am Ende des Tunnels. Es gibt den Traum, das Land zu ändern, und es gibt den Willen“, betonte der Botschafter. Allerdings ist die Wirtschaft manchmal unzufrieden, so dass man zuerst die Spielregeln ändern muss und danach die Institutionen. Aber das ist eine schwierige Aufgabe. Bisherige Erfolge sind eher gering. Die dringendsten Reformen sind der einzige Weg, dass in das Land wieder investiert wird. Das braucht Führungskräfte, die in der Lage sind, diese Aufgabe umzusetzen, davon ist Kees Klompenhouwer überzeugt.

Die Hauptverantwortung für die Umsetzung des Assoziierungsabkommens liegt bei der Regierung. Wladislawa Rutizkaja, die stellvertretende Ministerin für Landwirtschaftspolitik und Lebensmittel in der Ukraine zu Fragen der Europäischen Integration, meinte, dass die Ukraine zu einem bedeutenden Player auf dem Landwirtschaftsmarkt von Europa wurde. Ein bemerkenswertes Ergebnis war Anfang 2015, als die Ukraine in drei Monaten Landwirtschaftsprodukte für 1 Mrd. USD in die Europäische Union exportierte. Die Harmonisierung der ukrainischen und europäischen Gesetzgebung dauert an. Es wurden in der Ukraine bereits eine Reihe von Gesetzen an europäische Standards angepasst – unter anderem für Futter und für die Identifizierung von Haustieren.

Die stellvertretende Infrastrukturministerin in der Ukraine zu Fragen der Europäischen Integration, Oxana Rejter, berichtete, dass sich wesentliche Reformen im Transport- und Postwesen im Rahmen der Implementierung des Assoziierungsabkommens darauf richten, transparente Konkurrenz- und Zugangsbedingungen auf die Märkte der Transport- und Postdienstleistungen zu schaffen, sowie das internationale Transportwesen zu liberalisieren, Barrieren zu beseitigen und Bedingungen zu schaffen, um den Fluss von Transportströmen zu verbessern. „Unsere Priorität ist, den Transport aller Beförderungstypen zwischen der Ukraine und den EU-Mitgliedsstaaten zu liberalisieren“, erklärte sie.

Maria Nischnik, die staatlich Bevollmächtigte des Antimonopolkomitees der Ukraine (AMKU), betonte, dass es bereits ein wesentlicher Fortschritt des AMKU ist, dass die Behörde all ihre Entscheidungen veröffentlicht. Eine weitere wichtige Neuerung ist, dass der Entwurf für die Methoden zur Bestrafung von Subjekten, die die Gesetzgebung zum Schutz der Wirtschaftskonkurrenz verletzen, genehmigt wurde. „Das liegt direkt am Assoziierungsabkommen, in dem dies direkt verlangt wird. Und es ist eine Voraussetzung dafür, dass das Land finanzielle Hilfen erhält“, berichtete Maria Nischnik.

Während der Veranstaltung wurde auch die neue Roadmap für die Reformen zur Europäischen Integration präsentiert: eine Art „Reiseführer“ für 2015 für die Werchowna Rada mit einer Liste von Schlüsselgesetzen, deren Beschluss zur Implementierung des Assoziierungsabkommens und der Freihandelszone wichtig ist. „Nach dieser „Anleitung“ stehen für September viele Aufgaben an. Ich denke, wir werden diesbezüglich mit der Zivilgesellschaft und den Ministerien zusammenarbeiten und der Werchowna Rada mit den Eurointegrationsgesetzen „Alpträume“ bescheren“, sagte Ljubow Akulenko, die Koordinatorin der Informationskampagne „Gemeinsam stärker“.

Viktoria Ptaschnik, ukrainische Parlamentsabgeordnete und Mitglied im Ausschuss der Werchowna Rada zu Fragen der Wirtschaftspolitik, sagte, dass im Wirtschaftsbereich eine Reihe von Gesetzentwürfen beschlossen wurden, wobei vier Faktoren für das Land tödlich sind: Populismus, PR, Ratings und Wahlvorbereitungen. Jede Gesetzesinitiative muss besprochen werden.

Olga Belkowa, ukrainische Parlamentsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende im Ausschuss der Werchowna Rada zu Fragen im Brennstoffkomplex, der Nuklearpolitik und nuklearen Sicherheit, berichtete, dass es Änderungen an der Gesetzgebung für Aktiengesellschaften gab. Das beschlossene Gesetz für den Erdgasmarkt demonopolisiert die Rolle der Nationalen Aktiengesellschaft „Naftogaz“ und ermöglicht es durch das Auftauchen anderer Marktteilnehmern, dass Marktpreise entstehen. „Naftogaz“ wurde von Schuldverschreibungen gesäubert. Das war ein schwarzes Loch für das ukrainische Budget. Wir hoffen, dass wir in den nächsten Jahren Ergebnisse sehen – sowohl für den Staat, als auch für die Bevölkerung. Die Bürger müssen weniger Steuern für intransparente Finanzierungsschemen bezahlen, die es früher gab“, betonte Olga Belkowa. „Wohl zum ersten Mal gibt es zwischen der ukrainischen Gesellschaft und der Wirtschaft und zwischen der gesetzgebenden und ausführenden Gewalt im Gasbereich eine hohe Zustimmung, dass die Informationen über alle Budgetzahlungen veröffentlicht werden“, ergänzte die Abgeordnete.

Elena Sotnik, ukrainische Parlamentsabgeordnete und Mitglied im Ausschuss der Werchowna Rada zu Fragen der Europäischen Integration, nannte gewisse Probleme auf diesem Weg. Unter anderem, dass ein Amt des Vizeministerpräsidenten zu Fragen der Europäischen Integration fehlt, sowie ein Staatsorgan, das die Erfüllung des Assoziierungsabkommens durch die Ministerien kontrolliert.

Daneben arbeiten die Partner der Ukraine mit der EU an der Ratifizierung des Assoziierungsabkommens schneller als von den Parlamentsabgeordneten erwartet. Bisher fehlen nur Zypern, Griechenland und „Euroatom“. „Allerdings steht die Führung sowieso hinter der Ukraine“, sagte Swetlana Salischuk, die Vorsitzende des Unterausschusses zu Fragen der euroatlantischen Zusammenarbeit und der Europäischen Integration im Ausschuss der Werchowna Rada für ausländische Angelegenheiten der Ukraine.