Welchen Einfluss hat der Marktpreis für Gas auf die ukrainische Wirtschaft? – Experten des Zentrums für Wirtschaftsstrategie

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Kiew, 26. August 2015 – Die Analyse, welchen Einfluss Marktpreise gegenüber günstigen Preisen für Gas auf die Wirtschaft hat, zeigt, dass die positiven Effekte bei der Einführung von Marktpreisen gegenüber den negativen stark überwiegen. Die Gasreform wird nur dann effektiv und von Erfolg gekrönt, wenn sie vollständig umgesetzt wird und Kompensationsmechanismen richtig angewendet werden. Diese sind: direkte Subventionen für die Bevölkerung bei der Zahlung von Kommunaldienstleistungen; Programme zur Stimulierung der Energieeffizienz; Bedingungen für eine freie Konkurrenz auf dem Markt; und effektive, unabhängige Regler auf dem Energiemarkt. Darüber sprachen Experten des Zentrums für Wirtschaftsstrategie während der Präsentation der Ergebnisse aus der Studie „Sollte der Gaspreis dem Marktniveau entsprechen?“ während einer Pressekonferenz im Ukrainischen Crisis Media Center. Die Experten verglichen zwei alternative Herangehensweisen zur Preisbildung aus der Sicht ihres Einflusses auf die kernwirtschaftlichen und sozialen Probleme. Dabei untersuchten sie auch die Kompensationsmechanismen, die zur realen Umsetzung der Reform notwendig sind.

Bisher werden die Gaspreise für die Bevölkerung durch den Staat stark angepasst und werden gegenüber dem Marktpreis für Gas künstlich gering gehalten, was für die Wirtschaft und den Wohlstand der Bevölkerung eine Reihe von Problemen hervorruft. Die günstigen Preise decken nicht die Kosten von „Naftogaz“ beim Kauf von Gas für den Bedarf der Bevölkerung. Das Defizit, das 2014 bei 5,7 Prozent des BIP lag, wird durch den Staat gedeckt. Die Bevölkerung erhielt Gas mit Stand von Ende 2014 um das 5-fache günstiger als die Industrie, was Nährboden für Korruption ist. Der günstige Preis kann auch zu einem Rückgang der Eigenförderung führen und vergrößert damit die Importabhängigkeit. Die niedrigen Gaspreise animieren auch kaum zur Energieeinsparung oder Energieeffizienz im kommunalen Sektor, berichtete die stellvertretende Direktorin des Zentrums für Wirtschaftsstrategie, Maria Repko.

Die Analyse der beiden alternativen Herangehensweisen bei der Preisbildung zeigt, dass ein zu geringer Gaspreis zu einer unausgeglichenen Bilanz der Staatsfinanzen führt und eine makrofinanzielle Stabilität unmöglich macht. Die Einführung von Marktpreisen soll die Bilanz von „Naftogaz“ und entsprechend im Budget ausgleichen, selbst wenn der Verbrauch und die Energieeffizient subventioniert wird. Der Endeffekt ist positiv: die Belastung durch die indirekte Hilfe für zahlungsfähige Hausbesitzer und die Verluste aus der Korruption werden beseitigt; die Kosten zur Schuldenbedienung werden gesenkt; und die verbesserte Situation im Förderindustrie und angrenzenden Bereiche wird es erlauben, mehr durch Rentenzahlungen, Steuern und Dividenden einzunehmen. Ein Nebeneffekt ist, dass sich die Reduzierung des Imports positiv auf die Zahlungsbilanz auswirken wird und damit der Druck auf den Hryvna sinkt.

Aus Korruptionssicht fördert jede Unterbewertung des Gaspreises für die Bevölkerung Missbräuche, da dieses Gas günstig für den Produktionsbedarf genutzt werden kann. Um die Korruption, die mit der Nutzung des Preisunterschieds für Gas verbunden ist, effektiv zu bekämpfen, hilft die Einführung von Marktpreisen für alle Verbraucherkategorien. „Die vollständige Reform besteht in der Abschaffung der Möglichkeit, selbst durch Schiedsgerichte Einnahmen zu generieren und in Zukunft eine Korruptionsrendite zu erhalten“, erklärte Maria Repko.

Außerdem wird aller Wahrscheinlichkeit nach bei einem niedrig gehaltenen Preis die eigene Förderung weiter verringert und damit die Importabhängigkeit hoch bleiben. Dafür würden bei einem Marktpreis die Mittel für die Rentenzahlungen bei „Ukrgazdobytscha“ bleiben, die dem Niveau der höchsten Kosten zur Förderung von traditionellem Gas aus neu erschlossenen Vorkommen entsprechen würden, was die Erhöhung der Förderumfänge anregen könnte.

Was den Einfluss auf die Energieeffizienz betrifft, merkten die Experten an, dass aufgrund des künstlich gering gehaltenen Preises bisher Verschwendung unterstützt wird. Und wenn sich die Ausgaben zur Installation von Zählern und Wärmeisolierungen erst in 10-15 Jahre rechnen, entsteht bei der Bevölkerung keine Motivation zur Energieeinsparung. Die Preiserhöhung für Gas auf Marktniveau wird dabei motivationsfördernd wirken. Das Potential zur Kostenreduzierung für den Gasbedarf der Bevölkerung beträgt zwischen 20 und 60 Prozent.

„Was die sozialen Effekte betrifft, wird die Einführung von Marktpreisen natürlich zu einer Preissteigerung bei den Kommunaldienstleistungen für die Bevölkerung führen. Die Preiserhöhung wird für Hausbesitzer mit mittleren Einkommen am stärksten fühlbar. Auf sie müssen sich staatliche Programme zur Stimulierung von Energieeinsparungen richten, wie Subventionen, Steuerermäßigungen, staatliche Hilfe bei der Kreditaufnahme usw. Bei Geringverdienern muss die Tariferhöhung durch direkte finanzielle Hilfsmechanismen abgefedert werden. Das geltende Subventionierungssystem verringert dabei nicht die Stimulierung zur Energieeinsparung, da es den Hausbesitzern ermöglicht, ihre zukünftigen Zahlungen für Kommunaldienstleistungen zu verringern und in der entsprechenden Periode weniger zu verbrauchen“, sagte Maria Repko.