07. bis 13. September 2015: Was deutschsprachige Medien zur Ukraine berichteten und was davon bei Facebook diskutiert wurde

Die deutschen Medien waren hauptsächlich von der Flüchtlingsdebatte dominiert, wobei damit Syrien ins Blickfeld geriet und die unklare Haltung Russlands, ob sie dort nun militärisch intervenieren oder nicht. Aus diesem Grund kam die Ukraine etwas aus dem Blickfeld, obwohl es einige nennenswerte Artikel gab.

Erwähnenswert ist, dass die Anklage, Arsenij Jazenjuk hätte bereits mit 16 Jahren im Tschetschenienkrieg gegen Russland gekämpft, nur in österreichischen Online-Medien aufgegriffen wurde (z.B. kurier.at), während deutsche Medien nur eine AFP-Meldung brachten, die allerdings schwer zu finden sind (z.B. welt.de).

Das Lob der IWF-Chefin Lagarde über die Reformfortschritte in der ukrainischen Wirtschaft wurde Anfangs der Woche in fast allen großen deutschsprachigen Onlinemedien berichtet (z.B. Deutschlandfunk).

Der Standard (Österreich) brachte am Montag ein Interview mit Serhij Zhadan über sein neues Buch „Mesopotamien“ und sein Verhältnis zu Charkiw. Tags zuvor berichtete das Online-Medium über die „Machtverschiebungen“ in der „Donezker Volksrepublik“, was in anderen Medien sonst kein Thema war.

Bei Facebook wurden Bilder des Regenbogens vom Dienstag aus Kiew geteilt und als positives Zeichen interpretiert. Eher negativ wurden dagegen die deutschsprachigen Angebote aus Russland (Sputnik) aufgenommen, wo einerseits ein Bericht erschien, dass ein Sieg in einem Atomkrieg möglich wäre, und andererseits der ehemalige ukrainische Premierminister Nikolaj Azarow zu Wort kam, indem er über Lagarde spottete und meinte, die Ukraine könne keinen Erfolg aufweisen.

In einem Interview bei „Die Zeit“ mit Bernd Bonwetsch und Irina Scherbakowa zur Frage, ob uns ein neuer kalter Krieg droht, schlug Bonwetsch europäischen Politikern vor:

„unsere Politiker könnten auch in Bezug auf die Ostukraine noch etwas mehr Fantasie entwickeln, möglicherweise könnten gemischte russisch-westliche Truppen und Organisationen eine föderale Lösung bringen. Man darf den Osten der Ukraine nicht den Aufständischen und den ukrainischen Nationalisten überlassen, die sich da engagieren.“

Dies löste bei Facebook unter pro-Ukrainern einige negative Reaktionen aus, da sie Russland als Teil des Problems sehen, das nicht Teil der Lösung sein kann. Vor allem die „föderale Lösung“ und der Vorwurf „ukrainischer Nationalisten“ wurde als „von Russland gesäte Gedanken“ interpretiert.

Am Freitag schrieb Cathrin Kahlweit bei der Süddeutschen Zeitung, dass in Kiew eine Regierungskrise entstehen könne, weil unter anderem Michail Saakaschwili Arsenij Jazenjuk angreifen würde. In dem Artikel werden weitere Punkte aufgeführt, worüber sich das Parlament und die Koalitionsparteien streiten und sogar manche der Koalitionsparteien damit drohen, die Koalition zu verlassen. Der Artikel geht im letzten Absatz kurz auf die „Säuberung“ in der „Donezker Volksrepublik“ ein.

Insgesamt positiv wurde berichtet, dass die Waffenruhe im Donbass tatsächlich hält, was bei Facebook kritisch bewertet wurde, weil man der Situation nicht traut (z.B. Die Zeit).

Die Yes (Europäische Jalta-Strategie) war zwar bei Facebook Thema, aber zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Bericht nicht in deutschsprachigen Medien.

Am Sonntag schrieb Konrad Schuller bei der FAZ einen längeren Bericht über die Freiwilligenbataillone, der einerseits die Folgen des Kriegs bei den Kämpfern thematisiert, aber auch mit dem Vorurteil aufräumt, dort würden nur „faschistische Kräfte“ kämpfen. Außerdem veröffentlichte „Die Zeit“ einen Gastbeitrag von Bernhard Müller-Härlin, der beanstandete, dass die Ukraine durch die anderen Medienmeldungen über Flüchtlinge aus dem Blickfeld geriet. Er appelliert daran, die Ukraine nicht zu vergessen, da ein bankrotter und auseinanderfallender Staat in der unmittelbaren EU-Nachbarschaft die Europäische Union noch mehr belasten würde.

Jörg Drescher für UCMC