Wochenübersicht der ukrainischen Pressenachrichten vom 08.09.2015 bis 14.09.2015

Lage in der Ostukraine und Lokalwahlen

Erstmals seit Ausbruch des Krieges stellte die ukrainische Staatsführung einen wirklichen Waffenstillstand in der Ostukraine fest, der durch mehrere politische Schritte und die Minsker Vereinbarungen möglich wurde. Trotzdem warnen ukrainische Diplomaten, sowie ukrainische Vertreter bei den trilateralen Verhandlungen, dass die Waffenruhe noch keine vollständige Erfüllung der Minsker Abkommen bedeutet. Russland kann diesen Waffenstillstand für eigene militär-politische Spiele nutzen, bis hin zu einem eingefrorenen Konflikt. Das weitere Schicksal der Friedensprozesse hängt derzeit weniger von der Waffenruhe ab, sondern von den Wahlen in den besetzten Gebieten, die die Separatisten vor kurzem ankündigten. Die Ukraine bewertet die Durchführung dieser Wahlen als Sabotage der Minsker Vereinbarungen. Es wurde auch berichtet, dass die Söldner ihre Waffenarsenale im Osten vergrößern, wobei Russland an der Grenze zur Ukraine eine große Militärbasis aufbaut.

In der vergangenen Woche nahmen die Söldner die ATO-Kräfte 26 mal unter Beschuss. Laut Angaben der Sprecher der Präsidialverwaltung zu ATO-Fragen wurden in der ATO-Zone 6 ukrainische Soldaten getötet, 11 weitere wurden verletzt.

Der Konflikt in der Ostukraine könnte eingefroren werden, wobei dies verhindert werden soll, warnte der ehemalige Präsident der Ukraine Leonid Kutschma (auf Englisch). „Es kann zu einem eingefrorenen Konflikt kommen, wo es weder Frieden, noch Krieg gibt. Unser Nachbar hat daran großes Interesse daran. Auf dem Gebiet der UdSSR wurde noch kein Konflikt gelöst und die ganze Welt fand sich damit ab“ sagte er.

Der nächste Schritt des Kremls kann eine Destabilisierung der Lage in der Ukraine sein, aber nicht mit militärischen, sondern politischen Mitteln, meinte der Direktor von Stratfor George Freedman.

Die Durchführung illegaler Wahlen in den besetzten Gebieten im Donbass, die die Söldner vor kurzem ankündigten, bedeutet eine rote Linie, nach der weitere Sanktionen eingesetzt werden, erklärte Poroschenko. Die Ukraine wird es nicht zulassen, dass sich illegale Wahlen wiederholen, wie sie am 2. November 2014 durchgeführt wurden. Die Minsker Vereinbarungen sehen vor, dass die Kommunalwahlen laut der ukrainischen Gesetzgebung in den besetzten Gebieten durchgeführt werden. Außerdem sollen sie den OSZE-Standards entsprechen und durch das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) überwacht werden. Russland braucht diese Wahlen nicht. Die Pseudowahlen sind notwendig, um die illegale Macht der Okkupanten zu legalisieren. Die Ukraine ist bereit, faire und freie Wahlen in Donezk und Luhansk durchzuführen, sagte der ukrainische Ministerpräsident, Arsenij Jatsenjuk. Aber nur, wenn sie den Bedingungen des BDIMR entsprechen. Und es ist kaum vorzustellbar, dass die OSZE diese Möglichkeit dann bestätigen kann, wenn Wähler mit Schusswaffen in den Wahlbezirken bedroht werden. Die Ukraine und die Europäische Union bestätigten, dass die Kommunalwahlen laut der ukrainischen Gesetzgebung durchgeführt werden sollen.

Die  Außenminister der Ukraine, Deutschlands, Frankreichs und Russlands bestätigten während ihres Treffens in Berlin die Wichtigkeit, dass Panzer, Artillerie mit einem Kaliber bis 100-mm und Mörser mit einem Kaliber bis 120-mm unter der Kontrolle der OSZE so schnell wie möglich abgezogen werden. Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin betonte, dass man im Rahmen der trilateralen Kontaktgruppe die Modalitäten besprechen soll, ob man die Wahlen in den besetzten Gebieten nach der ukrainischen Gesetzgebung und nach OSZE-Anforderungen durchzuführen kann. Eine Reportage über das Außenministertreffen in Berlin (auf Englisch).

Pawlo Klimkin bestätigte, dass ein Gefangenenumtausch und die Wiederherstellung der Kontrolle über die ukrainisch-russischen Grenze im Donbass durch die Ukraine während des Treffens in Berlin nicht vereinbart wurden. „Man kann nicht über eine gemeinsame Unterstützung sprechen, in dem Sinn einer Wahlkommission oder der Durchführung freier und legaler Wahlen, wenn unsere Gefangenen nicht freigelassen wurden. Man kann nicht über Sicherheit sprechen, wenn schwere Waffen, Söldner und Soldaten der regulären russischer Armee anwesend sind“, sagte er. Nach seiner Meinung will Russland eine Deeskalation im Donbass zur Durchsetzung eigener politischer Ziele nutzen. Aber es ist nicht nur eine Deeskalation wichtig, sondern auch eine Stabilisierung in der ATO-Zone. Die Regelung heißt, dass wieder die ukrainische Gesetzgebung gilt und ein normales Leben zurückkehrt.

Die Milizen verstärken ihre Positionen in der Ostukraine, teilte der OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier mit. „Es gibt sehr viel Militärgerät, das irgendwoher geliefert wurde. Da wir keinen Zugang zum Grenzbereich haben, können wir nicht prüfen, wie es die Grenze überquert, aber wir sehen und bestätigen, dass es solche Waffen gibt. Die Kräfte der anderen Partei werden verstärkt“, sagte er.

Minsk-III: Worauf werden sich die “Normannischen Vier” in Paris einigen? Bis zum Treffen in Paris am 2. Oktober wird Putin aller Wahrscheinlichkeit nach den Beschuss im Donbass einschränken. Alle Ressourcen werden auf die interne Destabilisierung der Ukraine gerichtet. (auf Deutsch).

Korruptionsbekämpfung

Die Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine bestimmte ihren Kandidaten für das Amt des Antikorruptionsstaatsanwalts. „Die Staatsanwaltschaft erwartet Kandidaten des Parlaments, sieben Kandidaten der Parlamentskommission und vier werden von der Generalstaatsanwaltschaft ernannt“, teilte der stellvertretende Generalstaatsanwalt der Ukraine, David Sakwarelidze, mit.

„Wenn wir eine starke gemeinsame Herangehensweise bei der Korruptionsbekämpfung haben, werden wir das auch schaffen, auch wenn es schwierig wird, aber wir müssen die Ärmel hoch krempeln, um die Korruption zu bekämpfen“, sagte der Minister für Wirtschaftsentwicklung und Handel, Ajwaras Abromawitschus. Seiner Meinung nach sollten absolut alle Korruptionäre hinter Gitter.

Reformen

Bei der letzten Sitzung des Nationalen Reformrats wurde das neue Steuergesetzbuch besprochen, das helfen soll, das Investitionsklima der Ukraine zu verbessern.

Weiter waren folgende Reformen wichtige Themen: Verwaltung des Staatseigentums, Offenheit der Behörden, Reform der Staatseinkäufe, Deregulierung, Reform des Grenzdienstes. Hier finden Sie eine Zusammenfassung auf Deutsch zu den genannten Reformthemen.

Infografik. Was ändert sich durch das neue Gesetz „Über die Lokalwahlen“? Am 25. Oktober 2015 werden die nächsten Wahlen zu den Organen der lokalen Selbstverwaltung durchgeführt. Sie sind durch das Gesetz „Über die Lokalwahlen“ geregelt. Die Effektivität des neuen Modells („Stimmsystem, das nicht übertragbar ist“) wird derzeit geprüft, und solange wird vorgeschlagen, die Neuerungen des Gesetzes bekannt zu machen.

„Yalta European Strategy“-Konferenz in Kiew

Vom 10. bis 12. September 2015 fand in Kiew die 12. „Yalta European Strategy“-Konferenz (YES) statt. Das offizielle Thema der Konferenz war „Risiko: Wie das Schicksal der neuen Ukraine Europa und die Welt betrifft“. Die Konferenz wurde von über 350 Weltführern besucht, darunter: Jean Asselborn, José Manuel Barroso, Carl Bildt, Johannes Hahn, Leonid Kuchma, Aleksander Kwasniewski, Gen. Stanley McChrystal, Ivan Mikloš, Victoria Nuland, Carlos Pascual, Gen. David A. Petraeus, Anders Fogh Rasmussen, Wolfgang Schüssel, Radosław Sikorski, Javier Solana, Strobe Talbott, Vaira Vīķe-Freiberga und Lamberto Zannier. (Website der Konferenz auf Englisch)

Der 92-jährige Schimon Peres, der neunte israelische Präsident, hielt nach Meinung der Kongressbesucher eine der motivierendsten Reden. Die Besucher würdigten auch die Rede von Elton John über Menschenrechte.

Aleksander Kwasniewski, der ehemalige polnische Präsident sagte: „Der beste Weg für die Ukraine, diese schwierige Situation zu überwinden, ist, alles daran zu setzen, um die bereits angekündigten Reformen umzusetzen. Das Problem der Ukraine ist die Kluft zwischen den Ankündigungen und realen Umsetzungen. Jetzt ist es Zeit, mit der Umsetzung zu beginnen. Ein weiterer wichtiger Schritt ist, dass die Ukraine der Welt zeigt, was sie zu bieten hat. Sie muss zeigen, was sie herstellen und exportieren kann, und dass sie ein wichtiges Mitglied der internationalen Gemeinschaft ist.“ (Artikel zur Rede auf Englisch).

Die Teilnehmer der YES-Konferenz erwarten innerhalb von drei Jahren einen „geschlossenen“ eingefrorenen Konflikt in der Ukraine (Umfrage auf Englisch).

An der Konferenz nahm auch Sergej Lewotschkin, der Führer des Oppositionsblocks und ehemaliger Chef der Präsidialverwaltung unter Janukowitsch, teil, was eine bedauernswerte Nachricht war. Deshalb verließen mehrere Konferenzteilnehmer aus stillem Protest die Konferenz. Als sein Auftritt begann, standen mehrere Konferenzteilnehmer auf, darunter die Gründerin von UCMC, Natalja Popowitsch, und hielten Bilder der umgekommenen Mitglieder der „Himmlischen Hundertschaft“ hoch.

Alle Veröffentlichungen und Diskussionen, die bei der YES-Konferenz stattfanden, sind hier auf Englisch zu finden.

Umfrage

Über 60 Prozent der Ukrainer glauben nicht an den Erfolg der Reformen, die derzeit von der ukrainischen Staatsführung umgesetzt werden, aber 54 Prozent unterstützen sie weiterhin, damit die Wirtschaftskrise im Land überwunden wird. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Umfrage, die vom Fond „Demokratische Initiativen“ und dem Soziologischen Dienst des Zentrums Rasumkow durchgeführt wurde. Dabei glauben 30 Prozent der Befragten überhaupt nicht an den Erfolg der Reformen; 32 Prozent haben eine gewisse Hoffnung, aber glauben eigentlich nicht daran. Weitere 30 Prozent meinen, dass die Reformen erfolgreich werden. Fast die Hälfte der Befragten (48 Prozent) denken, dass die neue ukrainische Staatsführung keine Erfolge bei den Reformen erzielte. Jeder Vierte meint, dass nur ein Zehntel davon gemacht wird, was man machen müsste. Jene, die meinen, dass fast alle geplanten Reformen bereits umgesetzt wurden, machten 0,6 Prozent aus (Umfrage).

Wirtschaft

Der IWF gab ausreichende finanzielle Mittel, um die Goldwährungsreserven der Ukraine aufzustocken, aber zur weiteren Wirtschaftentwicklung sind finanzielle Hilfen der EBRD, der EIB und anderer Finanzinstitutionen notwendig. Dies erklärte die ukrainische Finanzministerin, Natalija Jaresko, bei der YES-Konferenz.

Der Westen soll in Bezug auf die ukrainische Wirtschaft „alles machbare unternehmen“: mehr und schneller. „So denken 60 Prozent der ukrainischen Teilnehmer der YES-Konferenz und 58 Prozent der ausländischen Teilnehmer. Weitere 29 Prozent der ukrainischen Teilnehmer wählten die Variante „Unterstützung auf diesem Niveau vorbehaltlich weiterer Reformen“ und 30 Prozent der ausländischen Teilnehmer vertraten diesen Standpunkt“, heißt es auf der Website der Konferenz (Englisch).

Gas für Europa

Der Bau des Gasleitungsnetzes „Nord Stream-2“ kann unter Berücksichtigung des eingeschränkten Gastransports aus dem Norden von Tschechien und in die Slowakei zu einem Gasdefizit in Osteuropa führen, meinte Andrej Kobolew, Vorstandschef von „Naftogaz Ukraina“. In Osteuropa kann es zu einem Defizit an Gas kommen, was man als Diskriminierung werten kann“, sagte Kobolew bei der 12. YES-Konferenz. Er merkte an, dass dieses Problem in der Region offen besprochen werden soll und dass man die EU auch an das Solidaritätsprinzip erinnern muss (hier auf Englisch).

Die ukrainische Skulptur „Ljubow“ beim internationalen Festival „Burning Man“

Die Skulptur mit dem Namen „Ljubow“ („Liebe“) des ukrainischen Bildhauers Alexander Milow aus Odessa wurde bei dem jährlichen Festival „Burning Man“ in Nevada ausgestellt. Die Skulptur des ukrainischen Künstlers wurde als stärkstes Werk dieses Jahres bezeichnet (Bericht auf Englisch). Bei der Herstellung der riesigen Metallskulptur half Vitalij Dejnega, der Gründer der Stiftung „Wernis Schiwym“ („Kehre lebend zurück“), die Hilfsgelder für die ukrainische Armee sammelt.

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Nachfolgend eine Auswahl an englischen Interviews, Analysen und Videos zur Situation in der Ukraine:

Video

«Time to Be Different» – eine 6-minütige Analyse von VoxUkraine für die YES-Konferenz. In diesem Video, das für die 12. „Yalta European Strategy“ Konferenz vorbereitet wurde, zeigt VoxUkraine, wie sich diese Zeit von früheren erfolglosen Versuchen unterscheidet, das Land zu reformieren, einschließlich dass dieser Weg ein Fortschritt wird.

Reportage

Russische Behörden beschuldigen den ukrainischen Ministerpräsidenten Jazenjuk, dass er sich am Tschetschenienkrieg beteiligte. Eine Reportage von Ukraine Today.

Interview

„Wie Kultur hilft, die menschliche Würde in Krisenzeiten zu schützen“ –Exklusivinterview von Ukraine Today mit Oxana Forostyna, der Direktoren der Zeitschrift „Krytyka“.

„Die neue Polizei in Lwiw ist sehr motiviert und gut vorbereitet“ – Exklusivinterview von Ukraine Today mit dem Chef der neuen Polizei in Lwiw.

„Die Zivilgesellschaft in der Ukraine wird stärker“ – Exklusivinterview von Hromadske International mit Jose Manuel Barroso, dem ehemaligen Chef der Europakommission.

„Der Konflikt in der Ostukraine ist noch nicht zu Ende“ – Exklusivinterview von Hromadske International mit Carl Bildt, dem ehemaligen schwedischen Außenministers.

Bis zur Revolution der Würde fehlte es der Ukraine an Vertrauen seitens europäischer Länder“ – Exklusivinterview von Hromadske International mit Radowlaw Sikorski, dem ehemaligen polnischen Außenminister.

„Einhaltung der Minsker Vereinbarungen“ – Exklusivinterview von Hromadske International mit Miroslav Lajčák.

Analyse

7. bis 13. September 2015: Was deutschsprachige Medien zur Ukraine berichteten und was davon bei Facebook diskutiert wurde.

Wöchentliche Videozusammenfassung von „StopFake“ – Widerlegung von Fakes der russischen Propaganda.

Der russische Geheimdienst terrorisiert die Krimtataren weiter – Analyse der Charkiwer Menschenrechtsgruppe.

Die vom Kreml unterstützten Söldner bestätigen unbeabsichtigt die geringe öffentliche Unterstützung – Analyse der Charkiwer Menschenrechtsgruppe.

Jazenjuk behauptet, dass er kaum etwas gegen die Korruption ausrichten kann – Analyse des Chefredakteurs von KyivPost, Brian Bonner.

Der Russischer Ökonom Inosemzew: Europa hat keine Strategie für das Russland nach Putin – Analyse in der KyivPost.

Der ukrainische Wirtschaftsminister erklärt die Verzögerung der Privatisierung – Analyse in der KyivPost.

Saakaschwili behauptet, dass die Ukraine von „Oligarchen im Hintergrund“ regiert wird – Analyse in der KyivPost.

Pressekonferenzen in UCMC (auf Deutsch)

Die Krimtataren rufen dazu auf, eine großangelegte Blockade der Krim zu organisieren. 85 Prozent des Stroms auf der Krim kommt aus der Ukraine und zirka 80 Prozent des Wassers, insbesondere zur Bewässerung. Vor der Besatzung wurden die Kosten durch den Tourismus und Geschäftsvisiten gedeckt, aber heute hat die Ukraine nichts davon.

Die OSZE-SMM begrüßt den bedeutenden Rückgang bei Verstößen gegen die Waffenruhe in den Gebieten von Donezk und Luhansk.

Pestbeule“ – ein Dokumentarfilm über das Besatzungsregime in Donezk.