Strategie zur Reintegration der Krim in die Ukraine: gesamtukrainischer Wettbewerb

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Kiew, 25. September 2015 – Im Oktober/November 2015 wird ein Wettbewerb unter Analysten für die beste Strategie zur Reintegration der Krim in die Ukraine und deren weitere Entwicklung durchgeführt, teilten Experten und Personen des öffentlichen Lebens während einer Pressekonferenz im Ukrainischen Crisis Media Center mit.

Eskender Bariiev, Mitglied der Madschlis der Krimtataren, berichtete, dass die Idee, die Ausarbeitung dieser Strategie mit der Öffentlichkeit durchzuführen, bereits im Frühjahr 2014 im Rahmen der Initiative „Die Krim gehört zur Ukraine“ entstand.

„Wir hörten von den höchsten Amtspersonen, dem Präsidenten und Ministerpräsidenten der Ukraine, mehrfach, dass in unserem Staat derzeit eine Strategie zur Reintegration der Krim in die Ukraine entwickelt wird. Deshalb entschied die Öffentlichkeit, aktiv zu werden. So einigten sich unter der Schirmherrschaft des Madschlis-Vorsitzenden der Krimtataren, des ukrainischen Parlamentsabgeordneten Refat Tschubarow, Gesellschaftsorganisationen und Analysezentren und entschieden, einen Wettbewerb für die besten Arbeiten von Doktoranten, Analysten, Experten und Studenten zu organisieren“, erklärte Eskender Bariiev und ergänzte, dass konkretere Bestimmungen zur Durchführung des Wettbewerbs und die Anforderungen an die Arbeiten in nächster Zeit in einer offiziellen Erklärung veröffentlicht werden.

Refat Tschubarow und Eskender Bariiev erinnerten daran, dass gewisse Aspekte bei der Strategie zur Reintegration der Krim in die Ukraine von einzelnen Experten aus verschiedenen Organisationen bereits besprochen wurden, wobei es bisher nicht gelang, die Erörterung dieser Frage in die Öffentlichkeit und staatlichen Strukturen zu bringen. „Als ich mich mit europäischen und amerikanischen Analysten unterhielt, war die Rede davon, dass unser politisches Establishment ein Problem damit hat, mit Analysezentren zusammenzuarbeiten. Deshalb besteht eine der Aufgaben dieser Aktion, die intellektuellen Kreise unseres Landes, die sich mit der Krimfrage und dem Problem der territorialen Integrität der Ukraine beschäftigten, zur Erörterung heranzuziehen, um ihren Rat einzuholen und ihn bei der weiteren Politik der Ukraine zu berücksichtigen. Vielleicht liegt die Strategie, die der „Maidan für ausländische Angelegenheiten“ entwickelte, auch der Arbeit anderer Forscher zugrunde. Je mehr kreative Ideen und Vorschläge zur Lösung unseres gemeinsamen Problems vorliegen, desto besser wird das Ergebnis“, sagte Eskender Bariiev.

Der Experte betonte, dass es bei der Suche nach einer komplexen Lösung für das Problem und der Ausarbeitung einer komplexen Staatspolitik in Bezug auf die Krim sehr wichtig ist, dass an diesem Prozess alle, einschließlich Journalisten und einzelne Wissenschaftszentren an Universitäten, einbezogen werden.

Es ist geplant, den Wettbewerb in drei Etappen durchzuführen. Die erste Etappe, die bis zum 20. Oktober dauern soll, sieht die Erstellung und Abgabe von Arbeiten der Wettbewerbsteilnehmer vor (laut vorläufigen Informationen 10-12 Seiten auf ukrainisch, Englisch, Krimtatarisch oder türkisch). Nach Ablauf der Abgabefrist für die Arbeiten werden sie der Wettbewerbskommission übergeben, zu der Spezialisten der Nationalakademie der staatlichen Verwaltung beim ukrainischen Präsidenten gehören, sowie Experten von dem Institut für strategische Forschungen der Ukraine und von mehreren anderen Institutionen. Ende Oktober soll die Präsentation der Arbeiten stattfinden, sowie die Auszeichnung für die Besten unter ihnen. Danach werden die besten Arbeiten in einem Sondersammelband herausgegeben und dem Präsidenten und anderen hohen Staatsbeamten offiziell vorgestellt. Außerdem, so Eskender Bariiev, können die Wettbewerbsgewinner an dem Forum zum Thema „Krim im Kontext der Sicherheit in der Schwarzmeerregion“ teilnehmen, das im November in Istanbul stattfindet.

Nach Meinung des Experten kann das Forum auch eine wichtige Rolle bei der Lösung der Krimfrage spielen. „Wir haben [Anm. dank des Forums in Istanbul] inzwischen bereits eine Plattform mit Experten für die Schwarzmeerregion, aber jetzt ist es wichtig, dass wir in diesem Prozess führend werden, denn auf der Krim und in der Ukraine insgesamt gibt es eine heiße Phase. Wir möchten den Ton vorgeben und einen ständigen Informationsaustausch unter Experten – sowohl solchen aus der Ukraine, als auch aus der Schwarzmeerregion“, erklärte Eskender Bariiev.

„Ich hoffe sehr und rufe dazu auf, dass diese Arbeiten nicht nur wirtschaftliche Aspekte enthalten, weil damit viele humanitäre ausgeschlossen würden, die mit der Deokkupation der Halbinsel verbunden sind, sondern auch Aspekte zu ihrer Wiedergeburt nach der Rückkehr“, erklärte Refat Tschubarow und merkte an, dass sich auch Historiker und andere Spezialisten mit dieser Frage beschäftigen sollen.

„Solange die Krim okkupiert ist, könnte sich ein Teil der Spezialisten darauf konzentrieren, was wir 23 Jahre lang nicht getan haben. Sagen wir so, Historiker könnten analysieren, wie ihre „historiographischen Augen“ die Entwicklungsgeschichte der Ukraine sahen, sowie die Beziehung zwischen den Ukrainern und Krimtataren, deren Beziehung zu Polen, zum Osmanischen Reich, zu Russland und zum Khanat der Krim“, sagte er. „Genauso wichtig ist die Frage der Wiedergeburt des Krimtatarischen und der Ausbau der Möglichkeit, Krimtatarisch zu lernen.“

„Wir verstehen, dass eine Deokkupation der Krim ohne Einbeziehung der Krimbevölkerung nicht möglich ist“, betonte Andrej Schtschekun, der Vorsitzende der Gesellschaftsorganisation „Ukrainisches Haus“. Er merkte an, dass die Krimbewohner im Exil, die in Lwiw, Riwne, Czernowitz, Ternopil und Chmelnizki öffentliche Zentren schufen, sowie jene, die noch auf der Halbinsel leben, sich unbedingt an der Erarbeitung dieser Strategie beteiligen sollen.

Während der Pressekonferenz äußerten die Experten auch ihre Meinung in Bezug auf die Rolle und Bedeutung der Krimblockade, sowie in Bezug auf das ukrainische Gesetz „Über die Wirtschaftsfreihandelszone Krim“, da dieses Gesetz aufgrund der Krimblockade eine neue Welle der Kritik hervorrief. Wie Refat Tschubarow anmerkte, konnte man die Beschließung dieses Gesetzes durch die Gefahr rechtfertigen, die in jener Zeit existierte, aber heute gibt es in den Zimmern der Staatsstrukturen bereits einige, die bereit sind, das Gesetz wieder aufzuheben. „Jetzt haben alle verstanden, wie tief die Metastasen sitzen, die durch dieses Gesetz entstanden. Es gibt kein Organ der ausführenden Gewalt im Gebiet von Cherson, das nicht an der Schattenwirtschaft beteiligt wäre“, erklärte der Madschlis-Vorsitzende.

Außerdem merkte er an, dass ernsthaft daran gearbeitet wird, um den Ersatz für Verluste, die der Ukraine durch die Okkupation der Halbinsel entstanden, von der Russische Föderation einzuklagen. „Wir befinden uns bereits auf internationalem Niveau, wenn wir uns zum Beispiel mit den Aktionären von YUKOS zusammentun, die bereits enorme Summen gewonnen haben.“ Refat Tschubarow erinnerte daran, dass durch die Okkupation der Krim zirka 4.000 Unternehmen ernsthafte Verluste erlitten.

Zur Krimblockade meinte Refat Tschubarow, dass die Initiatoren die Aktion als „Zivilblockade der Krim“ betrachten und nicht als „Warenblockade“. „Eine Zivilblockade der Krim will nicht, dass die ukrainischen Bürger, die auf der besetzten Krim leben, zusätzlich leiden müssen“, sagte er.

Nach Meinung von Refat Tschubarow und Andrej Schtschekun muss die Ukraine eine entschiedenere Position in der Krimfrage einnehmen und sich nicht nur aktiv den Sanktionen gegen die Russische Föderation anschließen, die von den EU-Mitgliedsstaaten und den USA eingeführt wurden, sondern auch selbst bereit sein, härtere Schritte zu unternehmen – unter anderem bei der Beschränkung von Stromlieferungen.

„Auf der Halbinsel gibt es genug Generatoren, um die Institutionen mit Strom zu versorgen, die sie für einen Normalbetrieb bei der Lebenssicherheit und Gesundheit der Menschen benötigen, wie Entbindungsheime und Krankenhäuser. Aber warum sollen wir Truppenteile oder Unternehmen versorgen, die direkt an der Verstärkung der militärischen Präsenz durch die Russische Föderation arbeiten?“ erklärte der Madschlis-Vorsitzende.

Nach seiner Meinung sind die Gegensanktionen von Russland als Antwort auf diesen radikalen Schritt völlig vorhersagbar, weshalb man sich im Voraus darauf einstellen muss. Doch, so seine Meinung, für einen wirklich entschlossenen Kampf ist eine entschlossene Position der Bürger notwendig, die dabei gewisse Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen müssen. „Wir müssen einfach ehrlich zu uns sein, was wir für die Wiederherstellung von Gerechtigkeit und der Wiederherstellung der ukrainischen Souveränität in den von der internationalen Gemeinschaft anerkannten Grenzen zu opfern bereit sind“, betonte Refat Tschubarow.