Seit der Okkupation der Krim wurden über 4.000 große und kleine Unternehmen Ziel von Raider-Attacken – Taras Beresowez

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Kiew, 1. Oktober 2015 – In nächster Zeit werden auf der Krim einige Objekte zum Verkauf ausgeschrieben, die vor der Annexion der Halbinsel der Ukraine gehörten. Am 26. Juni genehmigte der sogenannte „Staatsrat“ der Krim den Prognoseplan zur Privatisierung von Eigentum für 2015, das sich im Staatseigentum befindet. „Unter die Privatisierung sollen 11 Immobilien fallen. Drei davon sind große Produktionsunternehmen, die in Jalta liegen, vier sind im Bau befindliche Objekte in Simferopol und Jewpatorija, weitere vier Immobilien befinden sich in Simferopol und Jalta“, berichtete Taras Beresowez, Ideengeber der Projekts „Free Crimea“, während einer Diskussion im Ukrainischen Crisis Media Center.

Er erinnerte daran, dass die Absicht, sich Eigentum anzueignen, das der Ukraine gehört, bereits im März 2014 von den selbsternannten Krimbehörden angekündigt wurde – darunter „Tschernomorneftegas“, „Massandra“ und das Kinderlager „Artek“. Nach einer Gesamteinschätzung unterliegen seit der Okkupation der Krim über 4.000 große und kleine Unternehmen Raider-Attacken – die Mehrzahl davon Unternehmen aus der Hotel- und Gastronomiewirtschaft.

„Hauptziel dieser Privatisierungen ist, die Budgeteingänge durch den Verkauf von Eigentum aufzustocken, das sich auf der annektierten Halbinsel befindet“, erklärte Taras Beresowez. Die Okkupationsbehörden erwarten, dadurch 40 Mio. Rubel (zirka 615.000 USD) einzunehmen, was einem Durchschnittswert von zirka 56.000 USD pro Objekt entspricht. Dabei geht es hauptsächlich um riesige Sanatorien. „Das ist eigentlich „goldenes“ Land“, sagte er.

„Ich denke, dass dies der einfache Versuch ist, Eigentum zu legalisieren. Sie setzen so günstige Preise an, dass der nächste Besitzer legal ist“, erklärte Taras Sagorodnij, Ökonom und Partner der Nationalen Antikriesengruppe. Er fügte hinzu, dass dieses Geld im Interesse von Sergej Axenow [Anm. der sogenannte Vorsitzende der Republik Krim] eingenommen wird, selbst wenn es geringe Summen sind. Nach Meinung des Experten senkten die Krimbehörden den Preis auf ein Minimum, da Touristen ausbleiben und das Risiko für die Käufer besteht, sanktioniert zu werden. Die Krim ist für Investoren deshalb relativ uninteressant. Die Sanktionen, so der Experte, könnte man umgehen, indem das Eigentum über Offshore-Zonen gekauft wird. Allerdings muss der Investor dann den Transaktionskosten zustimmen und die „Korruptionssteuer“ berücksichtigen. Dadurch ist der angebotene Preis nur ein Teil der Summe, die ein Investor bezahlen muss. Gleichzeitig müssen noch Interessenten gefunden werden. „Die Preise, die bekannt gegeben wurden, erlauben es von einer Umverteilung und Schenkung zu sprechen, aber nicht von einer Privatisierung“, meinte der Parlamentsabgeordnete der Fraktion „Batkiwschtschina“, Igor Luzenko.

Die ukrainischen Behörden berichteten, dass sie durch die Beschlagnahmung von Eigentum auf der Krim Verluste in Höhe von über 50 Mrd. Hryvna erlitten. Deshalb bereiten sie eine Klage gegen die Russische Föderation für Internationale Gerichte vor.

Gleichzeitig merkte der Experte an, dass die realen Verluste weit höher sind. „Nach verschiedenen Schätzungen beläuft sich die Summe auf mindestens 100 Mrd. Hryvna. Allein das Eigentum des ukrainischen Militärs, so die Behauptung des ukrainischen Verteidigungsministeriums, waren 20 Mrd. Hryvna wert“, erklärte Taras Sagorodnij.

Jewgenija Andrijuk, Expertin für internationales und humanitäres Recht bei der Bürgerinitiative „Krim-SOS“, sagte, dass die Ukraine in diesem Fall gute Chancen hat, die Klage zu gewinnen: „Auf der Krim wird das humanitäre Recht angewandt, weil es ein besetztes Gebiet ist. Wenn die Situation im Donbass nicht ganz klar ist, so handelt es sich bei der Krim offensichtlich um einen internationalen Konflikt, bei dem es zwei Parteien gibt, selbst wenn die Okkupation friedlich verlief.“

Sie betonte, dass laut den Normen des humanitären Rechts Okkupationsbehörden zwar berechtigt sind, Eigentum zu nutzen, aber nach Ende des Konflikts müssen sie das Eigentum nicht nur zurückgeben, sondern auch der anderen Partei alle Verluste entschädigen. Aus diesem Grund ist die Privatisierungsabsicht des von der Ukraine beschlagnahmten Eigentums völlig illegitim. Gleichzeitig merkte die Expertin an, dass sich Russland aller Wahrscheinlichkeit nach weigern wird, einem Urteil nachzukommen.

Taras Sagorodnij sagte in diesem Zusammenhang, dass die Vorbereitungen der Klagen vor allem aus dem Grund gebremst werden, da währenddessen zahlreiche Schattensysteme eröffnet werden, die sich im Laufe des vergangenen Jahres für den Reexport von Waren in die Russische Föderation bildeten. Nach Schätzung von Vox.ua, so Igor Luzenko, verließen im vergangenen Monat bis zur Blockade der Krim, netto 32 LKWs pro Tag die Halbinsel [nach Russland].

Nach Meinung der Experten ist es wichtig, dass die ukrainischen Behörden in nächster Zeit in Bezug auf die Krim eine strickte Position einnehmen, um die Möglichkeit von Schwarzhandel auf dem besetzten Gebiet zu beseitigen und wirtschaftlichen Druck auszuüben.

„Das, was geschieht [Anm. die Zivilblockade], ist Unsinn, da sich der Staat mit der Krimfrage beschäftigen muss und nicht die Öffentlichkeit“, erklärte Igor Luzenko. „Je weniger undurchsichtige Verbindungen wir mit dem Aggressor haben, desto besser sind unsere Chancen, uns zu verteidigen. Es muss eine Symbolpolitik geben, die entsprechend von einer Institution, zum Beispiel dem Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat, ausgearbeitet werden soll.“