Die ukrainische Regierung muss ihren internationalen Verpflichtungen nachkommen und Verbrechen in der Ostukraine untersuchen – Experten

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Kiew, 23. Oktober 2015 – Der neue gemeinsame Bericht der FIDH und des Zentrums für Bürgerfreiheiten beinhaltet eine relativ hohe Anzahl an groben Verstößen gegen das internationale humanitäre Recht und gegen Menschenrechte, die in der Ostukraine von Frühjahr 2014 bis heute begangen wurden. Darunter Morde, Folter oder unmenschliche Behandlungen, illegale Verhaftungen und Imitation von Hinrichtungen, sowie Ausführung von Todesurteilen. Dies fällt unter den Begriff von Kriegsverbrechen und muss von dem Internationalen Strafgericht untersucht werden.

Die ukrainische Regierung erkannte den Internationalen Strafgerichtshof vor kurzem im Zusammenhang mit den Verbrechen an, die auf dem Gebiet der Ukraine seit dem 20. Februar 2014 begangen wurden. Sie muss jetzt ihre internationale Verpflichtung erfüllen und die Personen gerichtlich prüfen, verfolgen und bestrafen, die für solche international anerkannte Verbrechen verantwortlich sind.

„Der Internationale Strafgerichtshof ist immer die letzte Gerichtsinstanz, die tätig wird, wenn die Nationalbehörden nicht richtig funktionieren. Aber durch die Anerkennung seiner Jurisdiktion für die Verbrechen, die während des Konflikts begangen wurden, verpflichteten sich die ukrainischen Behörden, unabhängig davon, welchen Weg sie gehen wollen – über nationale Gerichtsbehörden oder internationale Mechanismen –, Gerechtigkeit zu sprechen. Dies ist der erste Schritt auf dem Weg, die Straflosigkeit für Verbrechen in der Ukraine zu überwinden“, sagte Carrie Comer, die ständige Vertreterin der FIDH beim Internationalen Strafgericht, während einer Pressekonferenz im Ukrainischen Crisis Media Center.

Nach Angaben von Alexandra Kulajewa, der Abteilungsleiterin für Osteuropa und Zentralasien bei der FIDH, enthält der Bericht Erzählungen von Opfern und materielle Beweise, wie Fotos von Orten, wo Menschen festgehalten wurden und von „Schwarzen Listen“, die zeigen, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen seitens der Separatisten und bewaffneten Gruppen gezielt verfolgt wurden: religiöse Gruppen, Vertreter von nationalen Minderheiten, und in erster Linie proukrainische Bürger und Aktivisten, sowie Freiwillige, Journalisten und Staatsangestellte.

„Wir wollten auch auf weniger systematische und weniger grobe Menschenrechtsverstöße seitens der ukrainischen Freiwilligenbataillons oder von Vertretern der ukrainischen Streitkräfte hinweisen. Einige davon entsprechen Kriegsverbrechen und müssen untersucht werden. Im Fokus unserer Aufmerksamkeit lag das Problem, dass sie straflos ausgehen und es an der Möglichkeit fehlt, die Rechte eines sehr großen Bevölkerungsanteils auf nationalem und internationalem Niveau zu schützen“, erklärte Alexandra Kulajewa.

Einige Verbrechen in der Ostukraine wurden bereits von nationalen Gerichtsbehörden betrachtet. „Allerdings, so die Aussage von Vertretern internationaler Rechtsschutzorganisationen, werden die Verstöße von ukrainischen Soldaten sehr unzureichend untersucht. Wir beobachten auch unsererseits eine sehr ineffektive Untersuchung von Menschenrechtsverstößen seitens der sogenannten „LVR/DVR“ in den von der Ukraine kontrollierten Gebieten“, kommentierte Maria Tomak vom Zentrum für Bürgerfreiheiten.